Читать книгу Der letzte Titan - Maximilian Wagner - Страница 10
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ОглавлениеZwischenzeitlich hatte William einen Freund besucht und ihn erfolgreich um einen Gefallen gebeten. Er hatte einige Freunde, die ihm etwas schuldig waren. Doch das war nicht seine Denkweise. Er würde niemals einen Gefallen 'einfordern'. Vielleicht lag es an seiner Zeit als Geistlicher oder er war einfach sehr naiv, dass er an das Gute in den Menschen glaubte.
Seine Verfolger hatte er noch nicht abgeschüttelt. Obwohl er die unterschiedlichsten Bus- und Straßenbahnlinien benutzt hatte und durch Halb-Chicago gefahren ist, konnten sie ihn jederzeit erneut finden. Immer wieder drehte er sich nach allen Seiten um. Und auch wenn er nie jemanden sah, außer harmlose Passanten, lief er jedes Mal ein Stück schneller.
Er war in einem Viertel unterwegs, welches man Gold Coast nannte. Die meisten Türen – einige abgeschottet durch hohe Eisenzäune oder Steinmauern – wären ihm wohl verschlossen geblieben, selbst wenn er seinen Besitzern in der Vergangenheit den einen oder anderen Gefallen erwiesen hätte. Doch er musste nicht zu irgendjemandem. Er wollte nur zu Henry, einem guten Freund. Dieser würde ihm sicherlich öffnen und auch helfen.
Das Gebiet erinnerte ihn stark an seine alte Heimat. So viele deutsche Autos wie dort hatte er lange nicht gesehen – vor allem nicht so viele der gehobenen Klasse. Weniger Angst verspürte er deswegen dennoch nicht, eher noch mehr. Er hielt es für Ironie, sollten sie ihm in diesem Teil der Stadt auflauern und ihn überwältigen.
William verließ den Gehweg und passierte den kleinen Vorgarten einer Villa – so groß, dass gleich mehrere Familien darin hätten wohnen können.
Auf sein Klingeln öffnete ihm ein Mann im Anzug die Tür. Der Butler. Längst über das Alter hinaus, in dem er in den Ruhestand hätte treten können. Gebrechlich wirkte er allerdings nicht.
„Guten Tag, Sir. Wie kann ich ihnen behilflich sein?“ Den englischen Akzent hörte man heraus.
„Guten Tag. Mein Name ist William Eagle, ich wollte zu Henry.“
„Tut mir leid Sir, Mister Morrison befindet sich derzeit nicht im Haus. Er …“
In diesem Moment öffnete sich hinter dem Mann eine Tür und William sah eine Frau über seine Schulter hinweg.
„Peter, wer ist da? Wenn es wieder irgendwelche Bittsteller sind, schicke sie weg.“
Auch sie sah William und erkannte sogleich, dass er definitiv niemand war, von dem sie etwas gewollt hätte. Ihr Blick wandte sich von ihm ab. Man konnte nicht genau sagen wohin, sie wollte nur ihr Desinteresse ausdrücken.
„Was ist nun Peter, die Tür steht ja immer noch offen.“
„Verzeihen sie Sir.“ Der Butler drehte sich zu ihr um. „Nein Madam, kein Bittsteller. Mister Eagle, er möchte zu Mister Morrison.“
„Ok Peter, lassen sie den Herrn hinein.“
Er trat beiseite.
„Sir, wenn ich bitten dürfte.“
Der Butler schloss hinter ihm die Tür. Die Frau des Hauses (sie trug einen Hosenanzug) musterte William erneut und ging dann einen Schritt auf ihn zu. Der starke Geruch (man sollte schon eher Gestank meinen) ihres Parfums ließ ihn fast zurückweichen. Er musste Husten, täuschte es aber als Frosch-im-Hals-Räuspern.
„Guten Tag Mrs. Morrison, freut …“
„Mrs. Bennett, ich zog es vor, meinen Mädchennamen zu behalten.“
„Entschuldigen sie, Mrs. Bennett, ich wollte eigentlich …“
„Zu meinem Mann? Er ist nicht im Haus, Geschäftsreise, sie wissen schon … oder?“
Das war der Moment, in dem William erkannte, dass es schwierig werden würde. Doch er brauchte ein gutes Versteck, zumindest für eine Weile und Henry Morrison war der einzige der ihm einfiel, zu dem er deswegen gehen konnte.
„Vielleicht könnten sie …“
„Soll ich ihm etwas ausrichten? Von wem? Sie sehen mir ehrlich gesagt nicht wie jemand von Henry's Geschäftspartner aus.“
„Nein Mrs. Bennett, ich bin ein Freund ihres Mannes, ich arbeite …“
„Henry hat Freunde? Davon wusste ich bisher gar nichts. Hören sie, meine Zeit ist kostbar. Sagen sie mir ihren Namen und ich richte meinem Mann aus, dass sie hier waren.“
„Wann wird …“
„Oh, frühestens in zwei Wochen.“ Ich hoffe das ist lang genug, dass sie nicht anfangen zu nerven und vergessen, dass sie etwas von Henry wollen. Wenigstens hatte sie noch den Anstand, den letzten Satz nicht laut auszusprechen.
„Vielleicht könnten sie mir …“
„Helfen? Nein, tut mir leid, ich bin eine vielbeschäftigte Frau. Da müssen sie sich schon gedulden bis Henry wieder zu Hause ist.“
„Hören sie, ihr Mann und ich sind seit langer Zeit befreundet. Jetzt habe ich ein dringendes Problem und …“
„Jetzt hören sie mir zu! Ihre Probleme sind nicht die meines Mannes und schon gar nicht die meinen. Wenn sie Hilfe wollen, wenden sie sich an jemand anderen. Jetzt möchte ich, dass sie mein Haus verlassen und mich nicht weiter belästigen.“ Sie wandte ihren Blick zur Tür und wies ihm den Weg mit der offenen Hand.
„Peter, begleiten sie Mr. … den Mann bis zur Straße.“
„William Eagle, schönen Tag ihnen noch.“
William wusste, dass es keinen Sinn machte, mit dieser Frau zu diskutieren. Gleichfalls fragte er sich, wie es sein Freund mit so jemanden an seiner Seite aushielt. Hätte sie ihre Nase noch etwas höher getragen, hätte sie an der Stirn geklebt.
Peter öffnete die Tür und ließ Mr. Eagle vorangehen. Innerlich schämte er sich für das Verhalten seiner Arbeitgeberin, besser gesagt der Frau seines Arbeitgebers. Doch ein gut ausgebildeter Butler wahrte die Neutralität und folgte den Befehlen, die man ihm gab.