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Der Schwur

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Es stank nach fauligem Obst und Urin. Seinem Urin. Vorsichtig versuchte er sich aufzurichten, sackte allerdings des stechenden Schmerzes in seiner rechten Hand wegen in sich zusammen. Erneut stützte Rodrigo Ramirez sich ab, dieses Mal mit der linken Hand, an der, im Gegensatz zur rechten, noch alle fünf Finger vorhanden waren.

Kaum auf den Beinen, versank sein Fuß inmitten der schwarzen, nassen Müllbeutel, was ihn umknicken und auf die Knie fallen ließ. Schweißverklebtes Haar verfing sich in seinen Wimpern, hinderte ihn, die verschwollenen Augen ganz zu öffnen. Blinzelnd nahm Rodrigo nur schemenhaft die Umgebung wahr.

Abermals rappelte er sich zittrig auf, stolperte ein paar Schritte, bis er seitlich Halt an der kalten Steinmauer fand. Nachdem er seine schweißnassen Haarsträhnen mit dem Unterarm aus dem Gesicht gewischt hatte, erkannte er im Mondlicht Reifenspuren im Schnee, die der Van auf der schmalen Zufahrt zum Hinterhof hinterlassen hatte.

Humpelnd tastete er sich an der Mauer den Zufahrtsweg entlang, während sein hektischer Atem kleine Nebelschwaden ausstieß. Als er aus dem Hinterhof hinaustrat, fand er sich an einer kleinen, nur spärlich beleuchteten Seitenstraße wieder. Da stand er nun und obgleich die Wunde des fehlenden Mittelfingers höllisch schmerzte, erfüllte ihn ein bis dahin nicht gekanntes Glücksgefühl. Er hatte überlebt. Tatsächlich hatten sie ihn am Leben gelassen, trotz der Drohungen, trotz der Misshandlungen und der Verstümmelung. Er lebte, sog die kalte Winterluft tief in seine Lungen und stolperte durch den vom Mond hellblau schimmernden Schnee. Nichts hatte er, Rodrigo, verraten, immer nur heulend wiederholt, was für ein Abschaum er selbst doch sei, ein Junkie, der jeden verdienten Cent in Scheißdrogen investierte.

Vornübergebeugt, beide Hände auf die Oberschenkel gestützt, verharrte er einige Minuten – während die Bilder der vergangenen Tage wie ein Stummfilm auf seiner Netzhaut flimmerten: Sie hatten ihn verhört, tagelang, geschlagen, verstümmelt, als plötzlich einer seiner Peiniger telefonierte. Nachdem das Gespräch geendet hatte, gab dieser den beiden anderen Anzugträgern ein knappes Zeichen. Abermals stülpten sie ihm die nach Chemikalien stinkende Kapuze über den Kopf und erneut wurde er in einen Van geladen, jenen, in dem er – vor wie vielen Tagen eigentlich? – verschleppt worden war. Wo brachten sie ihn jetzt hin? Würde er am Leben bleiben? Jeden Moment rechnete Rodrigo damit, dass man ihn aus dem Wagen warf, um ihn dann mit einem kurzen Schuss in den Hinterkopf zu exekutieren. Als der Van nach etwa zwanzig Minuten tatsächlich hielt, pisste er sich ein. Wortlos beförderte ihn ein heftiger Tritt aus dem Gefährt. Er schlug weicher auf als erwartet, gleich darauf wurde ihm die Kapuze vom Gesicht gezogen. Mit zugekniffenen Augen, die Lippen aufeinandergepresst, inmitten stinkender Müllsäcke liegend, hörte er den Van rückwärts aus der Einfahrt rollen.

Rodrigo schüttelte verzweifelt den Kopf, als wolle er alle Gedanken an das Geschehene von sich wischen, und richtete sich auf. Schritt für Schritt humpelte er am Seitenstreifen der Straße entlang, ohne zu wissen, wohin diese ihn führen würde.

„Du bist ein Junkie, nichts weiter als ein Junkie, der Stoff auf der Straße gekauft hat“, murmelte er gebetsmühlenartig vor sich hin. Doch tief in seinem Inneren wusste er, dass er den Keim der Wahrheit nicht für sich behalten konnte. Mit jedem weiteren Abdruck seiner Schuhsohlen, den er im Schnee hinterließ, erblühte in ihm mehr und mehr ein zartes Pflänzchen und irgendwann, so schwor er sich, würde aus diesem Pflänzchen ein Baum erwachsen. Und dieser Baum besaß einen Namen: Rache!

Drug trail - Spur der Drogen

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