Читать книгу Weiberroman - Matthias Politycki - Страница 110

Wie immer,

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ach ja? Als er an ihrem Tischchen saß, vor der Kerze, den Käsewürfeln, dem Brot, den zwei Gläsern, an denen sie soeben ausgiebig geschnüffelt hatten und genippt, da ließen ihn alle Adjektive im Stich.

Kurz und artig?

Dick und rund?

Dünn und eckig?

Wie sollte man, unter diesen verqueren Umständen, wie sollte man bloß Weinprobe spielen? Zum Glück rief einer von Kristinas Blödmännern an, und sie verschwand im Erdgeschoß. Von wo ihr helles Lachen fast pausenlos hochdrang.

Und der Geruch von Kochfisch, das Geklapper von Geschirr.

Gregor leerte sein Glas und wußte nicht weiter.

Neben dem Setzkasten, auf einem Bücherbord, waren Muscheln und Korken und ein kleiner Stoffbär und »Vom Winde verweht« und Kistchen & Kästchen und ein Stapel Briefe und getrocknete Blumen und ein Horoskop für Juni und ein Teebecher mit einer dicken schwarzen Drei.

Darunter, leicht abgerückt von den Klassik-LPs, lag neben Neil Young und Pink Floyd die leere Hülle von Seasons In The Sun – ein Geschenk? Ach, das tat ja sowieso nichts mehr zur Sache.

Gregor trat ans Fenster und blickte der schiefergrauen Wetterwand entgegen, unter der die Felder ganz flau wurden. Die Felder, die er so liebte, die Birkenreihen dazwischen Pappelreihen, die er so liebte, die kleinen Wege, es hätte alles so schön sein können.

Ein Traktor fuhr ins benachbarte Gehöft.

Durch die Wiesen, Richtung Buddenkuhle, glitt ein roter Punkt.

Kristina – nein, sie legte ihm nicht etwa unversehens die Hand auf die Schulter; sie stand nur plötzlich hinter ihm.

Stand nur plötzlich vor ihm.

Drehte sich eine Haarsträhne um den Finger.

Wie immer.

Fuhr ihm so unvermittelt, daß es schmerzte, über das Pflaster auf der Stirn.

Lag in seinen Armen.

Draußen, in Weil der Stadt, schepperte eine leere Fanta-Dose durch den Rinnstein.

Draußen, in Untersiebenbrunn, stand der Brüller und brüllte sein Lied.

Draußen, in Wechte, klatschte der Wind gegen die Wäscheleine und Gregor wäre fast umgestürzt unter der Wucht des Aufpralls und alle Farben wurden weiß und alle Dinge wurden Eis und nichts war naß neinein oder pelzig oder sonstwas sondern war nichts – –

der absolute Gefrierpunkt – – – und wie er da wieder rausgekommen war, aus dieser fühllosen, farblosen Leere, ließ sich im nachhinein nur damit erklären, daß der Himmel gar nicht so blau geworden, wie Gregor kurz geglaubt hatte, und die Welt weiterhin grün geblieben und die Wege darin grau: daß die erste Regenbö gegen’s Fenster gefahren und es Kristina jählings aufgefallen war, daß sie fröstelte. Daß es ihr jählings eingefallen war, einen Pulli zu holen, einen weißen, einen gnadenlos weißen Pulli zu holen.

Weiberroman

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