Читать книгу KOMPASS - Zürcher Kompetenztraining für Jugendliche mit Autismus-Spektrum-Störungen - Maya Schneebeli - Страница 22
Exekutive Funktionen
ОглавлениеBei den exekutiven Funktionen (Pennington und Ozonoff 1996) geht es um das Lösen von Problemen, um die Fähigkeit zu planen und zielgerichtet zu handeln (von Cramon und von Cramon 2000). »Exekutive Funktionen stellen Denkprozesse höherer Ordnung dar, die für die Verhaltensplanung, -steuerung und -kontrolle entscheidend sind. Sie umfassen: Handlungsplanung, Impulskontrolle, Kontrolle der Aufmerksamkeit und der motorischen Funktionen, Widerstand gegen Störungen, die Unterdrückung (Inhibition) drängender, aber den Handlungsablauf störender Reaktionen sowie Zielgerichtetheit, organisierte Suche und Flexibilität in Denken und Handeln (im Sinne von Generierung neuer Lösungsmöglichkeiten)« (Remschmidt et al. 2006, S. 44).
Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung zeigen Defizite in den exekutiven Funktionen (Verté et al. 2006), die auch bei verschiedenen anderen psychischen Erkrankungen auftreten, wie zum Beispiel bei der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, dem Tourette-Syndrom oder Störungen des Sozialverhaltens (Pennington et al. 1996). Es fehlt ihnen an der ausreichenden Inhibition, um zielgerichtet planen zu können und sich nicht ablenken zu lassen. Diese fehlende Inhibition wird auch bei der Kontrolle von Emotionen sichtbar: Menschen mit einem Asperger-Syndrom zeigen beispielsweise oftmals die Tendenz impulsiv und aggressiv zu reagieren, wenn sie wütend sind. Sie scheinen nicht in der Lage zu sein, erst nach alternativen Verhaltensweisen zu suchen, sondern reagieren häufig sofort mit physischer Gewalt, ohne zu überlegen (Sofronoff et al. 2007). Auch Veränderungsängste, die autismus-typischen Spezialinteressen und das fehlende vorausschauende Denken (z. B. Gefahren erkennen) lassen sich durch eine Störung der exekutiven Funktionen erklären (Ozonoff et al. 1991a; Freitag 2009).
Ein immer wieder benutztes Paradigma, um die exekutiven Funktionen zu erfassen, stellt das Testverfahren Turm von London (Tucha und Lange 2004) dar. Bei diesem Test geht es darum, einen aus verschiedenen Bestandteilen bestehenden Turm nachzubauen, wobei jeder Schritt gut geplant werden muss. Verschiedene Studien, unter anderem die von Manjiviona und Prior (1999), konnten die Schwierigkeiten aufzeigen, die Menschen mit einem Asperger-Syndrom mit dieser Aufgabe haben. Das kognitive Profil im Bereich der exekutiven Funktionen unterscheidet sich innerhalb des autistischen Spektrums nur unwesentlich (Verté et al. 2006): Kinder mit Asperger-Syndrom, High-Functioning-Autismus oder einer nicht näher bezeichneten Entwicklungsstörung weisen im Vergleich zu gesunden Kontrollkindern vor allem Schwierigkeiten mit kognitiver Flexibilität, Handlungsplanung, verbaler Flüssigkeit und Inhibition auf. Diese Erkenntnisse aus der neuropsychologischen Forschung legen Auffälligkeiten im Frontallappen nahe (Baron-Cohen 2004).