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c) „Demokratie“ und „nationale Souveränität“

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Gemäß Art. 1 CF ist die Republik „demokratisch“[197]. Diese Eigenschaft wird sogleich in Art. 3 CF übersetzt, nach dem „die nationale Souveränität beim Volke liegt, das sie durch seine Vertreter und das Referendum ausübt“. Im Grundsatz ist die Demokratie nicht rein repräsentativ. Über die Deutung, dass das Referendumsgesetz (oben Rn. 44) die „unmittelbare Ausübung nationaler Souveränität“ darstellt, arbeitet der Conseil constitutionnel den Unterschied zwischen den beiden Arten der Souveränitätsausübung heraus. Einzige Konsequenz dieser Unterscheidung liegt darin, dass der Conseil constitutionnel nicht für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Referendumsgesetzen zuständig ist. Im Gegenzug räumt die Norm ein, dass parlamentarische Gesetze ein Referendumsgesetz abändern oder gar aufheben können. Eine formelle Hierarchie zwischen beiden Gesetzeskategorien besteht also nicht.

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Das Demokratieprinzip findet Ausdruck in der Allgemeinheit des Wahlrechts. Die Bestimmung der Ausübungsvoraussetzungen des aktiven und passiven Wahlrechts gehört zum Zuständigkeitsbereich des Gesetzgebers. Dieser Zuständigkeitsbereich ist indes durch Art. 3 Abs. 4 CF verfassungsrechtlich begrenzt: „Wahlberechtigt sind nach Maßgabe des Gesetzes alle volljährigen französischen Staatsangehörigen beiderlei Geschlechtes, die im Besitz ihrer bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte sind.“ Der Gesetzgeber setzt hiernach das Wahlalter sowie die Motive und Verfahren fest, nach denen ein französischer Staatsangehöriger in seinen bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechten eingeschränkt werden kann. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es zu einer solchen Rechtsentziehung in Einklang mit der republikanischen Tradition jedenfalls einer Gerichtsentscheidung bedarf.

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Den „politischen Parteien und Gruppen“ wird nunmehr eine über Art. 4 CF näher bestimmte verfassungsrechtliche Stellung zugesprochen. Indes gibt es in Frankreich im Unterschied zu Deutschland kein die allgemeine Stellung der politischen Parteien regelndes Gesetz.[198] Allein die Gesetze zur Finanzierung des politischen Lebens statuieren besondere Regeln. Im Übrigen sind die Parteien, die einer präzisen juristischen Definition ermangeln, grundsätzlich den allgemeinen gesetzlichen Regelungen zu den Vereinigungen unterworfen. Das Gesetz vom 10. Januar 1936 über Kampfgruppen und Privatmilizen ermöglicht dem Staatschef, per Dekret Gruppen aufzulösen, deren Ziel es ist, „die territoriale Integrität der Nation zu beeinträchtigen oder der republikanischen Regierungsform durch Gewaltanwendung zu schaden.“ Der Conseil d’État hat die Auflösung einer Vereinigung für gerechtfertigt erklärt, deren „Ziel die Zerstörung des republikanischen Regimes und dessen Ersetzung durch einen ‚nationalistischen und autoritären Staat‘ war“ und die „gegebenenfalls zur Anwendung von Gewalt bereit wäre, um ihre Ziele zu erreichen“[199]. Ausführungshandlungen, die dieser Absicht entsprechen, sind nicht erforderlich.[200] Von diesem Standpunkt aus betrachtet existiert keine Privilegierung der politischen Parteien, die mit der in Deutschland geltenden vergleichbar wäre. Auch gibt es keine Regeln, welche die Organisierung der parteiinternen Demokratie oder Verfahren zur Verhängung von Strafen für allzu oligarchische Parteistrukturen zum Gegenstand hätten.

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Da die Souveränität „national“ geprägt ist und ihr „Ursprung“ dem Wortlaut des Art. 3 der Erklärung von 1789 zufolge „dem Wesen nach bei der Nation liegt“, schafft sie einige Hindernisse und Hürden für die Integration Frankreichs in die Europäische Union.[201] Indes sind diese Hindernisse aufgrund der Rechtsprechung des Conseil constitutionnel nicht unüberwindbar: Da die Verfassungsgesetze keiner richterlichen Prüfung unterliegen (oben Rn. 47), darf der verfassungsändernde Gesetzgeber de facto ohne Beschränkung die französische Verfassung „öffnen“.

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