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4.4.4.2 Synchrone Determiniertheit

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Synchrone Determiniertheit bedeutet, dass die Eigenschaften der Teile eines Systems (Mikroeigenschaften) die Eigenschaften eines Systems als Ganzes (Makroeigenschaften) bestimmen. Die Eigenschaften und Verhaltensdispositionen eines Systems sind also durch seine Mikrostruktur determiniert.126 Zwei Systeme, die sich in den Mikroeigenschaften nicht unterscheiden, unterscheiden sich auch nicht in den Makroeigenschaften. Verändern sich aber die Mikroeigenschaften, verändern sich folglich auch die Makroeigenschaften. Hier zeigt sich noch einmal, dass emergente Eigenschaften nicht neue, nicht-physische Entitäten sind, sondern im Sinne des emergentistischen Naturalismus aus natürlichen Bestandteilen und deren (Neu-)Kombinationen bestehen.127

Der Begriff der synchronen Determiniertheit ist auch in Bezug auf das Merkmal des Naturalismus von Interesse, in welchem Stephan anführt, dass der schwächere Naturalismus der Britischen Emergentisten nicht von einer Reduzierbarkeit mentaler Eigenschaften, sondern von ihrer Supervenienz über physischen Eigenschaften ausgeht. Um dies zu erläutern, ist eine kurze Betrachtung der möglichen Verwendung des Begriffs der Supervenienz im Zusammenhang mit dem Britischen Emergentismus erforderlich: Der Begriff ‚supervenient‘ wird nur von Lloyd Morgan verwendet, doch mehr als sprachliche Umschreibung für ‚etwas Zusätzliches‘, denn als philosophischer Fachbegriff. Dies wird exemplarisch an folgenden Stellen deutlich:

„[W]hat is supervenient at any emergent stage of evolutionary progress is a new kind of relatedness […].“128

„Consciousness as supervenient is a late product of emergent evolution.“129

Die Grundidee eines philosophisch gehaltvollen Supervenienzbegriffs scheint zunächst der Determiniertheit der Makro- durch die Mikrostruktur im Merkmal der synchronen Determiniertheit bei Stephan sehr ähnlich zu sein. Supervenienz bedeutet in einer – vor dem Hintergrund der vielfältigen modernen, kontrovers diskutierten Supervenienzbegriffe – neutralen Formulierung: Eigenschaft A superveniert genau dann über Eigenschaft B, wenn es nicht möglich ist, A zu ändern, ohne B zu ändern. Supervenienz in diesem Sinne scheint bei den Britischen Emergentisten nicht nur dazu geeignet zu sein, den emergentistischen Naturalismusbegriff zu sichern, sondern sich zudem auch implizit aus ihren Betrachtungen zu emergenten Phänomenen zu ergeben. Denn durch die Annahme von Supervenienz lässt sich die Relation zwischen der supervenienten (emergenten) und der subvenienten (physischen) Ebene auf einfache Weise ausdrücken. Dies ist ohne einen solchen Begriff nicht möglich, da emergente Eigenschaften aufgrund des Umstands, dass sie nicht-reduzierbar130 sind, andernfalls nicht auf die sie ausbildenden physischen Eigenschaften bezogen werden können. Vor dem Hintergrund dieser Betrachtungen lässt sich eine Definition der Supervenienz emergenter Eigenschaften bei den Britischen Emergentisten formulieren: Emergente Eigenschaften supervenieren über den sie konstituierenden physischen Eigenschaften, ohne dabei auf sie reduzierbar zu sein.

Die Supervenienz emergenter Eigenschaften über physischen Eigenschaften scheint zunächst aus zwei Gründen für Emergenztheorien geeignet: Einmal, da sie einen emergentistischen Naturalismus im Sinne eines schwachen Naturalismus garantieren kann, in dessen Rahmen emergente Phänomene nicht gemäß eines starken Naturalismus naturalisierbar und damit reduzierbar sind. Zweitens, da sich über die Supervenienz emergenter Eigenschaften die Relation zwischen der emergenten und der basalen Ebene herstellen lässt, was aufgrund der Irreduzibilität emergenter Eigenschaften andernfalls nicht möglich wäre. Auch wenn der Begriff der Supervenienz für diese Aspekte zunächst ausreicht, macht Stephan auf eine Problematik aufmerksam, die mit der Supervenienzthese verbunden ist: So ist der Begriff der Supervenienz schwächer als jener der synchronen Determiniertheit.131 Er verweist hierbei auf Thomas R. Grimes, der herausgearbeitet hat, dass der Begriff der Supervenienz nicht die Abhängigkeit der Systemeigenschaften von der Mikrostruktur des Systems, sondern bloß ihre Kovarianz behauptet.132 Der stärkere Begriff der Abhängigkeit der emergenten von der physischen Ebene entspricht jedoch mehr als die Behauptung ihrer Kovarianz der Konzeption der Britischen Emergentisten. Dies lässt sich am nachdrücklichsten bei Broad, wenn auch hier in funktionalistischer Terminologie, ersehen:

„The properties of compounds133 […] are doubtless functions of their structure and the motion of their atoms, and of the peculiar properties of the atoms themselves.“134

Daraus folgt, dass in Bezug auf die Abhängigkeitsbeziehung zwischen emergenter und physischer Ebene von der synchronen Determiniertheit emergenter Eigenschaften – und nicht von ihrer Supervenienz – ausgegangen werden muss. Und auch im Fall der Sicherung des emergentistischen Naturalismus sollte, auch wenn hier die Behauptung der Supervenienz emergenter über physischen Eigenschaften ausreicht, der stärkere Begriff der synchronen Determiniertheit emergenter Eigenschaften verwendet werden. Denn es ist wenig sinnvoll, für den Naturalismus einen schwachen Begriff (Supervenienz) und in Bezug auf die Abhängigkeitsbeziehung einen starken Begriff (synchrone Determiniertheit) zu verwenden, wenn die synchrone Determiniertheit beide Fälle einschließen und den einen davon in geeigneterer Weise erfassen kann.

Naturphilosophische Emergenz

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