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»Da kommt er!«, rief Luise mit leuchtenden Augen, während der Triebwagen zögernd heranrollte.

»Da kommt es!«, korrigierte Querlinger brummend.

»Wieso ›es‹?«

»Das Schicksal, nicht: der Schicksal.«

»Du bist unmöglich, Eugen. Reiß dich gefälligst zusammen!«

Die Straßenbahn hielt mit leichtem Bremsenquietschen. Mit dem gewohnten »Pfffhhh« ging die Tür auf. Während sie zustiegen, wurden sie mit einem dreifachen »Täteräää« des Bläserduos der Swabian Brass Band und dem Gejohle und Geklatsche der Gäste empfangen. Die meisten waren anscheinend schon eingestiegen, während der Triebwagen sich noch im Depot befand. Mit einem »Pfffhhh« schloss sich die Tür wieder, und das Bierbähnle setzte sich ruckelnd in Bewegung. Kaum dass Querlinger und Luise sich der Halteschlaufen bemächtigt hatten, die von der Stange baumelten, wurden sie auch schon mit einem laut gebrüllten »Hallo, Freunde!« begrüßt. Es stammte von einem offensichtlich Verrückten, der beim Straßenbahnfahrer stand und ein Sektglas in der Hand hielt. Entsetzt starrte Querlinger ihn an. Der Typ erinnerte ihn irgendwie an Arnulf Weißenegger.

Der Mann sah aus, als wäre er einer schlechten Operette entsprungen. Gekleidet in einen von den Füßen bis zum Hals geschlossenen giftgrünen Overall, eine breite rote Binde um den Bauch, ein rotes Käppi auf dem rasierten Schädel und – Querlinger musste zweimal hinschauen – zwei rote, auf den Rücken gebundene Plastikflügel. Um die Schultern hatte der Mensch einen Bogen hängen sowie einen Köcher, aus dem ein Dutzend gefiederter Pfeile ragte. Bizarr!

Plötzlich dämmerte es Querlinger. Keine Frage: Der Verrückte, der da vor ihm stand, war Weißenegger. Allerdings nicht Arnulf, sondern Amor Weißenegger, der sich in maßloser Überschätzung seiner selbst für den griechischen Gott der Liebe hielt. Aber wo Amor war, konnte seine geliebte Psyche nicht weit sein. Die geile Sterbliche, die am Ende der antiken Lovestory nach vielen Irrungen und Wirrungen zur Unsterblichen avancierte. Bloß – wo war sie, die gute Psyche?

Da! Es musste die Person sein, die sich gerade vom hinteren Ende des Triebwagens kommend mit einem Tablett Sektgläser in den Händen nach vorne bewegte. Sie schwankte leicht, was offenbar nicht nur dem Ruckeln des Bierbähnle geschuldet war. Der giftgrüne, knallenge Hosenanzug, das künstliche Haarteil, die grellrot geschminkten Lippen, der zu einem starren Lächeln geöffnete Mund und das blendend weiße Totenkopfgebiss – ja, das war sie, die Weißenegger-Gattin Patricia, von ihren Freunden kurz Pati genannt. Arnulf und Pati alias Amor und Psyche – was um Himmels willen hatten sich der Muckibuden- und Physiotherapiekettenbesitzer und seine Alte bloß dabei gedacht, ihre dreißigjährige eheliche Verkettung auf derart scheußliche Art zu demonstrieren?

Noch während solcherlei Gedanken durch den Kopf des Kommissars ratterten, setzte Weißenegger zu seinem Toast an: »Liebe Freunde, liebe Gäste, begrüßt mit mir meinen Freund, den bekannten Ersten Kriminalhauptkommissar der Mordkommission Ulm Eugen Querlinger und seine reizende Gattin Luise.«

Stürmischer Applaus. Der Weißenegger Amor hob das Glas.

»Lieber Herr Erster Hauptkommissar, liebste Luise«, auf Du und Du standen die Weißeneggers nur mit Luise, »es ist mir eine besondere Ehre, euch als Gäste zu unserem dreißigjährigen Ehejubiläum an Bord willkommen heißen zu dürfen.«

Mein Freund, der Erste Kriminalhauptkommissar der Mordkommission Ulm … Querlinger glaubte, im Boden versinken zu müssen. Er wünschte nichts sehnlicher, als dass auf der Stelle sein Handy vibrierte und er zu einem Einsatz gerufen würde – eine himmlische Vorstellung. Aber nichts da – wenn man dieses Drecksding mal wirklich brauchte, ließ es einen schmählich im Stich.

Psyche alias Pati war inzwischen bei ihnen angelangt und forderte die beiden auf, sich ebenfalls ein Glas zu nehmen. Dem Gruppenzwang folgend gehorchte der Kommissar, wenn auch widerwillig. Gerade wollte er sich einen ersten Schluck genehmigen, doch Luise hielt ihn mit einem rüden Rippenstoß davon ab.

»Wart halt, du Bachel«, zischte sie ihm ins Ohr. »Als Ehrengast musst du zuerst eine kleine Rede halten und dann einen Toast ausbringen. ›Glückwunsch zum dreißigjährigen Hochzeitstag und danke, dass wir dabei sein dürfen‹ oder irgend so was.«

Eine Rede sollte er halten? Auf einer abgefahrenen Party wie dieser? Mit abgefahrenen Protagonisten, die sich für griechische Götter hielten? Das war nicht abgesprochen! Worauf hatte er sich da bloß eingelassen?

Es half nichts. Aller Augen waren erwartungsvoll auf den »berühmten Kommissar« gerichtet. Jetzt erst bekam er mit, dass er in einige von ihnen schon mal geblickt hatte. Ganz vorne saßen ein betagtes Bauunternehmerehepaar aus Elchingen sowie ein alter Apotheker und dessen Schwester, die er vor Jahren einmal im Zuge einer Ermittlung vernehmungstechnisch in die Mangel genommen hatte. Einen Mann glaubte er aus der Zeitung zu kennen, allerdings wusste er nicht, in welche Schublade er ihn stecken sollte. Er unterhielt sich lebhaft gestikulierend mit einer Greisin, die er noch nie gesehen hatte, deren schrilles Outfit ihm aber sofort auffiel. Knallrot geschminkte Botoxlippen, schwarze Brauen – Permanent-Make-up –, graues Haar mit violetten Strähnen.

Dann aber – er musste zweimal hinsehen, um sich zu vergewissern – sah er, wie ein kleiner Dicker, der hinter dem Bauunternehmerehepaar saß, sich von der Sitzbank erhob und mit einer Kamera auf ihn zielte. Querlinger spürte, wie ihm der Kamm schwoll. Das konnte nicht wahr sein. Sein ärgster Widersacher, der Möchtegern-Pulitzer-Preisträger Dieter Oxheimer, an Bord des Ulmer Bierbähnle? Was zum Henker hatte Weißenegger geritten, diesen Vollhorst von einem laufenden Meter zu seinem Hochzeitstag einzuladen? Woher kannte er ihn überhaupt?

»Jetzt sag halt endlich was, und glotz nicht wie ein hirnamputierter Ochs!«, zischte Luise ihm ins Ohr.

»Ja … ähm … also …«, startete der Kommissar einen ersten kläglichen Versuch. Erschöpft schloss er die Augen. Wenn sich doch bloß der Boden unter seinen Füßen auftäte …

»Lieber Eugen, wie wir alle sehen, hat es dir vor Rührung die Sprache verschlagen«, hörte er plötzlich eine hohntriefende Stimme zu seiner Rechten sagen. Entsetzt riss er die Augen wieder auf. Oxheimer stand neben ihm. »Vielleicht bist du ja auch ein bisschen frustriert von den fruchtlosen Ermittlungen der letzten Wochen, du weißt, was ich meine, also, lass mich für dich einspringen«, fuhr der Reporter fort.

Frustriert von den fruchtlosen Ermittlungen! Was war das hier – ein böser Traum?

»Wenngleich wir auch sonst immer auf zwei verschiedenen Seiten stehen: Du, lieber Eugen, auf der dunklen Seite der Verbrechensbekämpfung und Desinformation, ich auf der Seite der Öffentlichkeit und der Aufklärung – im Grunde waren wir uns immer gewogen. Und so lass uns jetzt gemeinsam einen Toast auf unser Jubelpaar ausbringen. Ein dreifaches Hoch auf Arnulf und Patricia Weißenegger!«

Rufe, Johlen, Applaus. Oxheimer hob das Glas, kochend tat Querlinger es ihm gleich. Dann aber ließ ihn ein zufälliger Blick zur Seite schlagartig seine Chance erkennen. Oxheimers Hosenstall stand offen! Ein Hemdzipfel lugte vorwitzig aus dem Schlitz. Eine Einladung, der Querlinger nicht widerstehen konnte. Er sah sich um, die Konstellation war günstig, sie standen dicht gedrängt. Pati, mit ihrem Sekttablett, befand sich zu seiner Linken. Die Sekttulpe in der einen, griff sich der Kommissar mit der anderen Hand blitzschnell eines der gefüllten Gläser vom Tablett, ließ die Hand nach unten gleiten und goss Oxheimer den gesamten Inhalt in den Schritt. Parallel dazu rief er über sämtliche Köpfe hinweg: »Da kann ich meinem geschätzten Vorredner nur zustimmen. Ein dreifaches Hoch auf Arnulf und Pati! Und herzlichen Dank, dass wir dabei sein dürfen!«

Das Fluchen Oxheimers ging im erneut aufbrandenden Jubel und einem Tusch des Swabian Brass Duos unter. Panisch bemüht, den Hemdzipfel in den Schlitz zurückzustopfen und den Reißverschluss zuzuziehen, verzog er schmerzhaft das Gesicht; offenbar hatte er sich was eingezwickt. Was jedoch das kleinere Übel war. Das größere bestand in dem dunklen Fleck, der sich auf der hellgrauen Hose ausgebreitet hatte.

»Das hat Konsequenzen, Querlinger, das wird dir noch leidtun«, zischte er in einen erneuten Tusch des Bläserduos hinein.

»Hör auf, mir zu drohen, Oxheimer. Geh lieber zum Arzt und lass deine Inkontinenz behandeln«, raunte der Kommissar ihm zu.

Quietschend hielt das Bähnle an der nächsten Haltestelle. Unter gebührendem Gejohle stiegen ein Mann und eine Frau zu. Die Gelegenheit für Oxheimer, sich unbemerkt vom Acker zu machen. Noch bevor die Tür mit einem »Pfffhhh« schloss und Weißenegger die neu Zugestiegenen als Cousine und Cousin vorstellte, war er draußen.

Querlinger und Luise hatten inzwischen ihre Sitzplätze eingenommen. Luise saß neben Pati, Querlinger neben der Greisin mit dem fürchterlichen Outfit. Der Typ, der zuerst bei ihr gesessen hatte – der, den er aus der Zeitung kannte –, hatte es vorgezogen, zu rochieren, und den Platz gewechselt. Die Alte stellte sich ihm als Erzsebet Gräfin Békesi-Alaghy vor. Eine Ungarin durch und durch, wie er bald darauf feststellen sollte.

Lachen, Geplapper, Gekreische, während das Bähnle weiterfuhr, hin und wieder unterbrochen von einer peinlichen Weißenegger-Bemerkung oder einem seiner berüchtigten Witze. Was die Gäste nicht zu stören schien, sie fühlten sich sauwohl. Weißenegger hatte die pfiffige Idee gehabt, an jeder Haltestelle Nachschub in Form unterschiedlicher Snacks an Bord zu nehmen. Gleich zu Beginn der Fahrt hatte er angekündigt, nacheinander die »Salate-Haltestelle«, die »Wecken-und-Würstle-Haltestelle«, die »Shrimps-und-Fisch-Haltestelle« sowie die »Käse-und-Dessert-Haltestelle« anzufahren. Den kulinarischen Schlussakkord würde die »Kuchen-Kaffee-und-Schnäpsle-Haltestelle« bilden.

Spätestens nach Passieren der »Wecken-und-Würstle-Haltestelle« stellte sich bei Querlinger Kapitulationsbereitschaft ein. Was sich als etwas mühselig erwies, war allerdings die Konversation mit der alten Gräfin. Ungarischer Hochadel. In den fünfziger Jahren emigriert nach Österreich, dann nach Deutschland. Ein Gestüt in Niederösterreich, eine Villa in Grünwald, ein Schloss bei Mochental, nahe Ulm. Und eine Penthousewohnung in der Ulmer City.

»Abär die gähört meinär Enkälin, Ilona von Békesi-Alaghy. Sie studiert Kunst und ist Moodel bei Karl Lagerwald, dem bärühmten Stardesignär.«

»Oh, bei Lagerwald. Interessant! Hat sie Erfolg?«

»Ärfolg? Abär natürlich, mein bästäs Kommissarchen. Sie schon auf den bärühmtästän Titelseiten zu sähän gäwäsen ist. In Dessus – Sie värstähän?«

Natürlich verstand Querlinger. Was er nicht verstand: Wie kam die Gräfin nur dazu, ihn »Kommissarchen« zu nennen und den Satz mit den Dessous leise schnurrend wie eine Katze von sich zu geben?

Etwa weil sie auf der Suche nach einem Kater war?

Gräfin Békesi-Alaghy klimperte mit den künstlichen Wimpern und rückte näher an ihn heran. Querlinger versuchte, etwas von ihr abzurücken, aber die Sitze im Bierbähnle waren ziemlich schmal.

»Und wie … ähm … kam Ihre Enkelin zu Lagerwald? Beziehungen, nehme ich an?«

Wimpernklimpern. »Abär Kommissarchen, was heißt Bäziehungen. Talänt! Großes Talänt! Ich känne Lagerwald zwar sähr gut, von frühär, abär wie gesagt: großes Talänt, meine Enkälin.«

»Sie kennen ihn von früher?«

»Ja, wir gäwäsän sind ein … nun ja.«

Das »nun ja« sprach Bände. Querlinger grinste. Die Gräfin zog ihr Smartphone hervor, drückte ein paar Tasten und hielt Querlinger das Display vor die Nase. Ein schlossähnliches Anwesen aus der Vogelperspektive.

»Ich wärde bald einä große Party gebän. Auf meine Schloss bei Mochental. Sie sind härzlich willkommen. Meine Enkälin kommt auch.«

Wimpernklimpern. Schmachtender Blick aus graublauen Augen.

»Oh, vielen Dank für die Einladung. Ich werde sehen, was sich machen lässt.«

Die Gräfin zeigte ihm weitere Bilder. Fotos von einem Park mit Bäumen und steinernen Skulpturen. Alter Baumbestand. In Form geschnittene Buchsbäume.

Querlinger gab sich beeindruckt: »Sehr schön, wirklich sehr schönes Anwesen!«

»Anwäsen? Gutäs Kommissarchen, das ist Schloss, nicht Anwäsän!«

»Ja, ja, natürlich. Ich wollte Schloss sagen.«

»Ich schicke Ihnen auf Händy Adrässe und Bilder. Gebän Sie mir Nummer?«

Etwas widerstrebend zog Querlinger eine private Visitenkarte aus der Hosentasche, die er ihr überreichte.

»Wunderbar. Sie Einladung von mir ärhaltän. Schriftlich.«

Das Bierbähnle war inzwischen an der »Shrimps-und-Fisch-Haltestelle«, sprich: beim Hauptbahnhof, angekommen. Jetzt erst fiel Arnulf Weißenegger das Fehlen des Reporters auf.

»Nanu, wo ist denn der Herr von der Presse, den ich engagiert habe?«

»Sie haben ihn engagiert? Er war also kein Bekannter oder Freund?«, fragte Querlinger.

»Ich habe ihn gebeten, Fotos zu machen. Es ist schließlich ein Event, das man nicht alle Tage erlebt. Es wird einen Artikel im Regionalen des Südwestboten darüber geben. Herr Oxheimer sollte die Bilder dazu liefern.«

»Ein Artikel im Südwestboten? Die drucken so was?«

»Ich habe eine große Anzeige über mein neu eröffnetes Therapiezentrum in Auftrag gegeben. Im Gegenzug sollte ich einen redaktionellen Beitrag erhalten. Wo er bloß hin ist?«

»Er ist an der letzten Haltestelle ausgestiegen. Ihm war nicht gut. Was man ihm ansah.«

»Tatsächlich? Hab ich gar nicht bemerkt.«

Querlinger heuchelte Bedauern und bedeutete Weißenegger, sich zu ihm hinunterzubeugen.

»Entweder er leidet an Inkontinenz, oder er hat sich die Blase erkältet«, flüsterte er ihm ins Ohr. »Er hatte jedenfalls auf einmal eine total verpinkelte Hose.«

»Um Himmels willen, aber dann kann er doch nicht arbeiten. Er versaut mir meinen öffentlichen Auftritt. Wer schießt jetzt die Fotos?«

»Na ja, ein paar Bilder hat er schon gemacht, vielleicht reichen die ja.« Im Stillen hoffte Querlinger, dass sämtliche Aufnahmen misslungen wären. Seine Gegenwart bei dieser verrückten Party öffentlich zu dokumentieren und sich mit Bild in einem Artikel neben einem stadtbekannten Spinner wie Weißenegger verewigt zu sehen – da konnte er sich weit Angenehmeres vorstellen.

Der letzte Halt der Hinfahrt war erreicht: die Friedrichsau, das beliebte Ulmer Naherholungsgebiet. Von Weißenegger zur »Kaffee-Dessert-Kuchen-und-Schnäpsle-Haltestelle« umfunktioniert.

»Alles aussteigen«, röhrte Amor, der Ulmer Liebesgott. »Hier werden wir die nächsten zwei Stunden verbringen. Bitte, mir zu folgen.«

Zwei Stunden! Nahm das Grauen überhaupt kein Ende?

Während das Bierbähnle leer weiterfuhr – in zwei Stunden würde es die Festgesellschaft wieder abholen –, steuerten Weißenegger und seine Gattin, gefolgt von den Gästen, auf eine mit Büschen umrandete, kurz geschorene Wiese zu.

»Aufgepasst!«, rief er und hob die Hände wie ein Dirigent. Querlinger ahnte Fürchterliches. Wie auf Kommando brachen die Mitglieder der Swabian Brass Band mit ihren Musikinstrumenten bewaffnet hinter den Büschen hervor, stellten sich in Positur und begannen »An der schönen blauen Donau« zu intonieren.

»Alles Walzer!«, brüllte Weißenegger. Und noch ehe Luise sich’s versah, hielt der Plastikamor sie in seinen Armen und begann, sich mit ihr auf der Wiese zu drehen. Gleich darauf schwang auch der Rest der Bierbähnle-Besatzung das Tanzbein. Außer Querlinger.

Dann stand das Schicksal vor ihm. In Gestalt Patricia Weißeneggers.

»Damenwahl, Herr Kriminalhauptkommissar!«

Querlinger stöhnte, doch das Schicksal scherte sich einen Dreck darum. Als er sich mit Psyche auf dem Rasen drehte, schlug es ein zweites Mal zu. Vielleicht war das, was geschah, dem erhöhten Bierkonsum des Kommissars geschuldet, vielleicht auch einer tückischen Unebenheit im Rasen – jedenfalls stolperte Querlinger so unglücklich, dass er mitsamt seiner Partnerin zu Boden stürzte und flach auf sie zu liegen kam.

Gelächter. Verstörung bei Querlinger. Doch anstatt dass Pati ebenso erschrocken reagiert hätte wie er, trat ein verklärter Glanz in ihre Augen. »Oh, Herr Kommissar, Sie sind ja ein ganz Schlimmer!«, flüsterte sie.

Traumatisiert stand Querlinger später abseits der Tanzveranstaltung am Rand der Wiese und sehnte sich einmal mehr nach einem Anruf, der ihn zu einem Tatort beordern würde. Hätte er gewusst, dass sich Oxheimer, nachdem er ausgestiegen war, ein Taxi zur Friedrichsau genommen hatte – er wäre vermutlich noch traumatisierter gewesen.

»Hallo, Herr Kommissar, genug von der Party?«, fragte eine Stimme in seinem Rücken.

Querlinger drehte sich um und musterte den Mann. Es war der, der ursprünglich neben der Gräfin gesessen hatte. Der, den er aus der Zeitung kannte. Ein Mann Mitte siebzig, aber noch außerordentlich agil wirkend und gut aussehend. Plötzlich fiel ihm auch der Name wieder ein: Adam Zoller. Zoller war vor Jahren Vorstandsvorsitzender einer international tätigen Maschinenbau AG gewesen. In den Medien dafür bekannt, während seiner aktiven Zeit Kompromisse stets zulasten der Belegschaft geschlossen zu haben. Anstatt sich auch mal für die Belange der nach Tausenden zählenden Arbeiter und Angestellten einzusetzen, hatte er gegenüber den Aktionären und anderen VIPs aus Politik und Gesellschaft stets den Schwanz eingezogen, keinen Hintern in der Hose gehabt. Den Mann ohne Arsch hatte man ihn deshalb genannt.

»Ein bissle ausruhen halt«, antwortete Querlinger. »War heute ein harter Tag im Büro. Hab vorhin ’nen Schwindelanfall gehabt, wie Sie ja bestimmt mitbekommen haben. Muss den Kopf frei bekommen. Und die Luft hier in der Friedrichsau tut gut.«

»Stimmt. Gute Luft hier.« Adam Zoller atmete einmal demonstrativ ein und aus. »Und dieser Duft nach frisch gemähter Wiese … einfach herrlich, würde ich sagen.«

»Sie sind auch ein Freund des Jubelpaares?«

»Sagen wir mal … wir sind gut miteinander bekannt. Ich habe Herrn Weißenegger bei der Konzeption seines neuen Fitnesscenters beraten. Und ich bin schon lange Kunde bei ihm. Fitnesskunde, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

Meine Güte, war der Typ umständlich. Was sollte daran nicht zu verstehen sein?

»Arbeiten Sie noch?«

Der Arschlose nickte. »Als freiberuflicher Consultant. Ich bin zwar in Rente, aber die Arbeit macht mir noch immer Spaß.«

»Tja, was mich angeht, ich hab noch ein paar Jährchen bis zur Rente.«

»Also ich würde mal sagen, die sitzen Sie als Beamter doch auf einer Arschbacke ab, oder?«

Querlinger verzog keine Miene.

»Stimmt!«, sagte er. »Ich hab so viel festes Sitzfleisch, dass ich das spielend schaffe. Im Gegensatz zu anderen, die statt einem Arsch Wackelpudding in der Hose haben.«

Tote Schwaben leben länger

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