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3 Interview 1 zur Lage der eigenen Situation
ОглавлениеMit Uwe Bogen in der »Stuttgarter Zeitung« im Mai 2020.
UB Ein Kabarettist ohne Shitstorm hat wohl was falsch gemacht? Sie haben nach Ihrem Auftritt bei Maischberger heftige Angriffe abbekommen. Wie schmerzhaft sind die für Sie? Fühlen Sie sich falsch verstanden?
MR Schmerzhaft sind solche Angriffe für unsereins schon deswegen nicht, weil man es als Satiriker gewohnt sein muss, falsch verstanden zu werden. Das regt übrigens auch die Diskussion an und das eigene Weiterdenken.
Im Fall meines Besuches bei Sandra Maischberger hat sich aber gezeigt, dass ein Satiriker in einem anderen Rahmen als seiner eigenen Satire-Sendung offenbar nicht als solcher wahrgenommen wird, sondern als reiner Kommentator, als Fachmann für irgendein Thema oder sogar als Politiker. Wenn es dann noch um ein so ernstes Thema wie diese Corona-Krise geht in einer solchen Sendung, tut man sich aber schwer, dort kabarettistisch launige Bemerkungen dazu zu machen.
Und das war offenbar das Problem:
Ich war zum Thema nicht distanziert genug,
wie ich es in meinen Sendungen von mir gewohnt bin.
Aber das ist kein Wunder:
Denn diese Krise ist allumfassend für die meisten Menschen in diesem Lande. Und zwar eben nicht nur gesundheitlich, sondern auch wirtschaftlich und psychisch.
Ich spreche nicht für mich. Mir geht es gut. In jeder dieser Hinsichten. Weil ich für mich alleine arbeite: Ich schreibe zuhause. Und ich habe mich immer für eine gewisse Zeit auf Notfälle vorbereitet.Nein, ich wollte sprechen für unzählige Kollegen, Freunde, Bekannte und Unbekannte, die nicht nur in Angst vor Ansteckung leben, sondern zusätzlich noch viel mehr in Angst vor der Zukunft in Arbeitslosigkeit, vor vielleicht einem Währungsschnitt, vor Existenznöten. Und wenn Sandra fragte, ob unsere Regierung alles richtig gemacht hat, und meine Antwort nein war, heißt das NICHT, dass diese Regierung alles falsch gemacht hat. Es heißt nur, dass ich persönlich aufgrund der anderen Ängste der Menschen der Ansicht bin, dass ich zum Beispiel das schwedische Modell des nur teilweisen Herunterfahrens des öffentlichen Lebens für erträglicher halte. Um eben die anderen Ängste außer der gesundheitlichen nicht ins Uferlose laufen zu lassen. Daraus zu machen, ich leugnete Corona, ist ein leider nicht selten gewordener Schwachsinn.
UB Von Boris Palmer wissen wir, dass er was Provokatives raushaut und dann zurückrudert. Rudern Sie nun auch zurück? Sind Sie der Palmer des Kabaretts?
MR Nein, natürlich rudere ich nicht zurück.
Ich weiß nur, dass man aus Respekt vor den anderen Gästen in einer solchen Sendung, die genauso lange zu Wort kommen wollen, nur punktuell und ausschnittweise und zusammengerafft seine Vorstellungen darlegen kann. Das führt automatisch zu Missverständnissen. Wobei ich sagen muss, dass ich für alles, was ich bei Sandra Maischberger gesagt habe, von doch etlichen Zuschauern höchste Unterstützung und Dank gesagt und geschrieben bekommen habe. Und glauben Sie mir, in der Art und Weise, wie diese Zuschauer sich geäußert haben, waren da keine Radikalen egal aus welcher Richtung dabei.
Also habe ich nicht zurückzurudern.
Aber ich bin gerne bereit, auch in meiner nächsten Sendung beim SWR, dies immer wieder und ausführlicher zu erläutern.
Denn ich kann es nur noch mal sagen:
Meine Sorge und leider meine Gewissheit sind, dass die Angst vor Corona ablenkt von viel, viel größeren Ängsten, die die Menschen zusätzlich haben.
Insofern bin ich auch nicht der Palmer des Kabaretts. Boris Palmer ist der Kabarettist der Politik. Der Politiker des Kabaretts bin ich aber nicht. Ich beleuchte die Politik nur.
UB Sie zählen von Ihrem Alter her zur Risikogruppe. Haben Sie keine Angst vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus?
MR Nein, ich habe keine Angst.
Erstens habe ich keine Vorerkrankung und zweitens wurde ich schon von so vielen Leuten mit allem Möglichen angesteckt, was zwar vergleichsweise harmloser war, aber durch mehr Distanz auch gut hätte vermieden werden können.
Denn das ist das – wenn ich das anmerken darf, ohne gleich wieder gescholten zu werden, ich betrachtete Corona als etwas Positives und leugnete damit die Gefährlichkeit, hüstel, hüstel – , was ich als Positives aus der Bewältigung der Krise mitnehme:
Die gnadenlose Distanzlosigkeit der Menschen wird endlich überwunden. Die geht mir seit Jahren auf die Nerven. Jedem Kassierer an der Tankstelle oder im Supermarkt hätte ich schon vor Jahrzehnten eine Plexiglasscheibe gegönnt, damit der sich nicht dauernd anspucken lassen muss, wenn der Kunde mit Zischlauten raus posaunt:
»Isch brauchch nochchh Zzzzzigaretthhen.«
UB Sind Sie im Nachhinein glücklich mit Ihrem Auftritt bei Maischberger? Oder haben Sie was falsch gemacht?
MR Erstens bin ich nicht unzufrieden. Weil es auch so viele positive Reaktionen gegeben hat. Und zweitens nein. Ich habe nichts falsch gemacht. Ich habe vielleicht nur zu verkürzt sprechen können. Das liegt, wie gesagt, in der Natur der Sendung. Aber ich habe versucht, mich an das zu halten, was offensichtlich ist. Und es ist NICHT krude, wenn ich Lothar Wieler vom RKI für überfordert halte und ihm unrichtige, ständig wechselnde Empfehlungen vorwerfe. Damit habe ich ausschließlich ein hochgeachtetes Wochenmagazin wörtlich zitiert. Wenn der »SPIEGEL« dann eine Vorstadtkommentatorin mich deswegen in peinlicher Weise in Abrede stellen lässt, lässt der »SPIEGEL« es zu, sich selbst zu torpedieren. Ein unsäglicher Vorgang. Und die Dame sollte vielleicht künftig doch besser nur den Gesangsverein ›Frohlust‹ begutachten oder ähnliche Freizeitbeschäftigungen.
UB Corona spaltet die Gesellschaft. In Stuttgart gibt es Wutbürger und Aluhutbürger. Zu welcher Gruppe gehören Sie?
MR Ich gehöre de facto zu keiner Gruppe. Aber ich bemühe mich, die Wut der Bürger, die ich oft teilen kann, unter keinen Aluhut zu bringen. Denn auch hier ist immer darauf zu achten, dass aus Wut nicht Radikalität wird. Wer Demokratie fordert, muss sie selbstverständlich auch leisten. Auch wenn die Magenkuhle schmerzt dabei.
UB Halten Sie Corona wirklich für eine Grippe? Fast alle Experten sagen, dies sei nicht so. Lassen Sie sich nicht von Ergebnissen der Wissenschaft beeindrucken?
MR Das tue ich NICHT!!!!
Ich habe bei Sandra Maischberger Corona NICHT für eine Grippe gehalten. Zu mir hat sich auch rumgesprochen, dass die Gefährlichkeit von Corona gut vier bis fünf Mal so hoch ist, dass man die Spätfolgen nicht kennt, und so weiter. Ich habe lediglich die altbekannte Wahrheit gewagt, anzumerken, dass es bei der letzten Virusgrippe (2017/2018) 10 Millionen Infizierte gab und 25 100 Tote. Und dass der Impfstoff damals auch nicht hinreichend wirkungsvoll war. Und ich wollte gefragt haben, warum man damals in keinster Weise auch nur im Entferntesten ebenso Abstandsmaßnahmen eingeführt hat? Weil es nicht ganz so gefährlich war? Damit stelle ich doch nicht die Wissenschaft hinsichtlich Corona infrage.
UB Wie wird es mit Deutschland weitergehen, wenn das Corona-Virus uns die nächsten Monate begleitet?
MR Das wissen wir ja eben nicht. Es ist nur zu hoffen, dass man mehr darauf achtet, die Menschen mitzunehmen. Nicht allein in puncto Gesundheit, sondern auch seelisch.