Читать книгу Der letzte Titan - Maximilian Wagner - Страница 6
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Оглавление„Danke, dein Frühstück allein wäre ein Grund dich zu heiraten“, sagte William, als er fertig mit Essen war und Linda sein Geschirr abholte.
„Nur das Beste für dich. Ich räum' das mal schnell weg.“
Darauf verschwand sie und kam mit zwei Tassen Kaffee aus ihrer kleinen Küche zurück. Sie setzte sich nun zu William und schob ihm eine davon hinüber.
„Nun erzähl mal, was macht ein vielbeschäftigter Mann wie du am vierten Juli?“
„Bis dahin ist es doch noch über eine Woche. Wenn ich das jetzt schon geplant hätte, hätte ich es bis dahin sicher wieder vergessen.“
Das Schmunzeln in seinem Gesicht war nicht zu übersehen, und auch wenn sie dadurch kurz abgelenkt war und selbst grinste, kam sie auf ihre Frage zurück.
„Noch gar keine Pläne für den Tag?“
Er überlegte kurz.
„Naja, wenn ich spontan antworten muss. Ich dachte mir, ich könnte mit einer hübschen Frau wie dir ein Picknick im Park unternehmen und abends noch in irgendeinen Film gehen. Natürlich nicht in die Spätvorstellung, ein alter Mann wie ich braucht seinen Schlaf.“
„Hm, die Idee gefällt mir, abgemacht. Hol mich hier um elf Uhr ab.“
„Okay, mit Vergnügen.“
Dass es so einfach war, verwunderte ihn. Aber er war erfreut, dass sie sein Angebot angenommen hatte, auch wenn er es eigentlich nur als Scherz meinte. Seine erste Verabredung seit einer halben Ewigkeit. Dass er verfolgt wurde, war ihm in diesem Moment entfallen.
„William?“, fragte plötzlich ein Mann in Schwarz neben ihm und holte ihn in die Realität zurück. Dem Anschein nach in etwa so alt wie er selbst. An seinem Hemdkragen trug er ein Kollar, einen weißen Klerikerkragen. Seine Stimme war rau und ernst. Keiner der Beiden am Tisch hatte sein Erscheinen im Café bemerkt und Jack bekam sowieso nichts mit.
„Ihr?“ William klang überrascht und genervt zugleich. Linda war so erstaunt, dass sie nur zusah, statt zu versuchen ihn zu bewirtschaften.
„Ja, ich bin es William. Wir müssen reden, ihr könnt euch denken, worum es geht.“
Selbstverständlich konnte er sich das denken. Nun hatte er auch wieder dieses unbehagliche Gefühl. Es war mit dem Mann durch die Eingangstür gekommen. Ihm wurde flau im Magen. Und obwohl es draußen schon über zwanzig Grad waren – im Restaurant war es noch wärmer – fröstelte es ihn und er bekam Gänsehaut im Nacken und auf den Armen. Er versteckte seine Hände unterm Tisch, damit Linda nicht sein leichtes Zittern bemerkte.
„In Ordnung“, sagte er. „Lasst mich nur kurz meinen Kaffee austrinken. Wir sprechen in meinem Laden, da drüben auf der anderen Straßenseite.“ Du lästiger Parasit, fügte William in Gedanken hinzu. Am liebsten hätte er ihn sofort wieder in die Wüste geschickt, zusammen mit dem Unwohlsein, welches nun für den Rest des Tages nicht mehr weichen sollte. Doch er wollte vor Linda keine Diskussion mit ihm anfangen.
„Ich warte dort auf euch, lasst euch nicht zu viel Zeit Priester.“
Der Mann verließ das Restaurant und begab sich vor Williams Geschäft. Linda sah ihm nach, konzentrierte sich dann jedoch wieder auf ihren alten Freund, der ihr mit nachdenklichem Blick gegenübersaß.
„Herr William Eagle! Seit wir uns kennen, frage ich dich immer wieder über deine Vergangenheit. Und das Erste was ich erfahre kommt von irgendeinem dahergelaufenen Geistlichen.“
Sie stand vor ihm, die Hände in die Seiten gestemmt. Um ihrem Gesagten Nachdruck zu verleihen, stampfte sie mit dem rechten Fuß einmal auf – so kräftig, wie es einer zierlichen Person wie ihr möglich war. Wie eine erboste Frau die ihren Gatten zur Rede stellen will, weil er wieder Unfug getrieben hat. Vom Gehweg aus konnte man sie durch das dünne Glas hören, doch in einer Stadt wie Chicago interessierte so was niemanden. Jack schnarchte derweilen leise vor sich hin.
„Tut mir leid Linda. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, werde ich es dir erklären.“
„Ach, und innerhalb von zwanzig Jahren gab es die nicht?“
Er stand auf und trank seinen letzten Schluck Kaffee. Sein Griff war schwach, zittrig und er ließ die Tasse beinahe aus der Hand fallen.
„Entschuldige, aber ich muss nun rüber.“
„Warum … Warum so eilig? Was ist denn los William, hast du Probleme?“
„Keine die sich nicht lösen lassen.“
Sie atmete hörbar aus, beinahe resignierend, doch nur beinahe. „Sehr aussagekräftig. Wer ist das überhaupt?“
„Ein alter Bekannter.“
„Woher bekannt William? Warst du mal Priester, wie er meinte, oder bist du es sogar noch?“
„Das ist alles lange Zeit her. Wir müssen nur etwas klären.“
„Nach 'nur etwas klären' hörte sich das aber nicht an.“
Eigentlich hatte er es nicht eilig mit dem Geistlichen zu reden. Doch je schneller er ging, desto weniger musste er Linda erklären.
„Ich muss nun los. Tut mir wie gesagt leid Lin‘. Heute Mittag werde ich wohl nicht vorbeischauen können. Wir sehen uns in den nächsten Tagen“, sagte er und sah sie dabei nicht einmal mehr an.
„In den nächsten Tagen?“ Sie riss die Augen weit auf. Ihre Stimme klang nicht nur überrascht, sondern auch traurig. „Seit fast zwanzig Jahren besuchst du mein Lokal morgens und mittags, fast ohne Ausnahme. Und kaum kommt so eine seltsame Gestalt vorbei, kannst du tagelang nicht kommen? Was bedeutet das William?“
Er ahnte, dass er keine Zeit mehr haben würde. Und auch wenn er sich nicht sicher war, ging er lieber vom Schlimmsten aus. Das würde bedeuten, dass er endlich Vorbereitungen treffen müsste. Sie hingegen sah sich nun bestätigt in ihren Vermutungen. Irgendetwas Wichtiges verbarg er vor ihr. Etwas das ihn bedrückte und dies seit Wochen. Ihre größte Angst dabei war, dass er in Schwierigkeiten stecken könnte, die gefährlich für ihn waren.
„Später Linda, nun muss ich aber wirklich in meinen Laden, er wartet.“
„Später … und was wird aus dem Picknick?“
„Das machen wir, versprochen. Danke noch mal für das Frühstück.“
Er verschluckte sich fast bei der Antwort, auch wenn er es wirklich glaubte. Allerdings war dies das erste und letzte Versprechen, ihr gegenüber, was er nicht einhalten würde.
„William, du weißt, dass du jederzeit zu mir kommen kannst, wenn du Probleme hast.“
„Ja, das weiß ich, danke.“
Er legte das Geld für sein Frühstück auf den Tisch und begab sich zur Tür. Den Kopf hielt er gesenkt. Er wollte sie nicht mehr ansehen, er konnte nicht mehr. Vor allem konnte er ihr nicht ins Gesicht sehen. Er befürchtete, er würde dann mehr als die eine Träne vergießen, die ihm nun schon im Auge saß.
„Pass auf dich auf William Eagle!“ Am liebsten hätte sie ihn gar nicht gehen lassen. Sie war kurz davor, sich auf ihn zu stürzen und ihn festzuhalten. Aber sie vertraute seinen Worten.
„Einem alten Fuchs wie mir passiert nichts, nur keine Sorgen, wir sehen uns. Mach's gut.“
Doch die machte sie sich, Große sogar. Auch ihr kullerte eine Träne die Wangen hinunter. Es fehlte nicht mehr viel und die Dämme wären bei ihr gebrochen. Es fühlte sich für sie an, als ob dies ein Abschied für immer wäre. Ihr war zumute wie am Sterbebett ihrer Großmutter. So viele Versprechen, was sie noch hätten unternehmen wollen. Und doch raffte sie der Krebs am nächsten Tag endgültig dahin.
Bevor sie noch etwas sagen konnte, schloss sich die Tür hinter William. Linda beobachtete, wie er auf der anderen Straßenseite, zusammen mit dem vermeintlich Geistlichen, seinen Laden betrat.
Sein Geschäft würde sie den ganzen Vormittag im Blick behalten. Sollte er es verlassen, würde sie zu ihm rüber stürmen und ihn zur Rede stellen. Das nahm sie sich zumindest in diesem Moment vor.