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Affe

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Wer in Straßburg das Münster sucht, muss entweder den Besucherströmen oder seinem Stadtplan folgen. „Auf Sicht“ geht nicht. Erst wenige Meter vor dem Portal wird die Fassade sichtbar, als Bollwerk am Ende der Straße. Unzählige Versuche, die Fassade in ihrer Gesamtheit unverzerrt aufs Celluloid zu bannen oder in Pixel zu verwandeln, sind zum Scheitern verurteilt.

Ganz anders: Salisbury, das mittelalterliche Sarum, im Süden Englands. Auch hier führen die Straßen zur Kathedrale. Nach Passieren des letzten Hauses weitet sich der Blick: Die Kathedrale ruht im Grünen, vom Portal bis zur Turmspitze, von der Eingangsrosette bis zur Apsis in ihrer Ganzheit wahrnehmbar. Umgeben von grünem Rasen und alten Bäumen, ein Kontrast aus spitzen Bögen und Stein. Ein zum Himmel strebendes, harmonisch-geformtes Bauwerk, errichtet vor bald 1000 Jahren auf den Säulen der Erde. Umgeben von einem vielfach größeren cathedral close, einer Klosterbezirk genannten grünen Oase, der Domfreiheit. Das Gotteshaus im Paradies.

Im Paradies lebten die ersten Tiere. Zumindest ein Affenpärchen überlebte auch die Sintflut. Und nach der Beschreibung soll ein mit britischem Humor gesegneter Baumeister einen solchen Affen in der Kirche angebracht haben. Mit einer typischen Handbewegung: Kokosnusswerfen. Doch er hat sich im paradiesischen Dschungel gut versteckt, zwischen Heiligen und Helden, Säulen und Bögen. Erst eine freundliche Mitarbeiterin der Kirche kann den Besucher ans Ziel führen: Über dem Eingang zur Sakristei, vielleicht drei oder vier Meter über dem Boden, sitzt er tatsächlich, vor der Messe, in der Messe und nach der Messe: Der Affe mit der Kokosnuss. (2014)


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