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Ausführen

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Wer hat sie nicht schon gesehen! Zuhause in den meisten Städten, Besitzerin eines Fahrrades. Tierlieb. Man sieht sie meist bei gutem Wetter. Einige Exemplare lassen sich auch von schlechtem Wetter nicht beeinträchtigen. Genüsslich, nicht gemütlich radeln sie über den Asphalt. Nur Asphalt ist gut genug für Reifen und Federung. Sie fühlen sich vorbildlich. Ohne Helm, natürlich an der Schule vorbei. Auf dem Fußweg („er läuft doch und ich muss doch dabei sein“). Bewegung an der frischen Luft. Und der oder die Kleine soll doch auch raus. Braucht doch Auslauf. Will sich bewegen. Und genau dies darf er oder sie, manchmal sieht man das nicht genau, auch. Stets bei Fuß, im Rhythmus der Pedale. David gegen Goliath im Kampf um Rollwiderstand, Gegenwind, Hitze, harten Asphaltbelag. Ausruhen? Aber nein, wir müssen uns doch bewegen. An manchen Tagen nimmt sie etwas Wasser für ihn mit. Solange es nicht zu heiß ist. Sie schwitzt nicht gern. Kürzlich überholte sie einen Kollegen. Kein guter Herr. Läuft selbst mit. Und die Kleine bei Fuß japst nicht einmal. Kein gutes Training. Hat sie beim Überholen richtig gehört? Spricht er etwa mit dem Kleinen? Unglaublich. Sie spricht nicht („bin ich denn Franz von Assisi?“), sie pfeift. Ja, sie pfeift. Laut und durchdringend. Mit ihrer Pfeife. Mehr braucht sie nicht. Die Pfeife, ja sie, die Pfeife. Die Pfeife macht den Mann aus ihr. Den Rudelführer, das alpha-Tier. Sie führt, der Kleine spurtet. Japst nach Luft, kann nicht einen einzigen Gang zurückschalten. Am Berg. Mit seinem Ball. Seinem Spielball. Man muss sie konsequent führen. Wer damit spielt, trägt ihn auch. Notfalls zwischen den Zähnen. So wie sie die Pfeife trägt, sie, die Pfeife.

Fünfzehn Minuten sind eine gute Zeit. Die Kleine braucht den Auslauf. Nun sind sie am Ziel. Die Wiese am Ortsrand. Endlich aus dem Sattel. Endlich Pause. Nur noch zuschauen. Wie er spielt. Den Ball zurückbringt. Das Pfeifen verstehen lernt.

Sie macht es gern. Diesen Sportunterricht. Sie liebt es, wenn sie neben ihrem (K)Rad her hetzen. Hecheln. Heulen. Den Ball in der Linken, ihre Wasserflasche in der rechten Hand. Auf ihre Trillerpfeife reagieren. Auf der Wiese springen, sprinten, schneller springen. Weit werfen. Weiter werfen. Und auf Pfiff wieder bei ihr sind. Bei Fuß. Für das Ausführen zurück. Ihre Kleinen, die achtjährigen, die neunjährigen oder die zehnjährigen, ihre Schülerinnen. Die kleinen Olympioniken, die sie dank akademischem Pfeifenkurs führen darf. Sie, die Führerin. Ihre Riege. Zum Gau-Turnfest. Auf dem Weg zur Goldmedaille. Wenigstens zum goldenen Handschlag, Ihrer Besoldung, ihrem Pfeifenlohn, vergleichbar dem Oberarzt. Dankbar. Die Pfeife. Für die Pfeife.

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