Читать книгу Drug trail - Spur der Drogen - Matthias Kluger - Страница 42
Hllp, Hllp
Оглавление„Du kommst tatsächlich. Glückwunsch zur richtigen Entscheidung.“ Philipps Stimme klang offenkundig heiter.
„Klar! So ein Angebot bekommt man nicht alle Tage.“
„Was sagt Dr. Fischer dazu?“
„Das willst du nicht wissen.“
„Hat er den Auftrag zurückgezogen?“
„Yep“, antwortete Heidi kurz und knapp.
„Egal. Die Tickets sind in Schönefeld bereits für dich hinterlegt. Dein Flug geht übermorgen.“
„Dann muss ich schleunigst packen. Ich freu mich auf dich, Philipp.“
„Dito. Was machst du gerade?“
„Was soll ich morgens um vier Uhr schon machen? Ich liege verschlafen im Bett.“
„Was hast du an?“, hauchte Philipp ins Telefon.
„Wenn du glaubst, mein Lieber, du weckst mich mitten in der Nacht, dass ich dir schmutzige Sachen ins Ohr flüstere, dann täuschst du dich aber gewaltig. Mach dir meinetwegen versaute Gedanken. Was mich angeht … gute Nacht!“ Heidi schmatzte noch einen Kuss durch die Leitung, dann legte sie auf.
Perfekt, sann Philipp.
Eine Tüte Chips sowie zwei Gläser Rotwein später schlief er im Doppelbett seines geräumigen Vier-Zimmer-Apartments vor laufendem Fernseher ein. Sein Schnarchen übertönte das leise Klicken an der Eingangstür. So bekam Philipp nicht mit, wie eine dunkle Gestalt lautlos in die Wohnung schlüpfte und mit dezentem, kaum wahrnehmbarem Knacken die Tür hinter sich schloss. Der Unbekannte steckte sein Werkzeug in die Seitentasche der eng anliegenden schwarzen Jacke und knipste eine Taschenlampe an, bevor er im matten Lichtkegel auf leisen Sohlen durch den Wohnraum in Richtung des Schlafzimmers schlich. Er huschte durch die angelehnte Tür und stand wenige Sekunden später vor dem Schlafenden. Routine, dachte der Eindringling. Zwei, drei Handgriffe und schon wäre der Job erledigt. Er fasste in die Seitentasche seiner Hose und zog einen etwa sechzig Zentimeter langen Kabelbinder hervor. Die genialste Erfindung, seit es Fesselungen gibt, amüsierte sich der Unbekannte. Über den Schlafenden gebeugt, schob er das dünne Plastikband vorsichtig unter dessen Knöchel, um die Enden mit einem einzigen kurzen Ruck zusammenzuziehen. Blitzartig erwachte Philipp aus seiner Tiefschlafphase, riss die Augen auf und erkannte im bunten Flackerlicht des Fernsehapparates eine Gestalt, direkt über ihn gebeugt. Als würde in seinem Körper eine Bombe gezündet, platzte das Adrenalin förmlich in Philipps Kreislauf. Instinktiv schoss er in die Höhe, um dem Fremden die Faust ins Gesicht zu rammen. Doch bevor auch nur eine seiner Bewegungen ihr Ziel fand, brach ein harter Schlag sein Nasenbein. Tränen schossen Philipp in die Augen, ein unsäglicher Schmerz schoss von der gebrochenen Nase abwärts bis zu den Schultern und ließ ihn wie einen Sack nach hinten aufs Bett fallen. Doch der Urtrieb eines jeden Menschen, der kraftvolle Überlebenswille, gewann die Oberhand. Im Schleier seiner tränenden Augen boxte er blindlings um sich, wobei all seine Hiebe ins Leere schlugen. Abermals spürte Philipp die Faust, dieses Mal am Kinn, und ehe er sich versah, presste der Unbekannte mit enormer Brutalität ein Kopfkissen auf sein Gesicht. Philipps immer noch verschleiertes Sichtfeld verdunkelte sich – aus dem Versuch, zu schreien, wurde ein gedämpftes Stöhnen. Er wollte Luft holen, doch das Kissen ließ keinen Atemzug zu. Seine Fingernägel kratzten sich in die Handrücken der ledernen Handschuhe des Fremden. Es waren große, kräftige Hände, die das gesamte Körpergewicht auf das Kissen pressten. Die Tatsache, nicht atmen zu können, die Angst, zu ersticken, wandelte sich zu schierer Panik. Philipp stampfte mit den gefesselten Füßen, bog seine Hüften nach oben, zappelte wie eine sich windende Katze – doch nach wenigen Augenblicken verließen ihn die Sinne.
Erstickte Angst schlängelte sich sacht in sein Bewusstsein. Wie flutender Nebel, der sich zur Abenddämmerung einen Weg zwischen Bäumen und Sträuchern des Waldes sucht. Dann, schlagartig, ohne Vorwarnung, durchzuckte ihn der Schmerz. Dieser war so präsent, als gäbe es nichts anderes. Philipps Kopf glühte, pochte im Rhythmus seines Blutes. Er wollte die Augen öffnen, doch er bewirkte gerade einmal, dass sich die Lider einen Spaltbreit hoben. Im Hintergrund flimmerte noch immer das unregelmäßige bunte Licht des Fernsehapparates. Als hätte man Apfelsinen in die Haut der Augenlider implantiert, fühlte er die Schwellung, die sein gesamtes Gesicht unter Spannung setzte. Benommen rappelte er sich ein Stück weit auf und stützte sich auf den rechten Ellenbogen. War er tatsächlich noch am Leben? War er allein? Neuerlich erfasste ihn unsägliche Panik. Hektisch zitterte seine linke Hand zum Nachttisch neben dem Bett, den Schalter der Lampe suchend. Endlich fühlte er den Kippschalter und drückte dagegen. Der aufflammende Lichtkegel schmerzte durch die winzigen Sehschlitze, was ihn blitzschnell die Augen schließen ließ. Kraftlos sank er zurück aufs Bett. Seine Atmung glich einem Röcheln, war unregelmäßig schwer. Wild wirbelten seine Gedanken durcheinander – doch einer Tatsache war er sich sicher: Er lebte und es schien, als sei er allein im Zimmer.
Hustend stützte er sich auf, wobei er es vermied, die Augen erneut zu öffnen. Sein Handy! Irgendwo hier musste doch sein Handy liegen. Wiederholt tastete seine linke Hand blind über die Glasplatte des kleinen Tisches. Die Fingerkuppen zitterten auf der Suche nach dem Mobiltelefon. Dann fand seine Hand, wonach sie suchte, und griff danach, als er wie aus dem Nichts das Rascheln von Stoff neben sich wahrnahm. Plötzlich umschloss eine kräftige Hand die seine. Philipps Schrei erstickte in dem Augenblick, da sich ein Lederhandschuh stählern auf seinen Mund und äußerst schmerzhaft auf die gebrochene Nase legte. Energisch, kraftvoll.
Philipp strampelte wie ein wild gewordener Psychopath, als der Fremde zu flüstern begann: „Hör gut zu“, sprach eine dunkle, durchdringende Stimme in fließendem Deutsch, „fahr zurück in dein Berlin und vergiss das alles hier. Wenn nicht …“, im nächsten Augenblick sah Philipp verschwommen eine scharfe Klinge vor seinem Gesicht, „schneide ich dir das nächste Mal mit diesem Teppichmesser ein Auge aus.“
Der Lederhandschuh, der Philipps Unterkiefer wie in einem Schraubstock gefangen hielt, ließ von ihm ab. Philipp schloss die geschwollenen Lider, hörte schwache Trittgeräusche, die sich entfernten, dann war es still um ihn herum. Ohne nachzudenken, tastete er abermals nach seinem Handy. Sobald er es fand, suchte er blinzelnd die eingespeicherte Nummer seines Bruders und drückte, als der Name Robert im Display aufleuchtete, die Verbindungstaste.
Nach mehrmaligem Läuten hörte er wie aus weiter Ferner eine Stimme an seinem Ohr: „Phil, es ist mitten in der Nacht. Ich hoffe, du hast einen guten Grund …“
Philipp schrie um Hilfe, doch heraus kam nur ein blutig-gurgelndes, schmerzverzerrtes Gestammel: „Hllp, Hllp.“