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Montag, 8. Juni

Punkt drei Minuten vor zehn betrat Querlinger den Sekretariatsraum des K1. Er wirkte etwas aufgedreht. Was kein Wunder war, die morgendliche Rushhour hatte es mal wieder in sich gehabt, und in drei Minuten begann die Lagebesprechung.

»Guten Morgen, Angie. Wie steht’s mit der Truppe? Sind schon alle da?«

»Bis auf den Bödele, Chef, der fehlt noch.«

Querlinger grinste. Klar, der hatte momentan andere Sorgen. Aber wen sie vor allem brauchten, war der Leiter der Spurensicherung.

»Der Hofzitzel?«

»Is da. Ach, noch was, Chef. Der Dr. Brenner hat angerufen. Er musste die Obduktion der beiden Skelette verschieben. Ich hab zusammengeschrieben, was er bisher weiß, und ein PDF davon ins Intranet gestellt.« Sie reichte ihm einen Ausdruck.

Querlinger warf einen kurzen Blick darauf. »Nicht grad viel«, knurrte er. »Aber was soll’s. Nehmen wir halt zuerst die Beifunde aufs Korn. Gehen wir’s an. Kommen Sie gleich mit?«

Im Besprechungsraum waren bereits Polizeihauptmeister Heinrich Heinerle – der Laufbahnwechsler war noch immer kein Kriminalkommissar, aber auf einem guten Weg dorthin –, Hauptkommissar Armin Feigl, Hauptkommissar Bernd Zimmernagel, Hauptkommissarin Janine von Eulenburg sowie Hauptkommissar Nepomuk Hofzitzel, der Leiter der Spurensicherung.

Es war vorgesehen, dass Janine von Eulenburg die Besprechung mit einer Zusammenfassung eröffnete. Gerade hatte sie sich neben der Magnettafel in Position gebracht und damit begonnen, als die Tür ging und Oberkommissar Guntram Bödele hereinschneite.

»Sorry«, sagte er nur. Er grinste breit, setzte sich auf einen Stuhl und schlug entspannt die Beine übereinander. Schade, dachte Querlinger, also doch keine Schwangerschaft.

»Also, Herrschaften, wie bereits bekannt, haben wir es mit zwei Skelettfunden zu tun, die gestern früh von zwei Studenten im Federsee bei Bad Buchau entdeckt wurden«, begann Eulenburg. »Beide männlich, beide –«

»Schon klar, dass die männlich sind, sonst hättest du Studentinnen und nicht Studenten sagen müssen«, unterbrach Bödele sie und lachte wiehernd.

»Ja, Wahnsinn, Bödele, hätt nicht gedacht, dass du dich so gut in Grammatik auskennst«, konterte Eulenburg trocken.

»Mich wundert’s, dass er den Unterschied zwischen Männlein und Weiblein überhaupt kennt, wo er sich beim Polizeiball doch so schwergetan hat, ne Tanzpartnerin zu finden«, lästerte Heini in die Runde.

»Pass bloß auf, Polizeihauptmeister, gell!«

»Ruhe!«, mahnte Querlinger lautstark. »Auch wenn wir unter uns sind – das hier ist immer noch eine Lagebesprechung und kein Kabarett! – Machen Sie weiter, Kollegin!«, nickte er Eulenburg zu.

»Also«, fuhr sie fort, »was wir wissen, ist: Einer wurde durch einen Schuss in den Kopf, der andere durch zwei Schüsse in die Brust getötet. Das hat der Kollege Hofzitzel schon bald nach dem Bergen der Leichen festgestellt. Dr. Brenner hat das bestätigt. Der eine war zum Zeitpunkt des Todes noch verhältnismäßig jung, der andere deutlich älter. Ach ja, was dem Brenner auch sofort auffiel: Das jüngere Opfer weist einen ausgeprägten Klumpfuß auf. Dafür spricht auch der Schuh, der gefunden wurde. Offenbar eine orthopädische Spezialanfertigung. Darauf kommt der Kollege Hofzitzel gleich noch zu sprechen.«

»Wie jung beziehungsweise wie alt genau waren die Opfer zum Todeszeitpunkt?«, wollte Heinerle wissen.

»Kann der Brenner erst sagen, wenn er die Skelette osteologisch untersucht hat.«

»Und wie lange lagen die schon da unten – also die Skelette?«

»Diese Frage dürfte mit am schwierigsten zu beantworten sein. Ich schlage vor, weitere Fragen pathologischer Natur derzeit auszuklammern, die bringen uns gegenwärtig nicht weiter.«

Eulenburg setzte sich wieder, Querlinger stand auf und ging nach vorne.

»Sehe ich auch so, kommen wir zu den anderen Sachen. Wir werden uns zunächst sämtliche Vermisstenakten der vergangenen Jahrzehnte vornehmen und dafür das K7 mit ins Boot holen. Ich denke insbesondere an die Kollegen Petrarca und Henssler. Die haben uns schon beim Schwarze-Henne-Fall hervorragend unterstützt.«

Zustimmendes Nicken in der Runde. Die Kriminalinspektion 7, kurz K7 genannt, beherbergte die Abteilungen Einsatz- und Ermittlungsunterstützung, den Kriminaldauerdienst und die Datenstation.

»Ich finde, da können uns die Biberacher zuarbeiten. Die sollen in ihrem Archiv graben, das werden sie ja wohl trotz personellem Engpass hinkriegen«, meinte Zimmernagel.

»Okay«, stimmte Querlinger zu. »Dann würde ich sagen, Nepo, mach du doch bitte weiter. Könnt ihr schon was zu den Beifunden sagen?«

Querlinger setzte sich auf die Tischkante. Hofzitzel kam mit zwei Fotos in der Hand nach vorne.

»In den paar Stunden konnten wir natürlich nur wenige Spuren auswerten. Trotzdem gibt es ein paar hoffnungsvolle Ansätze. Zunächst zu diesem orthopädischen Schuh, die Kollegin Eulenburg hat ja schon darauf Bezug genommen.« Hofzitzel heftete die Bilder an die Tafel. Das erste zeigte einen durch die lange Liegezeit im Wasser stark mitgenommenen, seltsam geformten Schuh ohne Schnürsenkel. Das zweite war ein Detailfoto: die Aufnahme einer Ledersohle des Schuhs. Obwohl das Profil stark abgenutzt war – ein Zeichen, dass der Schuh oft und über einen langen Zeitraum hinweg getragen worden war –, ließ sich ganz schwach die Andeutung einer Prägung erkennen.

Nepo wies auf das erste Foto.

»Das hier ist der Schuh, den wir am Fundort der Skelette sicherstellen konnten. Er gehörte dem jüngeren der beiden Opfer. Und hier –«

»Moment!«, unterbrach Heinerle ihn. »Heißt das, dass dem Skelett die Schuhe ausgezogen wurden – also ich meine, als es noch lebte, das Skelett … also … der Mann von dem Skelett … als der noch lebte?«

»Also so ’ne blöde Frage! Hast du schon mal erlebt, dass ein Toter sich die Schuhe ausgezogen hat?«, schoss Bödele seinen Giftpfeil ab, noch bevor Nepo antworten konnte.

»Guntram, deine Witze werden immer peinlicher.«

»Und deine Logik immer dämlicher. Meine Güte, da zieht’s einem ja die Schuhe aus!«

»Schon gut, Schluss jetzt!«, intervenierte Querlinger. »Nepo, bitte, mach weiter.«

Hofzitzel hatte die Unterbrechung durch die beiden Streithammel mit stoischer Gelassenheit hingenommen. Heinerle und Bödele waren dafür bekannt, dass sie sich öfter zofften. Andererseits wusste jeder: Ging es ans Eingemachte und trat der absolute Ernstfall ein, hielten sie zusammen wie Pech und Schwefel.

»Ich komme zum zweiten Foto.« Nepo zeigte auf die Detailaufnahme mit der Ledersohle. »Diese Prägung hier auf dem Sohlengelenk …«

»Was für ein Gelenk?«, hakte Feigl nach.

»Sohlengelenk. So nennt man das mit dem Untergrund nicht in Berührung stehende Sohlenteil zwischen Absatz und Ballenauftrittsfläche.«

»Aha!«

»Also bei dieser Prägung hier – leider ist sie kaum als solche zu erkennen – könnte es sich um ein Logo oder ein Markenzeichen handeln. Vielleicht das Firmenzeichen des orthopädischen Schuhherstellers. Mal sehen, ob wir das mit dem Computer rekonstruieren können. Wenn nicht, schicken wir den Schuh zum LKA, die haben noch ganz andere technische Möglichkeiten. Sollte es sich tatsächlich um ein Logo handeln, könnte uns das ein gutes Stück weiterhelfen, zumal ein maßgefertigter orthopädischer Schuh nicht gerade zur Massenware zählt.«

»Na, dann hoffen wir mal, dass es sich tatsächlich um ein Logo oder eine Marke handelt. Wie sieht’s mit den anderen Beifunden aus?«

»Bedauere, Eugen. Weitere Ergebnisse haben wir noch nicht. Ist noch zu früh. Was das Fußkettchen mit dem Plastikanhänger angeht und die Kabelbinder, da werden wir schon noch ein paar Tage brauchen. Eventuell lassen wir auch die Granitbüste untersuchen, aber das wird man sehen müssen.«

Querlinger nickte. »Gut, ich denke, das war’s dann vorerst. Ich würde sagen, wir konzentrieren uns erst mal wie besprochen auf eventuelle Vermisstenfälle, so es welche gibt. Feigl, Zimmernagel, vielleicht könntet ihr euch mit dem K7 in Verbindung setzen. Und dann haben wir ja noch die Sache mit dem Brandanschlag in Ehingen am Hals. Versuchter Mord. Eulenburg, Zimmernagel, Bödele, wie weit seid ihr damit?«

»Ermittlungen stehen kurz vor dem Ende, Chef«, antwortete Janine von Eulenburg. »Wir haben den Besitzer von dem Elektroladen noch mal in die Mangel genommen, er hat endlich gestanden. Der Bericht geht morgen an den Staatsanwalt.«

»Beweislage?«

»Sonnenklar. Absolut wasserdicht, Chef.«

»Na dann, Herrschaften, vielen Dank. Das wär’s dann fürs Erste.«

Tote Schwaben leben länger

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