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Blutsbande

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Blutspur durch Europa

Es war Mord. Eiskalter Justizmord sogar. Mordmerkmal niedrige Beweggründe, um des eigenen politischen Fortkommens willen. Brutal, erniedrigend und blutig ausgeführt, fast wie eine Exekution.

Er ging geschickt vor. Wusch seine Hände zusätzlich in Unschuld, obwohl er sie sich selbst nicht einmal schmutzig gemacht hatte. Er war nur der Entscheider. Er selbst würde niemals töten. Hierfür hatte er Handlanger. Überwiegend gewissenlose Spielernaturen, zu allem bereit, wenn die Kasse stimmte oder der Chef es anordnete.

Nur einer, Herr Lang, genannt der Hauptmann, war nicht ganz so abgebrüht. Gewissensbisse plagten ihn. Dass die Mutter des Opfers hinzugekommen war, hatte ihn dann doch etwas mitgenommen. Das Opfer hatte ihm nichts getan, ein ungefährlicher Schwätzer. Nicht einmal reich war er. Warum sein Chef hier auf dem Mord bestand? Er saß doch fest im Sattel, hatte die Zügel sicher in der Hand. War schon einige Jahre hier als eine Art Reichsstatthalter.

Die ganze Aktion verlief dann aber doch unkompliziert, ohne Nachspiel. Dass der Reichsstatthalter bald darauf abberufen wurde, hatte nichts damit zu tun. Herr Lang zog es dann aber doch vor, die Gegend zu verlassen. In Oberitalien wollte er nochmals durchstarten. Letztlich war er dann aber selbst der Schwätzer: Zog nur noch umher und erzählte sie wieder und wieder. Die Geschichte vom Mord. Und wenn er es besonders spannend machen wollte, zog er ein kleines Glasfläschchen aus seinem Umhang und hielt es den Zuhörern und Zuschauern hin. Diese wiederum verfielen in schweigsame Ehrfurcht oder Entsetzen, als er erklärte, dass der bräunliche Inhalt das Blut des Opfers wäre.

Diese Reaktion der Zuhörer wiederum entging anderen nicht und entwickelte deren Begehrlichkeiten. Ein einmaliges Ausstellungsstück, das auch neuen wirtschaftlichen Aufschwung bringen könnte. Dies wiederum erhöhte den Wert des Inhalts des Fläschchens, bis er letztlich aufgeteilt wurde: Mantua, Reichenau, Weingarten und Brügge – nach all diesen Orten soll ein Bruchteil gelangt sein.

Das Opfer war übrigens ein Zimmermannssohn, Anfang 30, ohne festen Wohnsitz, Familienstand unbekannt. Herr Lang wiederum nannte sich seinerzeit Longinus. Nicht ungewöhnlich, gab es auch später noch, zum Beispiel bei Müllers alias Molitor.


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