Читать книгу Drug trail - Spur der Drogen - Matthias Kluger - Страница 37
Lasst uns Geschichte schreiben
ОглавлениеBob Thompson hatte sich kurz entschuldigt und Oliver im Oval Office zurückgelassen. Grübelnd saß dieser noch immer mit einem Glas Scotch in der Hand auf der Präsidentencouch. Der Plan des Präsidenten, in den er nunmehr eingeweiht worden war, schien ihm vom Grundsatz her simpel und logisch. Doch je mehr er darüber nachdachte, je bewusster ihm wurde, dass er nun Teil dieses Plans war, desto mehr wuchs sein Respekt vor dieser Entscheidung und der damit schier undurchdringlichen Masse an Folgen. Die Folgen, die vielen Auswirkungen, die mit der Legalisierung von harten Drogen in den Vereinigten Staaten einhergingen, stellten für ihn mehr und mehr eine unüberwindbare Mauer dar. Nein, der Plan glich keiner Mauer, vielmehr einem Labyrinth, erbaut aus Tausenden aneinandergereihten Dominosteinen. Viele, viele Steine, die in einer riesigen Lagerhalle aufgestellt waren. Jeder Stein stand für eine Konsequenz der Entscheidung. Legalisierung bedeutet Ausgabestellen für Drogen, überlegte Oliver. Sollte jeder Süchtige Zugang haben und Koks, oder welche Drogen auch immer, im Supermarkt beziehen können? Die Einrichtung neuer Suchtberatungsstellen wäre vonnöten. Verstärkter Ausbau von Kliniken zur Behandlung der Suchterkrankungen. Wie würde sich der Rest der Welt zu dem Thema stellen und würde man hierdurch nicht ein Volk von Junkies heranziehen? Wie würden die Drogenkartelle darauf reagieren? Und so weiter und so weiter. Zu guter Letzt – wer würde welche Drogen woher beziehen? Eine zentrale Einkaufsstelle des Staates, die Rahmenverträge mit den Syndikaten dieser Welt aushandelte? Oder gar der landwirtschaftliche Anbau in den Vereinigten Staaten? Würde sich das Bild in den kommenden Jahrzehnten dahingehend ändern, dass neben Mais- und Kornfeldern auch Mohnplantagen das Land zierten?
In Olivers Kopf schossen die Gedanken wie Pingpongbälle wirr durcheinander, als pünktlich um 14:00 Uhr Bob Thompson, gefolgt von drei weiteren Personen, das Oval Office betrat.
„Mr. Konecki, dies sind drei meiner engsten Vertrauten. Darf ich vorstellen: die Herren William, Robert und Philipp Baker.“ Der Präsident lächelte auffordernd. „Diese Herren, Mr. Konecki, stellen den Inner-Circle zur Umsetzung meines Plans War on drugs dar. William Baker, mein langjähriger Freund und Berater, sein Sohn Robert, der mich erst auf die Idee gebracht hat, und neu hinzugestoßen Philipp Baker, Roberts Zwillingsbruder aus Deutschland.“
Oliver nickte und schüttelte einem nach dem anderen die Hand.
„So weit, so gut, meine Herren. Ich habe Mr. Konecki von der Washington Post eingeladen und ihn über seine Rechte und Pflichten der Geheimhaltung aufgeklärt. Ihr fragt euch bestimmt, warum. Ganz einfach: Mr. Konecki ist ein hervorragender Journalist. Immerhin hat er meine Person, das Amt des Präsidenten, durch die jüngsten Enthüllungen in der Washington Post in mächtige Bedrängnis gebracht. Eine alte Kriegsregel lautet: Kannst du deinen Feind nicht bezwingen, mach ihn zu deinem Freund. Nicht, dass Mr. Konecki in seiner Funktion generell als Feind einzustufen wäre, doch die freie Presse wird ein mächtiger Anker unseres Vorhabens sein.“
Oliver lächelte etwas gekünstelt in die Runde. Noch heute Morgen hatte er sich den Verlauf dieses Tages wahrlich anders vorgestellt.
„Philipp, wie ich von Robert erfahren habe, sind Sie ein ausgezeichneter Stratege, wenn es um Marketingkampagnen geht. Richtig?“
„Wenn Ihnen das so angekündigt wurde, Mr. President, will ich Ihr Bild ungern trüben“, witzelte Philipp noch etwas schüchtern.
„In ein paar Monaten sind Präsidentschaftswahlen“, fuhr Bob Thompson fort. „Ursprünglich wären wir mit Eckpfeilern wie Abbau der Arbeitslosenzahlen, Verbesserung sozialer Infrastrukturen und Steigerung unseres Bruttosozialproduktes in den Wahlkampf gezogen. Nach wie vor stehen diese Themen auch zur Debatte. Nichtsdestotrotz überschattet die Drogen-Epidemie all unser Denken und Tun. Derjenige, der für dieses Damoklesschwert einleuchtende Lösungsvorschläge hat, wird diese Wahl gewinnen. Ich muss euch nicht sagen, dass, sollte ich keine zweite Legislaturperiode erreichen, all unsere Pläne und Arbeit zunichte sind. Ihr vier seid mir in den kommenden Monaten verantwortlich, den Vorstoß zur Legalisierung von allen Seiten zu beleuchten und auf Machbarkeit zu prüfen. Jedes Für und Wider muss herausgearbeitet werden. Und: Sollte tatsächlich das Pro das Contra überwiegen, muss in einer unvorstellbar kurzen Zeit eine Kampagne hierfür erarbeitet werden. William, setz dich mit den Ausschussmitgliedern, die ich dir genannt habe, zusammen. Sie sind loyal und werden dicht halten. Wir brauchen alle Fakten fiskalischer wie juristischer Natur.“
„Darf ich eine Frage stellen?“, warf Philipp ein. „Sie sprachen von Geheimhaltung. Ist das überhaupt möglich?“
„Nun, früher oder später werden Informationen durchsickern. Jeder Winkel des Weißen Hauses, des Senats und des Kongresses hat Ohren. Doch je später, desto besser sind wir darauf vorbereitet – so hoffe ich.“
Es herrschte Stille im Raum. Der Blick des Präsidenten haftete jeweils für mehrere Sekunden auf jedem Einzelnen von ihnen. Dann schlug Bob Thompson mit der flachen Hand auf den Tisch. „Jungs, lasst uns Geschichte schreiben!“