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2.4.2 Prinzip der virtuellen Arbeit

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Zunächst soll der Begriff „virtuelle Arbeit“ verdeutlicht werden. Bild 2.6 zeigt in diesem Zusammenhang die Unterschiede zwischen der Eigenarbeit, der Verschiebungsarbeit und der virtuellen Arbeit. Bei Tragwerken mit linearelastischem Verhalten steht die Tragwerksverformung im proportionalen Verhältnis zur aufgebrachten Last. Wird entsprechend Bild 2.6a eine Kraft F auf einen Träger aufgebracht und stetig gesteigert, so ergibt sich das angedeutete Last-Verformungs-Diagramm und als geleistete Arbeit die sogenannte Eigenarbeit mit .

Der Träger wird nun durch weitere Kräfte belastet (s. Bild 2.6b), die auch an der Stelle, an der die Kraft F wirkt, eine Verformung hervorrufen. Mit der dabei auftretenden zusätzlichen Verformung vF erhält man wegen F = konst. die Verschiebungsarbeit W = F ∙ vF, die dem bekannten Zusammenhang „Arbeit = Kraft mal Weg“ entspricht.


Bild 2.6 a) Eigenarbeit W b) Verschiebungsarbeit W c) virtuelle Arbeit δW

Wie in Bild 2.6c skizziert führt das Aufbringen einer gedanklichen/gedachten Verformung δvF auf entsprechende Weise zu einer virtuellen Arbeit δW = F ∙ δvF. Zur Verdeutlichung wird dieser Zusammenhang erneut in Bild 2.7 aufgegriffen, in dem die Kraft F in Richtung ihrer Wirkungslinie verschoben und der Verschiebungsweg mit δuF bezeichnet werden. Die gedanklich vorgenommene Verschiebung δuF führt dann zur virtuellen Arbeit δW = F ∙ δuF.


Bild 2.7 Virtuelle Arbeit einer Kraft

In vergleichbarer Weise kann auch die virtuelle Arbeit ermittelt werden, die eine Normalkraft bei der virtuellen Verschiebung eines Querschnitts leistet. Da N vereinbarungsgemäß im Schwerpunkt S angreift, wird die virtuelle Verschiebung in Bild 2.8 mit δuS bezeichnet. Rechts daneben wird die Normalspannung infolge N beispielhaft für die Ermittlung der inneren virtuellen Arbeit betrachtet. Sie ist als Reaktion auf die einwirkenden Kräfte negativ und das Produkt σx ∙ δεx über den gesamten Stab zu integrieren . So wie Verschiebungswege zu Kräften korrespondieren, gehören bei der inneren virtuellen Arbeit Dehnungen zu Spannungen.


Bild 2.8 Virtuelle Arbeit infolge Normalkraft N und Spannung σx

Ausgangspunkt des Prinzips der virtuellen Arbeit ist ein statisches System, das sich im Gleichgewichtszustand befindet, d. h. „reale“ äußere angreifende Lasten stehen im Gleichgewicht mit „realen“ Schnittgrößen bzw. entsprechenden Spannungen. Bild 2.9 zeigt dies am Beispiel eines Einfeldträgers mit Gleichstreckenlast. Das in Teilbild a) dargestellte System verformt sich durch die Last entsprechend Teilbild b) und die Verformungen w sind mit einem Dehnungs- bzw. Spannungszustand verbunden – das Tragwerk befindet sich im Gleichgewicht.


Bild 2.9 Zum Prinzip der virtuellen Arbeit

Das im Gleichgewicht befindliche System wird nun gedanklich (virtuell) einem beliebigen Verformungs- und damit verbundenen Verzerrungszustand unterworfen, der die Rand- bzw. Lagerungsbedingungen des statischen Systems erfüllt. Für das Beispiel des Einfeldträgers wird dies in Bild 2.9c durch eine virtuelle Verformung δw veranschaulicht. Durch die gedankliche Auslenkung des Systems leisten die „realen“ äußeren Lasten Arbeit an den virtuellen Verformungen, was als „äußere virtuelle Arbeit“ bezeichnet wird. Gleiches gilt für die „realen“ Spannungen, die an den virtuellen Verzerrungen sogenannte „innere virtuelle Arbeit“ leisten. Das Prinzip der virtuellen Arbeit besagt, dass, sofern sich der Körper im Gleichgewichtszustand befindet (entsprechend Bild 2.9b), der Betrag beider Arbeitsanteile gleich groß sein muss. Da die innere virtuelle Arbeit als Reaktion auf die einwirkenden Kräfte negativ definiert ist, befindet sich ein Tragwerk somit im Gleichgewicht, wenn die Summe der virtuellen Arbeiten gleich null ist. Die Bedingung

(2.8)

ist daher die allgemeine Forderung, dass Gleichgewicht vorhanden ist. In Gl. (2.8) ist δWext die virtuelle Arbeit der äußeren eingeprägten Kräfte und δWint die virtuelle Arbeit aufgrund der Spannungen .

Tabelle 2.2 Virtuelle Arbeit bei Stäben nach Theorie I. Ordnung (lineare Stabtheorie)


Die virtuelle Arbeit wird für Stäbe in [12] ausführlich hergeleitet und kann übernommen werden. Tabelle 2.2 enthält eine Zusammenstellung für die lineare Stabtheorie (Theorie I. Ordnung). Dabei ist zu beachten, dass alle Lastgrößen im Schwerpunkt bzw. Schubmittelpunkt angreifen und die Richtungen den Hauptachsen entsprechen. Sofern das nicht der Fall ist, sind vorab entsprechende Transformationen durchzuführen, siehe dazu auch Abschnitt 3.4. Die virtuelle Arbeit für Federn und Schubfelder werden in Abschnitt 3.10 und zusätzliche Arbeitsanteile für die Theorie II. Ordnung und Stabilität in Kapitel 4 zusammengestellt. Für Stabquerschnitte wird die virtuelle Arbeit in Kapitel 7 dargestellt.

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