Читать книгу Handbuch Ius Publicum Europaeum - Martin Loughlin - Страница 115

bb) Die Parlamentswahlen

Оглавление

63

Gemäß der in Art. 3 CF enthaltenen Generalklausel beruhen die Parlamentswahlen, wie alle politischen Wahlen (europäische, nationale und lokale), auf einem allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlrecht. Doch fügt Art. 3 CF hinzu, dass die Wahl direkt oder indirekt erfolgen kann, was auf Art. 24 CF verweist: „Die Abgeordneten der Nationalversammlung werden in unmittelbarer Wahl gewählt. Der Senat wird in mittelbarer Wahl gewählt.“ Die Verfassung enthält keine weiteren Vorschriften zum parlamentarischen Wahlverfahren; das Nähere regelt ein einfaches Gesetz (Art. 34 Abs. 8 CF).

64

Die Abgeordneten der Nationalversammlung werden traditionell in einem Wahlbezirk und in einer zwei Wahlgänge beinhaltenden Mehrheits- und Persönlichkeitswahl gewählt, eine Regelung, die im Wesentlichen das Wahlsystem der Dritten Republik wieder aufgreift. Die Verhältniswahl wurde einmal in der Fünften Republik anlässlich der Wahlen von 1986 eingeführt, um kurz darauf wieder durch das Mehrheitswahlsystem ersetzt zu werden. Nach der in de Gaulles Augen verheerenden Erfahrung der Verhältniswahl in der Vierten Republik konnte für ihn allein das Mehrheitswahlsystem zufrieden stellende Regierungsmehrheiten gewährleisten. Mittels einer Interpretation des Wahlgleichheitsprinzips hat der Conseil constitutionnel präzisiert, dass die Nationalversammlung auf „im Wesentlichen demographischer Basis gewählt“ werden muss, weswegen bei der Aufteilung der Wahlbezirke ein gewisses Gleichgewicht zwischen ihren jeweiligen Bevölkerungsanteilen zu berücksichtigen ist.[141]

65

Die Senatoren werden je nach Gewicht des Départements, d.h. je nach Zahl der in dem jeweiligen Département zu wählenden Senatoren, entweder in einer Mehrheitswahl oder einer Verhältniswahl gewählt. Die Wahl selbst übernimmt ein Wahlausschuss, der sich aus den in den verschiedenen Wahlbezirken des Départements gewählten Abgeordneten und lokalen Repräsentanten zusammensetzt. Die Repräsentation der Gemeinden in diesen Wahlausschüssen und ihre besondere Struktur (rund 36 000 Gemeinden, deren überwältigende Mehrheit aus ländlichen Kommunen besteht) führen dazu, dass in diesen Ausschüssen die Gemeinden, und vornehmlich kleine, überwiegen. Der Senat bleibt in dieser Hinsicht dem Gründungskonzept von 1875 entsprechend der „große Rat der Kommunen Frankreichs“ (Léon Gambetta).[142]

66

Die bedeutendste Modifikation des Wahlsystems zog wohl das Verfassungsgesetz vom 8. Juli 1999 nach sich, mit dessen Verabschiedung das Prinzip der Parität zwischen Mann und Frau Eingang in das französische Verfassungsrecht gefunden hat. Das Gesetz „fördert den gleichen Zugang von Frauen und Männern zu Wahlmandaten und Wahlämtern“ (Art. 3 Abs. 5 CF), und die Parteien „tragen zur Umsetzung dieses Prinzips bei“ (Art. 4 Abs. 2 CF). Diese beiden Verfassungsprinzipien beinhalten zwar selbst nicht das Paritätsprinzip, doch haben sie das seiner Einführung im Weg stehende Hindernis überwunden, das die bis dato aufrechterhaltene Interpretation der Rechtsprechung des Conseil constitutionnel zur Wahlgleichheit darstellte. Laut dieser Interpretation ist jede Unterscheidung nach Wähler- und Wählbarenkategorie abzulehnen und demzufolge insbesondere auch jegliche nach dem Geschlecht der Kandidaten.[143] Die neuen Vorschriften der Verfassung wurden ihrem Zweck entsprechend dahingehend ausgelegt, dass sie den Gesetzgeber berechtigen, Gesetze fördernder oder beschränkender Natur zu verabschieden, um „effektiv“ gleichen Zugang zu Wahlämtern zu gewährleisten.[144] Für Streitigkeiten bei der Wahl der Abgeordneten oder Senatoren ist der Conseil constitutionnel zuständig (Art. 59 CF).

Handbuch Ius Publicum Europaeum

Подняться наверх