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c) Der Sohn offenbart den Vater: Die johanneischen Schriften

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„Jesus sagte: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich. Wenn ihr mich erkannt habt, werdet ihr auch meinen Vater erkennen. Schon jetzt kennt ihr ihn und habt ihn gesehen. Philippus sagte zu ihm: Herr, zeig uns den Vater, das genügt uns. Jesus antwortete ihm: Schon so lange bin ich bei euch, und du hast mich nicht erkannt, Philippus? Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen. Wie kannst du sagen: Zeig uns den Vater? Glaubst du nicht, dass ich im Vater bin und der Vater in mir ist? Die Worte, die ich zu euch sage, habe ich nicht aus mir selbst. Der Vater, der in mir bleibt, vollbringt seine Werke. Glaubt mir doch, dass ich im Vater bin und dass der Vater in mir ist; wenn nicht, glaubt wenigstens aufgrund der Werke! Amen, amen, ich sage euch: Wer an mich glaubt, wird die Werke, die ich vollbringe, auch vollbringen, und er wird noch größere vollbringen, denn ich gehe zum Vater.“ (Joh 14,1 – 13)

Auch wenn das Johannesevangelium und die Johannesbriefe nichts grundsätzlich anderes über Jesus sagen als die übrigen Schriften des Neuen Testaments, so sprechen sie doch ganz anders von ihm. Ihre Gestalt verdankt sich einer Reflexion auf Leben und Geschick Jesu von Nazareth, die als eigene Offenbarungstheologie bezeichnet werden kann. Das durch und an Jesus Geschehene ist als Offenbarung erkannt worden. Und deshalb wird es so überliefert, dass die Texte selbst ihn als den Offenbarer erkennen lassen oder auch ausdrücklich benennen.

Sohn und Vater – Einheit und Unterschiedenheit

Wer Jesus hört, hört den Gott, den Vater. Wer Jesus sieht, wer die Zeichen sieht, die er wirkt, sieht den Vater. In dieser Aussage werden Sohn und Vater so eng miteinander verbunden, dass die Frage nach ihrer Einheit und Unterschiedenheit gestellt werden muss (Theobald/89: 79). Im 5. Jahrhundert wird das Konzil von Chalcedon von den „zwei Naturen“, der menschlichen und der göttlichen, in der einen Person Jesus Christus sprechen (DH 301f.). Doch auch wenn die Konzilsväter damit die Botschaft des Johannesevangeliums zu erfassen suchen – das Konzil spricht die Sprache seiner Zeit, die der Bibel noch vollkommen fremd ist. Die johanneischen Schriften bringen die Einheit des Sohnes mit dem Vater anders zum Ausdruck: In ihrer Sprache ist sie eine Einheit des Willens. Der Sohn will, was der Vater will; er spricht, was der Vater sagen will; er wirkt, was nach dem Willen des Vaters geschehen soll. Solche Übereinstimmung im Willen setzt voraus, dass der Sohn den Willen des Vaters kennt, das zwischen beiden eine enge Vertrautheit lebendig ist. Genau dies benennen die johanneischen Schriften, wenn sie davon sprechen, dass der Sohn „im Vater“, der Vater „im Sohn“ ist. Die Einheit zwischen Vater und Sohn ist die Einheit gegenseitiger und gegenseitig übereinstimmender Liebe. Liebe hebt das Gegenüber der Liebenden nicht auf, sondern sucht und bestätigt es, weil sie als Liebe anders nicht sein könnte (Scholtissek/85: 371).

In seinem Nachdenken über Jesus von Nazareth als den in Einheit mit dem Vater lebenden Sohn geht das Johannesevangelium noch einen entscheidenden Schritt weiter: Was in Jesus von Nazareth offenbar wird, entstand nicht erst in ihm und durch ihn. Es war bereits „im Anfang“ (Joh 1,1). „Wort“ und „Licht“ waren immer schon Wirklichkeiten „bei Gott“, das Wort „war Gott“. So sucht das Johannesevangelium in einer Sprache, die der bereits erwähnten Weisheitstheologie sowie der zeitgenössischen Philosophie entlehnt ist, im Blick auf die Wirklichkeit Gottes zu sagen, was durch Jesus sichtbar wurde (Habermann/68: 135). In Gott sind Vater und Sohn, sind zugleich Einheit und Unterschiedenheit. „Gott ist die Liebe“ (1 Joh 4,8; Langkammer/75: 470 – 473).

Die Einheit von Vater und Sohn wurde bisher als Bedingung der Offenbarung des Vaters durch den Sohn benannt. Nur unter Voraussetzung dieser Einheit kann, wer Jesus sieht, den Vater sehen. Doch diese Einheit ist nicht nur die unabdingbare Voraussetzung der Offenbarung. Sie ist zugleich deren wesentlicher und einziger Inhalt: Die Liebe Gottes, lebendig und wirklich in der Einheit von Vater und Sohn, soll den Menschen offenbar werden (Ritt/ 78). Sie ist die „Wahrheit“ (Joh 8,30 – 47), für die Christus Zeugnis abgibt, sie ist die „Herrlichkeit“ (Joh 2,11), die sichtbar wird, wenn der Vater den Sohn und der Sohn den Vater „verherrlicht“ (Joh 13,31 – 35). In den Selbstzeugnissen, die der Evangelist Jesus in den Mund legt, lässt er den Anspruch erkennen, der für die Glaubenden von der Gestalt Jesu ausgeht: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). Dieses und andere „Ich-bin-Worte“ erinnern bewusst an die Selbstkundgabe Gottes in der Offenbarung seines Namens an Mose und stellen das Auftreten Jesu als solche Selbstkundgabe dar (Stuhlmacher/88: II.228 – 232; Hinrichs/71).

am Kreuz erhöht

Nicht zuletzt vom Tod Jesu gibt das Johannesevangelium ein Zeugnis, das ganz von seiner Theologie geprägt ist. Deshalb unterscheidet es sich, obwohl es unübersehbar das gleiche Geschehen überliefert, deutlich von den Passionsberichten der Synoptiker und der Kreuzestheologie des Paulus. Steht dort die Erniedrigung des Sohnes in einem schmachvollen Tod im Zentrum, scheut sich das Johannesevangelium nicht, von der Kreuzigung als „Erhöhung“ zu sprechen. In seinem Tod am Kreuz verherrlicht der Sohn den Vater (Joh 13,31). Es ist Ausdruck größtmöglicher Liebe, „wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Joh 15,13). Der Tod Jesu ist für das Johannesevangelium Zeichen und Ereignis der nicht zu überbietenden Liebe Gottes zu den Menschen, Offenbarung und Geschenk der Rettung (Stuhlmacher/88: II. 238 – 247).

Sendung des Geistes

Die johanneischen Schriften, die wohl jüngsten des Neuen Testaments, sind zu einer Zeit und in einem Umfeld entstanden, in denen die Hoffnung auf die baldige Wiederkunft Christi nur noch geringe Bedeutung hatte. Der schmerzhafte Umstand, dass Christus den Gemeinden, die Generationen nach ihm leben, nicht unmittelbar präsent ist, findet eine neue Deutung: Der Abschied Jesu von seinen Jüngern ist notwendig, damit sie ihn und in ihm die Wahrheit Gottes überhaupt ganz erkennen können (Schnackenburg/81: 85f.). Die Sendung des Geistes, der die Jünger in die Fülle der Wahrheit einführt, setzt nach Überzeugung des Johannesevangeliums die Erhöhung des Sohnes voraus (Joh 14,15 – 20; 16,4b-15).

„Bleibt in mir“ (Joh 15,4)

So finden sich die in anderen Schriften apokalyptisch zugespitzten Hoffnungen im Evangelium und den Briefen des Johannes in deutlich veränderter Form (Strecker/87: 521 – 523). Die erneute Gemeinschaft mit Christus, aber auch das Gericht ereignen sich in der jeweiligen Gegenwart der Glaubenden. Denn auf den Glauben zielt das Kommen Christi in die Welt, auf den Glauben zielt die Überlieferung des Evangeliums (Schnackenburg/81: 95f.). Der Glaube an die Wahrheit der Liebe Gottes, die in der Welt erschienen ist, rettet die ohne ihn verlorenen Menschen. Nur die Glaubenden sind und wissen sich in die Einheit zwischen Sohn und Vater hineingenommen (Scholtissek/85: 376 f.). Der Unglaube dagegen richtet sich selbst, indem er diese Lebensmöglichkeit zurückweist (Joh 3,17 – 21). Dass die Glaubenden tatsächlich in dieser Einheit leben, wird sich und muss sich in ihrem Handeln erweisen: Das Liebesgebot steht in unmittelbarer Verbindung mit der Aufforderung zum Glauben. Zur Erfüllung dieses Gebotes sind die Glaubenden in der Lage, weil sie sich als Geliebte wissen (1 Joh 4,7 – 16). Doch der Glaube ist nicht allein Entscheidung der zu ihm gerufenen Menschen. Auch für die johanneischen Schriften gilt: nur die von Gott dazu Befähigten können die Offenbarung der Wahrheit in Christus erkennen, nur sie finden zum Glauben (Joh 10,25 – 29;17,24). Wo aber Menschen zum Glauben finden, werden sie selbst Werke tun, in denen und durch die Gott wirkt und offenbar wird (Hahn/69: 133 – 141).

Einführung in die Theologie der Offenbarung

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