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cc) Die Organisierung der Parlamentskammern
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Seltsamerweise ist die Dauer parlamentarischer Mandate nicht in der Verfassung festgesetzt, sondern wird durch ein Organgesetz bestimmt (Art. 25 Abs. 1 CF). Die Mandatsdauer der Abgeordneten hat sich seit 1958 nicht verändert und bleibt auf fünf Jahre festgeschrieben. Im Gegenzug wurde die Mandatsdauer der Senatoren durch das Organgesetz vom 30. Juli 2003[145] um drei Jahre von neun auf sechs Jahre verkürzt. Die extreme Länge von neun Jahren ging bis auf die Dritte Republik zurück, wobei schon seinerzeit der Einwand vorgebracht wurde – und das nicht ohne Grund –, hierdurch werde der Senat von „der klaren und treuen Repräsentation der Wählerschaft“ abgebracht.[146] Dieser Anomalie in Hinblick auf die demokratische Idee, der zufolge Repräsentativmandate von relativ kurzer Dauer sein müssen, wurde schlussendlich über eine Systemkorrektur Rechnung getragen. Überdies sei angemerkt, dass – im Unterschied zur alle fünf Jahre neu gewählten Nationalversammlung – der Senat eine ständige und unauflösliche Versammlung ist, die alle drei Jahre zur Hälfte erneuert wird.
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Auf die Parlamentskammern, deren Organisierung derjenigen anderer parlamentarischer Regime in Europa ähnelt, soll hier nicht näher eingegangen werden.[147] Allerdings soll auf ein Charakteristikum des französischen Verfassungssystems hingewiesen werden. In den früheren Republiken war es üblich zu behaupten, die wahre Verfassung Frankreichs liege in der Geschäftsordnung der Parlamentskammern. Diese Redensart, die eine tiefe Wahrheit des französischen Parlamentarismus zum Ausdruck bringt, legte die fundamentale Rolle der parlamentarischen Geschäftsordnung in der Errichtung und Organisierung der Vormachtstellung der beiden Kammern und somit des Regimes der „parlamentarischen Souveränität“ offen dar. Der Verfassunggeber von 1958 hat gegen einen solchen Drift zweierlei Vorkehrungen getroffen. Zunächst enthält der Verfassungstext nunmehr eine bedeutende Zahl an Vorschriften über die Organisierung des Parlaments und seine Arbeit; Regelungen, die ehemals größtenteils der Geschäftsordnung des Parlaments oder dem Gesetz unterlagen. Die Fähigkeit zur Selbstorganisierung des Parlaments wurde mit der Konstitutionalisierung dieser Regeln beträchtlich reduziert. Die gewichtigsten Vorschriften betreffen wohl das Regime der parlamentarischen Sitzungsperioden (Art. 28 bis 30 CF), die Begrenzung des Initiativrechts und Änderungsantragsrechts der Parlamentsmitglieder (Art. 40 und 41 CF), die detaillierte Reglementierung des Gesetzgebungsverfahrens (Art. 42 bis 47-1 CF), die Begrenzung der Anzahl ständiger Ausschüsse auf sechs in jeder Kammer (Art. 43 Abs. 2 CF) und nicht zuletzt die Bestimmung der Tagesordnung beider Kammern durch die Regierung (Art. 48 CF). Diese Vorschriften zeigen deutlich das Ausmaß der dem Parlament seit 1958 auferlegten Kompetenzbeschneidungen, ein Phänomen, das trotz einiger Lockerungsmaßnahmen[148] weiterhin aktuell bleibt. Des Weiteren bedurften diese in der Verfassung verankerten Vorschriften wirksamer Sanktionen, die eine Umgehung der Normen durch das Parlament, zumal durch die Annahme entsprechender Geschäftsordnungen, untersagen sollten. Die wichtigste Regel ist diesbezüglich in Art. 61 Abs. 1 CF normiert, der dem Conseil constitutionnel nicht nur die Zuständigkeit für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit parlamentarischer Geschäftsordnungen zuspricht, sondern diese Verfassungsmäßigkeitskontrolle auch zwingend vorschreibt. Genau das war eine der wesentlichen dem Conseil constitutionnel 1958 zugewiesenen Aufgaben, die er seither gründlichst erfüllt.[149]