Читать книгу Einführung in die Theologie der Offenbarung - Michael Bongardt - Страница 31
c) Geschenk und Entscheidung
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„Sei nicht ungläubig, sondern gläubig“ (Joh 20,27). Dieser Aufforderung des Auferstandenen an den so genannten „ungläubigen Thomas“ ließen sich zahlreiche ähnliche Texte der Bibel zur Seite stellen. Die Aufforderung zum Glauben, zur Anerkennung Gottes, zum Handeln nach seinem Wort begleitet das biblische Zeugnis vom Willen und Wirken Gottes. Berichtet wird von Menschen, die dieser Aufforderung folgten.
Unfähigkeit
Doch dieser optimistischen Einschätzung, dass Menschen fähig sind, ein Geschehen als an sie gerichtete Offenbarung zu erkennen und es im Glauben zu beantworten, steht eine mindestens ebenso breite andere Erfahrung entgegen. Groß ist die Zahl der Menschen, die der Weisung Gottes nicht folgen. Viele erkennen die Propheten, durch die er spricht, nicht an. Aus Gottes auserwähltem Volk sind nur wenige willens und fähig, Jesus von Nazareth als den Christus zu erkennen und zu glauben. Aus dieser Erfahrung wächst die Auffassung, dass die Entscheidung zum Glauben die Kräfte der Menschen übersteigt. So stellen die Propheten (Ez 36,27), die Evangelisten (Mk 4,12) und nicht zuletzt Paulus (1 Kor 2,10) heraus, dass Gott die Menschen zuallererst in die Lage versetzen muss, den Schritt in den Glauben zu vollziehen. Der Geist Gottes wird als die Kraft benannt, die die Menschen zum Glauben bewegen muss, soll es zum Glauben überhaupt kommen.
Ihren rätselhaftesten Ausdruck findet die Überzeugung von der notwendigen Hilfe Gottes zum Glauben des Menschen in der Rede von der „Verstockung“. Sie findet sich besonders prägnant im Sendungsbefehl an den Propheten Jesaja:
„Verstockung“
„Geh und sag diesem Volk: Hören sollt ihr, hören, aber nicht verstehen. Sehen sollt ihr, aber nicht erkennen. Verhärte das Herz dieses Volkes, verstopf ihm die Ohren, verkleb ihm die Augen, damit es mit seinen Augen nicht sieht und mit seinen Ohren nicht hört, damit sein Herz nicht zur Einsicht kommt und sich nicht bekehrt und nicht geheilt wird.“ (Jes 6,9f.)
Paulus greift auf dieses Motiv zurück, wenn er die für ihn so schmerzliche Tatsache, dass die meisten Juden sein Christusbekenntnis nicht annehmen, theologisch zu deuten versucht (Röm 11,25). Nicht auf Israel, sondern auf den Pharao bezogen, findet sich das Motiv von der von Gott bewirkten Verstockung vor dem Auszug aus Ägypten (Ex 7,3; Walkenhorst/44: 386 – 391). Die Uneinsichtigkeit, der Ungehorsam und der Unglaube von Menschen werden hier nicht lediglich auf eine fehlende Hilfe Gottes zurückgeführt, sondern auf dessen aktiv verhinderndes Eingreifen. Eine solche Deutung der faktischen Ablehnung prophetischer Zeichen und Reden entspricht der biblischen Überzeugung, dass Gott Herr allen Geschehens, also auch des Unglaubens ist. Doch führt sie zugleich in schwerwiegende Fragen: Ist Gott also verantwortlich für das Unheil, das nach einhelliger Überzeugung der biblischen Autoren Frucht des Unglaubens ist? Besteht nicht ein empörender Widerspruch, wenn Gott geschildert wird als strafender Richter des Unglaubens, den er selbst bewirkt hat? Welchen Sinn haben die Aufforderungen zum Glauben, wenn es außerhalb der Möglichkeiten des Menschen liegt, ihnen zu folgen?
Je deutlicher wird, dass Gottes Offenbarung nicht nur auf die glaubende Antwort zielt, sondern nur unter der Voraussetzung des Glaubens als solche erkannt wird, desto wichtiger wird es, den Akt des Glaubens näher zu bestimmen: Verdankt er sich einer Entscheidung des Menschen oder ist er ein Werk Gottes im Menschen?