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4. Bestimmtheit und Entzug

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begrenzte Erkenntnis

Die Zusammenstellung biblischer Aussagen zur Erfahrbarkeit Gottes begann mit dem strengen Hinweis des Buches Exodus auf die Unmöglichkeit einer unmittelbaren Gottesschau. Die Auslegung führte zu der These, dass alle menschliche Gotteserfahrung ambivalent ist, dass jede Enthüllung auch Verhüllung, jede Offenbarung auch Verborgenheit bedeutet (Hahn/70: 143 – 146). Sie scheint der mittlerweile entfalteten Klarheit und Bestimmtheit biblischer Gottesrede direkt zu widersprechen. Denn muss nicht, wenn man die Begrenztheit menschlicher Einsicht in die Wirklichkeit Gottes ernst nimmt, jede inhaltlich bestimmte und festgelegte Rede von Gott mit einem Vorbehalt versehen werden? Muss sie nicht damit rechnen, dass Gott auch noch ganz anders sein könnte, mit einer neuen alle früheren Offenbarungen Lügen strafen könnte?

festgehaltener Glaube

Die biblischen Texte ziehen diese Konsequenz ausdrücklich nicht. Wie sich zeigte, halten sie auch in Situationen, in denen Gott fern und untätig scheint, an dem Vertrauen fest, dass Gott dennoch nah ist (Kraus/51: 47; Sauter/244: 37 – 43). In Gebet und Klage behaften sie ihn bei seinen Verheißungen, verpflichten sie ihn auf seine zugesagte Treue.

Gerade hier zeigt sich aber auch das Ineins von Offenbarsein und Verborgenheit: Der direkte Blick auf den als Retter angerufenen Gott ist für die Beter verstellt durch die konkrete Situation, in der sie leben. Das auf den oft zu frühen Tod zulaufende Dasein des Menschen; die engen Grenzen seiner Kraft und Fähigkeiten; die dem Menschen immer wieder feindliche Natur; die so schwierige Welt menschlichen Zusammenlebens: All diese Erfahrungen stehen im Widerspruch zu der erhofften Welt, in der Gott seinen Heilswillen durchsetzt und sich darin unverhüllt zeigt (Knieriem/50: 230 – 234; Eckert/ 66: 344; Hahn/70: 157f.). In der faktisch bestehenden Welt auf ihn zu bauen, bleibt ein Wagnis. Wer aber den biblischen Aussagen in diesem Wagnis folgt, wird diese Begrenzungen menschlichen Lebens, soweit sie nicht durch menschliche Schuld verdunkelt sind, als von Gott offenbar so gewollte Bedingungen ansehen. Gott selbst stellte Mose in den Felsspalt und schützte ihn vor der direkten Gottesschau – damit er am Leben bleiben konnte. So sehr die scheinbare Gottesferne Quelle des Leidens ist, sie ist nach diesen Aussagen Möglichkeitsbedingung menschlichen Lebens auf dieser Erde und des Glaubens an Gott.

erhoffte Klarheit

Gleichwohl kennt die Bibel die Hoffnung, dass Gott „die Hülle, die alle Nationen verhüllt, und die Decke, die alle Völker bedeckt“ einmal zerreißen wird (Jes 25,7). Für Paulus verhindert die über Israel liegende Hülle, dass das ganze Volk Christus erkennt. „Sobald sich aber einer dem Herrn zuwendet, wird die Hülle entfernt“ (2 Kor 3,16). Doch Paulus weiß darum, dass auch den Christen der Blick auf die Herrlichkeit Gottes noch nicht unverstellt möglich ist, er hofft auf die vollständige Offenbarung am Ende der Zeit: „Jetzt erkenne ich unvollkommen, dann aber werde ich durch und durch erkennen, so wie ich auch durch und durch erkannt bin“ (1 Kor 13,12). Unter den Bedingungen der so erhofften Endzeit wird ein Gegenüber von Gott und Menschen möglich sein, das zur gegenwärtigen Zeit um der Menschen willen noch nicht sein soll.

Offenbarungstheologisches Denken wird die von den biblischen Texten vorgestellte Spannung beachten müssen. Auf die Bestimmtheit der biblischen Gottesrede verpflichtet, darf es den Abgrund, der die irdische Wirklichkeit des Menschen von der Herrlichkeit Gottes trennt, nicht verdecken.

Einführung in die Theologie der Offenbarung

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