Читать книгу Drug trail - Spur der Drogen - Matthias Kluger - Страница 36

Habe ich Ihr Wort?

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Zwar hatte er über die Jahre schon zigfach darüber berichtet, ganze Rubriken über Entscheidungen, die in diesem Raum getroffen wurden, gefüllt, doch betreten hatte er jenes Heiligtum noch nie. Als er die Einladung auf seinem Schreibtisch liegen sah, traf ihn diese wie ein Vorschlaghammer. Der Präsident selbst hatte sie unterzeichnet und ihn, Oliver Konecki, um ein Treffen gebeten. Er müsste lügen, würde er behaupten, an diesem Morgen nicht ein Grundrauschen an Nervosität zu verspüren.

Frisch geduscht und glatt rasiert durchwühlte er seinen Kleiderschrank nach einem ungetragenen weißen Hemd. Das erste, was ihm in die Finger fiel, bestand nicht den Geruchstest. Ebenso das zweite, das er aus dem Schrank zog. Beide Kleidungsstücke landeten auf einem Berg Schmutzwäsche neben seinem Bett. Das dritte Hemd musste – etwas aufgebügelt – als tragbar eingestuft werden, denn ihm gingen die Alternativen aus. Eine grauschwarz gestreifte Krawatte rundete das Bild mit seinem schwarzen Jackett, das er lässig über der Bluejeans trug, farblich perfekt ab.

Am Weißen Haus angekommen entging Oliver nicht die aufgebrachte Menschenmenge, die mit Plakaten und Megaphonen gegen die derzeitige Drogenpolitik demonstrierte. Bestens durch Sicherheitskräfte abgeschirmt, ließ man sie nun schon seit Monaten gewähren. Ihn freute und faszinierte zugleich das Durchhaltevermögen dieser Menschen.

Dann, Punkt 11:30 Uhr, durchschritt er den Körperscanner des Weißen Hauses und wurde von einem Sicherheitsbeamten abgetastet, bevor eine nette, etwas mollige Dunkelhaarige ihn direkt ins Oval Office geleitete.

„Zum ersten Mal hier?“, erkundigte sich der weibliche Scout, schnellen Schrittes vorangehend.

„Yep“, antwortete Oliver knapp.

Die Dunkelhaarige überflog die Einladung, die Oliver ihr zuvor gereicht hatte, auf ihrem vor die massige Brust gepressten Klemmbrett, ohne deswegen an Geschwindigkeit einzubüßen. „Oliver Konecki. Richtig?“, rief sie im Laufschritt nach hinten.

„Der bin ich“, lächelte Oliver und hastete der Dame hinterher.

Abrupt blieb sie stehen. „Etwa der Oliver Konecki von der Washington Post?“

„Ganz recht“, bestätigte Oliver und wäre fast auf seine Begleitung aufgelaufen.

„Na, da haben Sie ja für mächtigen Wirbel gesorgt. Scharf auf den Pulitzer, was?“

„Zufall, Ms.?“

„Smith“, lächelte die Mollige.

Olivers Blick fiel auf das Namensschild, das neben der Tür hing, vor der sie zum Stehen gekommen waren. Darauf las er „Vice President of the United States“ und noch immer stand darunter der Name „Logan Winston“.

„Ja, tragisch, nicht?“, seufzte die mollige Ms. Smith, als sie bemerkte, wie Oliver das Schild betrachtete. „Ganz unter uns, Mr. Konecki: Hätten Sie nicht aufgedeckt, dass unser Vice an diesen vergifteten Drogen gestorben ist – früher oder später hätte sein Herz sowieso nicht mehr mitgespielt. Logan Winston hat Tag und Nacht geackert, müssen Sie wissen. Er war ein guter Mann, aber auf seine Gesundheit hat er nicht geachtet. Ich zum Beispiel esse jeden Morgen ein gesundes Müsli, viel Obst und bevor ich hier meinen Job antrete, ist Morgengymnastik angesagt. Das hält jung, wenn Sie verstehen.“

„Sicher“, bestätigte Oliver, während er beim Betrachten ihrer ausladenden Figur insgeheim grübelte, wie viele Hamburger sie ihm verschwieg.

Ms. Smith stampfte wieder los. „Wir sind gleich da, Mr. Konecki. Zweimal links ums Eck und schon sind wir am Oval.“

Angekommen klopfte sie an der Tür neben dem Oval Office, die mit President’s Secy beschriftet war, und trat, ohne auf eine Antwort zu warten, ein.

„Ich bring dir den Besuch, Jenny. Mr. Konecki von der Washington Post.“

Eine schlanke Rothaarige mit elegantem, eng anliegendem Kostüm stand auf und trat lächelnd mit ausgestreckter Hand auf Oliver zu. „Herzlich willkommen, Mr. Konecki. Der Präsident wartet bereits auf Sie.“ Während sie sich zur Begrüßung die Hände schüttelten, fuhr die Vorzimmerdame fort: „Ich bin Jenny und sollten Sie irgendetwas brauchen, geben Sie mir einfach Bescheid. Wenn Sie hier bitte kurz warten würden. Ich gebe dem Präsidenten Bescheid, dass Sie da sind.“

„Ich mach mich dann mal aus dem Staub“, tönte sogleich Ms. Smith aus dem Hintergrund. „Machen Sie’s gut, Mr. Konecki.“ Dann schloss sich die Tür des Sekretariats.

In dem Moment, da Jenny den Knopf der Sprechanlage drücken wollte, öffnete sich die Tür zum Oval Office. Heraus trat Bob Thompson. „Ach, Jenny, dieser Konecki von der Washington …“ Jennys Augen weiteten sich und schweiften zur gegenüberliegenden Seite des Zimmers. Sofort setzte Bob Thompson ein einnehmendes Lächeln auf. „Mr. Konecki?“

„Mr. President. Es ist mir eine Ehre …“

„Lassen wir die Formalitäten“, schmunzelte Bob Thompson. „Kommen Sie, wir haben einiges zu bereden.“

Es ist kleiner, als ich es mir vorgestellt habe, befand Oliver, als er das Oval betrat.

„Setzen Sie sich, Mr. Konecki.“ Der Präsident wies ihn zur hellen Couch. Fast gleichzeitig nahm auch Bob Thompson gegenüber von Oliver Platz und schlug die Beine übereinander. „Irgendetwas zu trinken?“

„Im Moment nicht, vielen Dank.“

„Auch gut. Kommen wir gleich zur Sache. Sie können sich denken, warum ich Sie um das Treffen gebeten habe?“

Oliver zuckte etwas verlegen mit den Schultern, bevor er antwortete: „Ich nehme an, es geht um die Enthüllungen rund um den Tod von Logan Winston.“

„Exakt.“ Bob Thompson fixierte ihn mit seinen dunkelbraunen Augen. Argusaugen, dachte Oliver. Augen wie die eines Adlers.

„Mr. President, sicher hätte ich die Option besessen, vor der Veröffentlichung des Artikels …“

„Ich erwarte keine Entschuldigung“, beschwichtigte Bob Thompson. „Natürlich haben Sie mich und meinen Stab mit Ihrer Enthüllung in Schwierigkeiten gebracht. Massive Schwierigkeiten – und das ist noch die Untertreibung des Jahres. Aber wir leben in einer Demokratie, was die Pressefreiheit – die ich schätze – mit einbezieht. Es besteht also kein Grund, Sie zu tadeln oder gar einzuschüchtern – falls Sie das in Erwägung gezogen haben. Ganz im Gegenteil, Mr. Konecki. Ich möchte Sie um Ihre Hilfe bitten.“

„Um meine Hilfe?“, fragte Oliver erstaunt, ohne eine Idee zu haben, wie diese Hilfe aussehen sollte.

„So ist es. Doch bevor ich ins Detail gehe, brauche ich Ihr Versprechen.“

„Ich höre“, erwiderte Oliver, während er es dem Präsidenten gleichtat und die Beine übereinanderschlug.

Bob Thompson beugte sich zu Oliver. „Ich will Ihr Ehrenwort, Mr. Konecki, dass das, was Sie in den kommenden Stunden erfahren, hier im Raum bleibt, bis ich Ihnen den Startschuss gebe. Haben Sie mich verstanden?“

„Natürlich“, bestätigte Oliver knapp mit einem unwohlen Gefühl in der Magengrube. Eine kurze Pause trat ein. Dann setzte Oliver nach: „Entschuldigen Sie, wenn ich frage: Was, wenn nicht?“

Bob Thompson lächelte: „Ich habe mit Ihrer Gegenfrage gerechnet. Sie sind Journalist, und ich habe lange nachgedacht, was ich Ihnen hierauf zur Antwort gebe. Fühlen Sie sich geschmeichelt, wenn ich Ihnen sage: Sollten Sie Ihr Wort brechen, ich an Ihrer Loyalität zu irgendeiner Zeit zweifeln, werden Sie den Tag verfluchen, an dem Sie mich persönlich kennengelernt haben. Ja, ganz recht, ich drohe Ihnen.“ Dabei hob Bob Thompson abwehrend seine Hand. Sogleich flüsterte er, als würden sie einen geheimen Pakt fürs Leben schließen: „Wenn es nicht um die Sicherheit der ganzen Nation gehen würde, um das Leben Tausender Menschen, die durch diese Gift-Epidemie tagtäglich verenden, glauben Sie mir, ich würde mich zu keiner Zeit derart herablassen, das Amt des Präsidenten niemals derart beflecken und eine Drohung aussprechen. Doch in diesem Fall habe ich keine andere Wahl.“ Die dunkelbraunen, jetzt fast schwarzen Augen Thompsons bohrten sich in die Olivers. „Habe ich Ihr Wort?“, fragte Bob Thompson streng.

Oliver überdachte kurz die Alternativen. Doch es fielen ihm keine ein. „Sie haben mein Wort, Mr. President.“

„Gut. Ich glaube, jetzt brauchen wir beide einen kräftigen Schluck zum Hinunterspülen – auch wenn erst Lunchtime ist.“

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