Читать книгу Yes We Could - Meike Mittmeyer-Riehl - Страница 21
2.9.2008
ОглавлениеDer erste Tag
Sie beginnen doch irgendwie immer gleich, diese "ersten Tage": Eine (fast) schlaflose Nacht, ein viel zu frühes Aufstehen und nervöses Warten vor der Tür, bis man letztlich den Schritt über die Schwelle wagt hinein in dieses neue, ungewisse Leben. Auch das Gefühl nach so einem ersten Tag ist meist dasselbe: Das Gefühl, etwas geschafft zu haben. So geht es mir jetzt gerade - und es fühlt sich gut an, auch wenn mein Kopf vor Input überquillt…
Einweisung und Presseschau
Das Goethe-Institut in Chicago befindet sich im zweiten Stock eines riesigen Bürokomplexes direkt an der North Michigan Avenue. Als ich um zwanzig vor neun hereinkam, war meine Mit-Praktikantin, die seit einem Monat hier arbeitet, auch gerade erst vor ein paar Minuten angekommen. Sie zeigte mir unseren gemeinsamen Arbeitsplatz in der Lobby, den Lesesaal und die Unterrichtsräume für Sprachkurse. Nach und nach tröpfelten auch die anderen Mitarbeiter herein; ich schüttelte viele Hände und merkte mir so gut es ging alle Gesichter und dazugehörigen Namen. Der Mitarbeiterstamm besteht teils aus Deutschen und teils aus deutschsprechenden Amerikanern. Untereinander sprechen wir im Institut zwar deutsch, aber da es sehr viel Kontakt nach außen hin gibt, ist ein idealer Deutsch-Englisch-Mix garantiert.
Ich erhielt eine kurze Einweisung in meine zukünftige Tätigkeit: Noch ist es im Institut relativ ruhig, da es im Sommer keine Kulturveranstaltungen zu organisieren gibt. Doch schon bald wird sich das ändern - ab Mitte September laufen Sprachkurse, Konzerte, Lesungen, Workshops und so weiter an.
Also begann der heutige sehr ruhige Tag für mich mit der schönen Aufgabe, deutsche Zeitungen zu stempeln, im Lesesaal auszulegen und danach eine Presseschau zu machen. Erst dabei merkte ich, wie sehr sie mir fehlen, die deutschen Zeitungen - die ZEIT, der Spiegel, die Süddeutsche ... allein schon deshalb könnte ich glaube ich nicht für eine noch längere Zeit irgendwo anders leben, wo ich nicht an jedem Kiosk eine FAZ kriege. Ich brauche meine deutschen Zeitungen ;-)
Jedenfalls durchforstete ich die Feuilletonteile der großen Überregionalen nach Artikeln über amerikanische Kultur in Deutschland. Dazu gehören Berichte über amerikanische Künstler, Regisseure, Musiker und mehr. Das gleiche läuft mit amerikanischen Zeitungen, die nach Artikeln über deutsche Kultur durchsucht werden - wobei das zu 99 Prozent eine vergebliche Suche ist, denn die meisten amerikanischen Zeitungen widmen gerade mal eine Seite (!) dem Rest der Welt. Mit dieser Presseschau wollen wir im Institut immer auf dem Laufenden bleiben, was die amerikanische und deutsche Kultur in der öffentlichen Berichterstattung angeht.
Auf einen Kaffee mit dem Chef
Nach etwa einer Stunde kam der Institutsleiter auf mich zu und lud mich auf einen Kaffee in einem kleinen Coffeeshop um die Ecke ein. Im ersten Moment erstarrte ich natürlich - was würde das werden, eine Art Vorstellungsgespräch, ein kleiner Test? Vielleicht war es das, aber das Gespräch verlief sehr locker und angenehm. Wie immer musste ich natürlich erklären, was genau man denn in einem Studiengang namens "Online-Journalismus" lernt und was ich mit diesen Fähigkeiten später mal anfangen möchte.
Die Aufgabe, mir die Homepage des Goethe-Instituts für die Gesamt-USA anzuschauen und Tipps zur Optimierung des Online-Auftritts aufzuschreiben, traf darum natürlich auch genau ins Schwarze. Der Chef gab mir einen Ausblick auf die künftigen Veranstaltungen, in die wir Praktikanten voll eingebunden sein werden - so sehr, dass wir Chicago vielleicht sogar mal für ein Wochenende verlassen müssen, um einen Institutsmitarbeiter auf einen Workshop zu begleiten.
Ein erstes Veranstaltungs-Highlight gibt es an diesem Donnerstag - allerdings nicht im Goethe-Institut, sondern in Lincoln Square, dem "deutschen Viertel" Chicagos. Beim German-American Fest wird mit ein wenig Glück auch Chicagos Bürgermeister Daley auftauchen. Deutsch-Amerikanische Kontaktpflege, städtische Politgrößen und etwas zu Essen gibt es auch noch - was könnte besser sein? ;-)
1. Tag – geschafft!
Um 17.30 Uhr endete dieser große erste Tag; es war ein langer Tag und mein Kopf ist voll von neuen Eindrücken, Namen, Gesichtern und Aufgaben. Obwohl ich geschafft und müde bin, fühle ich mich super und sogar besser als in meiner vergangenen freien Woche hier - ich habe jetzt nicht mehr das Gefühl, in der Luft zu hängen, irgendwo zwischen Touristen-Dasein und ungewisser Zukunft. Ich habe jetzt eine Aufgabe, eine Challenge, und das macht unglaublich glücklich, auch wenn es bestimmt noch anstrengend wird in den nächsten Monaten.
Und noch etwas, das glücklich macht: Mit meiner "Strandbekanntschaft" von gestern stehe ich im Mail-Kontakt, wir werden an einem der nächsten Wochenenden zusammen ausgehen – vielleicht zum Baseball, vielleicht ins Kino. Egal was, es freut mich. Ich bin zwar noch mit vielem nicht vertraut und es wird wahrscheinlich noch sehr viel mehr Neues auf mich zukommen, als ich das jetzt abschätzen kann. Aber ich glaube, so langsam kann ich sagen: Ich bin in Chicago angekommen.
Das Goethe-Institut befindet sich in dem abgeschrägten Gebäude in der Mitte.