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Kapitel 12 Der Kampf der Trägerschiffe

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Die beiden Träger ähnelten sich sehr. Beide erinnerten in ihrer Form an flache Ziegelsteine. An ihren Flanken entlang verliefen die langen Triebwerksschächte, mit ihren Bug- und Heckanlagen. Dazwischen befand sich das, was man, in Anlehnung an die klassischen Flugzeugträger, aus Tradition das Flugdeck nannte. In Wirklichkeit ein großer Hangar, zum Weltraum permanent offen, in dem sich die Jagdmaschinen der Yorktown und der Moskva befanden.

Zwölf Raumjäger, mit ihrem Zubehör an Wartungs- und Versorgungssystemen, benötigten viel Raum. Somit waren die Flugdecks und die Träger fast 120 Meter lang. Natürlich hätten die “Bodenmannschaften” der Träger lieber ohne Raumanzüge gearbeitet, aber man besaß einfach nicht genügend Luftkapazität, um ein Flugdeck, für Start oder Landungen, luftleer zu pumpen und wieder mit Luft zu füllen.

Die bauchigen Unterseiten der Träger beherbergten die Versorgungssysteme, die Quartiere, die Freizeiträume und was zum Leben und Überleben der Besatzung erforderlich war. Der obere Teil des Flugdecks war gepanzert. Ein als notwendig erachteter Aufwand. Ein heimkehrender Jäger konnte nicht einfach in den Hangar einfliegen. Eine falsche Kurskorrektur hätte katastrophale Folgen haben können. So schwebten die Jäger zur Landung auf das obere Flugdeck hinunter, auf farblich markierte Bereiche. Schnappten dann die magnetischen Verriegelungen ein, fuhren die “Bodenplatten” in das Flugdeck hinunter, und die Maschine wurde auf ihren Standplatz gebracht. Der Aufzug fuhr dann wieder nach oben und schloss das Deck.

Das Einzige, was sich über dem Flugdeck erhob, war die hohe Kommandobrücke mit dem großen Radardom. Auch hier war man, eher traditionell als notwendigerweise, der seitlichen Bauweise gefolgt.

An Bug und Heck des panamerikanischen Trägers befanden sich zwei Drehtürme, mit Raketenstartern und HE-Lasern. Ein dritter Turm befand sich an der Unterseite. Die russische Moskva war ähnlich bewaffnet, besaß einen Turm weniger, aber an ihren Flanken jeweils eine Gatling-Kanone.

Die beiden Träger hatten den Marsorbit fast erreicht und bremsten inzwischen mit vollem Gegenschub ab. In den Flugdecks herrschte quirlige Aktivität, als die Bodenmannschaften die Raumjäger einsatzbereit machten. Die Besatzungen waren nervös. Der Bericht der fehlgeschlagenen Mars-Expedition war verheerend gewesen.

Die Kommandanten hielten mit ihren Offizieren eine gemeinsame Videokonferenz ab, denn keiner besaß praktische Erfahrungen in einem Raumgefecht. Für beide war es ein eigenartiges Gefühl, mit Jemandem, den man Wochen zuvor noch mit einer gewissen Rivalität betrachtet hatte, plötzlich als engsten Freund und Verbündeten zu sehen.

Auf den Flugdecks durchbrach kein Laut die Stille, da das Medium der Luft fehlte, die den Schall geleitet hätte. Dennoch klangen Geräusche der Startvorbereitungen durch die Träger. Die Erschütterungen, wenn Gegenstände zu Boden fielen oder verschoben wurden, pflanzten sich durch das Metall fort und erzeugten, in den luftgefüllten Kammern der Schiffe, die typischen Laute der Startvorbereitungen.

“Yankee-Home von Yankee-One! Geschwader ist bereit zum Start. Erbitte Freigabe für Abflug.” Captain Tim O´Donnel sprach äußerlich ruhig in sein Helm-Com. Innerlich war er wohl ebenso aufgeregt, wie die anderen Männer und Frauen an Bord der Yorktown.

Yankee-One von Yankee-Home! Starterlaubnis”, gab der Flugoffizier des Trägers durch und ließ eine private Anmerkung folgen. “Verbrennt den Säcken den Arsch.”

“Roger, Yankee-Home”, bestätigte Tim.

Sein Jäger, eine F-41C, wurde von einem Magnetschlitten nach vorne katapultiert. Als der Jäger die Einfassung des Flugdecks verließ, schalteten die Magnete ab und Yankee-One löste sich von der Yorktown. Innerhalb von Sekunden hatte O´Donnel mehrere Kilometer Abstand und zündete die Triebwerke. Auf dem Monitor sah er die anderen elf Maschinen des Geschwaders, die in Sekundenabständen aus dem Flugdeck schnellten.

Yankee-Boy an Yankee-One! Scheren aus. Viel Glück und heiße Düsen.” Zwei der Jäger begannen den Träger in weiten Kreisen zu umrunden. Sie würden ihn vor unliebsamen Besuchern schützen.

Tim sah die Maschinen des russischen Trägers heraneilen. Die Russen hatten drei Maschinen mehr in ihren Hangars. Er hätte sich in diesem Moment gewünscht, auch die panamerikanischen Träger würden fünfzehn Maschinen aufnehmen können. Seltsam, der russische Träger war kleiner, die mussten dort die Dinger übereinander stapeln.

Tim prüfte routinemäßig die Kontrollen seiner beiden Kanonen. Jede F-41C trug zwei Gatlings an den kurzen Tragflächen. Sie waren für den Jägereinsatz sinnvoller, als die Laserwaffen größerer Schiffe. Ein Jäger hatte keinen Drehturm und musste mit dem ganzen Rumpf über den Bug zielen. Ein Laser feuerte zu Punktgenau und man riskierte, den Feind zu verfehlen. Die Gatlings waren mit ihren Exzentern hingegen auf Streuung eingerichtet. Der Hagel von 2000 Geschossen pro Minute wirkte dabei wie ein Schrotschuss.

“Teure Schüsse”, wie Tim grinsend dachte.

Im Prinzip waren die Kanonen dieselben, die man auf der Erde benutzte. Aber die Munition war etwas ganz Besonderes. Jedes im Raum abgefeuerte Geschoß verfügte über einen Distanzzünder. Nach einer bestimmten Strecke vernichtete sich das Projektil selbst. Wer an die Wirkung von Raumschrott dachte, konnte sich den Grund gut vorstellen. Theoretisch konnte man ein Geschoß in den freien Raum abfeuern und es könnte Jahrtausendelang durch den Raum rasen, um, irgendwann, ein Ziel zu treffen und dann zu explodieren. Wäre schon verdammt peinlich, bei einem Raummanöver in das eigene Geschoß zu rasen. Zusätzlich verfügten die Jäger noch über vier kleine Raketen unter den Flächen. Es waren intelligente Systeme, die auf elektronische Kennungen, optische Profile oder Wärme programmiert werden konnten.

“Yankee-Leader von Mos-One! Sind an Ihrer Flanke”, klang der schwere russische Akzent des Geschwaderführers der Moskva an sein Ohr.

Tim bestätigte, dann hielten die vereinigten Geschwader Funkstille. Es war militärische Gewohnheit, geboren aus der Erfahrung, dass ein Gegner eventuell Funksignale orten und sogar auswerten könnte.

Er blickte durch die Cockpithaube seines Jägers. Sie war ebenso ungewöhnlich, wie der Jäger selbst. Die für den Weltraumeinsatz konzipierten Maschinen brauchten nicht den aerodynamischen Anforderungen der atmosphäregebundenen Flugzeuge zu folgen. Die panamerikanische F-41C glich einem kurzen und plumpen Pfeil. An der Spitze befand sich eine Verdickung, in Form einer Kugel. In ihr waren die Düsen der Lagekorrektur-Triebwerke untergebracht. Zusammen mit ähnlichen Düsen, an den “Tragflächen” des Jägers, verliehen sie ihm eine hohe Manövrierfähigkeit.

Etwa in der Mitte des “Pfeils” befand sich das Cockpit. Es war nur teilweise als geschlossene Kanzel ausgelegt. Die „Windschutzscheibe“ diente eigentlich nur der Projektion der dortigen Displays. Es gab keine geschlossene und mit Atemluft gefüllte Kanzel. Der Pilot trug einen Raumanzug, der noch immer relativ unhandlich und plump war. Er klinkte seine Versorgungsschläuche in die Versorgungssysteme des Jägers ein und sparte somit die Vorräte des Anzugs. Eine sehr klägliche Reserve, falls man doch einmal aussteigen musste, und die Suchmannschaften in ihrem Shuttle die Position nicht kannten.

Am Ende der F-41C ragte das klassische Seitenleitwerk auf. Doch diente es hier als Verankerung für den runden Radardom.

Was an die atmosphärischen Jäger erinnerte, waren die Tragflächen. Sie setzten dicht hinter dem Bug des Rumpfes an und endeten am Heck. Von oben sah der Jäger daher wie ein relativ stumpfes Dreieck aus. In diesen Tragflächen waren die Tanks für Plasma und Sauerstoff montiert. Die Enden der Flächen waren nach unten abgewinkelt und mit Kufen versehen. Auf ihnen stand der Jäger im Ruhezustand.

Tim O´Donnel sah in den Rückspiegel. Eigentlich einen Monitor, der ihm das Bild der Heckkamera zeigte. Die beiden Träger waren kaum noch zu erkennen. In wenigen Minuten würden sie nur noch auf dem Radarbild zu sehen sein.

Der Pilot blickte kurz zu den Seiten. An seinen “Schwingen” rasten die anderen Jäger dahin. Er musste kurz lächeln. Trotz der Weiten des Weltraums war es eine typische Angewohnheit der Piloten, in enger Formation zu fliegen. Am Seitenleitwerk der rechts fliegenden F-41C erkannte er sogar das Symbol des “Uncle Sam”, der den Namen des Geschwaders “Yankee” symbolisierte. Die links fliegende Maschine war von der Moskva. Auf der Fahne der russischen Föderation war ein nach vorne weisendes Schwert aufgemalt.

Erneut grinste der Amerikaner irischer Abstammung. Da nannte man sich Raumfahrer, aber man fuhr nicht durch den Raum, sonder man durchflog ihn. Warum nannte man die Raumfahrer dann nicht Raumflieger?

“Indianer!” Die aufgeregte Stimme gehörte dem jüngsten Piloten des Yankee-Geschwaders.

O´Donnel blickte auf seinen Radarmonitor, konnte jedoch nichts erkennen. “Yankee-Nine von Yankee-One. Wo hast du die Burschen gesehen? Mein Monitor ist leer.”

Was Tim nicht unbedingt verwunderte. Es war ein altbewährtes Mittel, das Radar des Feindes zu stören. Indianer ... Dieses Wort war für die einstige US-Kavallerie das Synonym für „Feind“ gewesen. Zu jener längst vergangenen Zeit, als man dem Gegner noch mit Trompetengeschmetter und gezogenem Säbel entgegen ritt. Obwohl die Verwendung des Wortes, zumindest als Identifikation eines Feindes, politisch absolut unkorrekt war, hatte es sich bei den Jägerpiloten gehalten. Selbst Tims Kamerad Tom Lightfoot benutzte diesen Begriff, und der war immerhin ein reinblütiger Mohawk-Indianer.

“Ich habe eben, unmittelbar an der Planetenkrümmung des Mars, ein seltsames, bläuliches Leuchten gesehen”, meldete Yankee-Nine aufgeregt.

Tim nahm die anwachsende Planetenkrümmung genauer in Augenschein. Er konnte nichts erkennen. Weder auf dem Monitor, noch mit dem bloßen Auge. Obwohl ... ja, da war etwas. Ein bläuliches Flimmern. War das nur ein Lichtreflex oder...

Tim O´Donnel spürte den Druck und sah den hellen Lichtschein, dann schossen Teile des neben ihm explodierten F-41C in alle Richtungen. Sein eigener Jäger wurde aus dem Kurs geschleudert, wirbelte über den seitlich fliegenden russischen Jäger hinweg. Vor Tims Augen flammten zwei rote Lämpchen auf. Jene kleinen Lichter, die nicht umsonst als Panikleuchten bezeichnet wurden. Tim O´Donnel hatte bei der UNO-Polizeiaktion über Miramar im Feuer gestanden und geriet nicht in Panik.

“Mist”, fluchte er halblaut und befahl den vereinten Geschwadern instinktiv, sofort auszuschwärmen, während er mit geübten Griffen den getroffenen Treibstofftank versiegelte und, nach kurzem Blick aus dem Cockpit, feststellte, das Teile des explodierten Jägers den Rumpf seiner eigenen Maschine getroffen hatten.

Verdammt, er sah jetzt schon aus wie ein Schweizer Käse und hatte noch keinen einzigen Schuss abgefeuert. Worauf auch?

Aber dann sah er sie. Die von blauem Leuchten umgebenen Fünfzacke waren in ihrer fremdartigen Form sicher unverwechselbar.

Er registrierte einige dieser Objekte vor seinem Bug, drückte automatisch auf den Auslöser der Gatlingkanonen. Es sah aus, als würden seine Waffen Laserblitze verschießen, aber das lag nur an der rasenden Folge der Geschosse, von denen jedes vierte Leuchtspur war. O´Donnel glaubte nicht, dass er etwas getroffen hatte. Die Bewegungen, rings um ihn herum, erfolgten zu rasch.

Sein Kommunikationskanal schwirrte von Funksprüchen, seine Blicke hasteten über die Displays und versuchten zugleich, den Raum um ihn herum zu erfassen. Er sah violette Flammenzungen und die weißen Spuren der Leuchtspurgeschosse. Dazwischen blühte ab und zu ein Feuerball auf.

Verdammt, schon die Gefechte innerhalb einer Atmosphäre liefen rasend schnell ab. Zumindest, wenn sich Maschinen mit Mach 1 oder 2 einander näherten. Hier war das Tempo noch höher, und das war eines der grundlegenden Probleme im Raumkampf. Die Piloten hatten es gegeneinander trainiert und wussten, dass es nur dann eine gute Chance gab, auch etwas zu treffen, wenn man das Ziel direkt anflog. Daher beunruhigten Tim O´Donnel die Flammenzungen und Geschoßspuren nicht sonderlich. Er würde erst dann anfangen, sich sehr ernsthafte Sorgen zu machen, wenn sich eine zielsuchende Rakete an das Heck seines Babys hing.

“Ich hab einen!” Der triumphierende Schrei eines Geschwaderkameraden drang über den Helmfunk.

Wieder sah der Pilot einen Fünfzack vor sich auftauchen und diesmal hatte er Glück. Er flog direkt auf den Unbekannten zu, holte sogar auf. Tim löste zwei Raketen aus und drückte auf den Feuerknopf der Gatlings. Er fühlte die leichten Erschütterungen seiner Maschine, als sich, in dem kurzen Feuerstoß, ein paar Tausend Geschosse aus den rotierenden Läufen lösten.

Zum ersten Mal sah Tim eine Feindmaschine etwas genauer. Von hinten wirkte das Objekt fast Diskusförmig. Ein blaues Licht schien das Objekt einzuhüllen. Tim sah seine Geschosse einschlagen, sah in dem blauen Leuchten helle Blitze aufglühen.

Der Gegner bremste derart abrupt, dass Tim Mühe hatte, nicht mit ihm zusammenzuprallen. Seine Raketen verfehlten ihr Ziel, flogen daran vorbei und begannen mit ihrem Wendemanöver, um es erneut zu erfassen.

Das feindliche Objekt besaß auf der Oberseite eine Ausbuchtung. Tim vermutete darin das Cockpit. Irgendwo musste der Pilot ja sitzen, und der sehr flache Fünfzack hatte nicht mehr als sechs Meter Durchmesser. Verflucht klein, wie Tim sich dachte. Die Kanzel schien vorne rund zu sein und lief hinten spitz zu. Jedenfalls vermutete Tim, aufgrund der Flugrichtung, dass jenes runde Teil vorne war.

Plötzlich sah er nicht auf die Spitze, sondern auf diese Rundung. Tim staunte, wie sich das Objekt, innerhalb von Sekundenbruchteilen, derart drehen konnte. Violettes Feuer griff nach seinem Jäger.

Im Reflex riss O´Donnel seine F-41C zur Seite.

“Shib”, fluchte er abermals, als ein erneuter Ruck durch seinen Jäger ging, und eine ganze Reihe von roten Lichtern blitzte. Er war an der Feindmaschine vorbei, hatte sie jetzt in seinem Nacken, und versuchte einen hektischen Zickzack-Kurs.

Was machten seine abgefeuerten Raketen? Shib, wo waren die lahmen Mistdinger?

Auf dem Monitor sah er sie herankommen, redlich bemüht, die Feindmaschine einzuholen. Tim wollte gerade aufatmen, als die Entfernungszünder die Raketen, nach Ablauf der Sicherheitsstrecke, zur Explosion brachten.

“Shib!”, schrie Tim auf.

Eine violette Feuerzunge strich an seiner Maschine vorbei.

Tim löste seine letzten beiden Raketen aus. Gehorsam glitten sie unter den Tragflächen nach vorne, wendeten und rasten dem Fünfzack entgegen.

Vielleicht kannten die Fremden so etwas nicht. Jedenfalls wich der Bursche nicht aus. Beide Raketen trafen das sternförmige Feindschiff. Tim wusste nicht, welche von ihnen es war, aber er stieß unwillkürlich ein Freudengeheul aus, als der fünfzackige Todesbote plötzlich, in einem Schauer von Feuer und Trümmern, auseinanderplatzte.

Tim O´Donnel zog die beschädigte F-41C herum, hatte Zeit, sich wieder um die Wortfetzen im Funkkanal zu kümmern. Was er hörte, war nicht gerade ermutigend. Aufgeregte Stimmen überschlugen sich, einige der russischen Piloten waren, in der Hektik des Kampfes, in ihre Muttersprache verfallen.

Auf dem Radardisplay sah Tim sechs, nein sieben eigene Maschinen, doch keine Echos vom Gegner, obwohl dessen violettes Feuer unübersehbar war. Die fremden Flugobjekte schienen vom Radar nicht erfasst zu werden.

Das durfte doch nicht wahr sein. Fünfzehn eigene Maschinen hatten die Geschwader bereits verloren. Noch immer rasten jede Menge Aliens durch den Raum, und die wenigsten eigenen Piloten hatten noch Raketen verfügbar.

“Zu den Trägern! zu den Trägern!”, hörte er den russischen Akzent von Mos-One. “Tschort wos mi”, ergänzte ein eindeutiger Fluch.

Ja, der Teufel sollte es holen. Er würde sie alle holen, wenn den Trägern etwas zustieß. Tim blickte auf die Sauerstoffanzeige. Für zwei Stunden reichte sein Vorrat an Atemluft noch. Wenn sie ihre Tankstelle nicht mehr vorfanden, dann brauchte sich der Gegner nicht einmal mehr um sie zu kümmern.

Sein Jäger raste auf die Position der Träger zu, flog immer wieder Ausweichmanöver, flankiert von freundlichen und feindlichen Maschinen. Tim hatte das unangenehme Empfinden, dass der Gegner mit ihnen spielte. Der Feind war schneller, wesentlich schneller als die irdischen Maschinen.

Von der Position der Träger näherten sich vier freundliche Radarechos, kamen unter vollem Schub näher, und lösten aus maximaler Entfernung ihre zielsuchenden Raketen aus. O´Donnel hoffte, das die Freund-Feind-Kennungen der Raketen funktionierten und sie ein paar der Bastarde erwischten.

Über den Funkt kam der zufriedene Aufschrei eines russischen Kameraden. Tim sah im Bild der Heckkamera Feuerbälle hinter sich und musste sich beherrschen, um nicht ebenfalls zu schreien. Ja, ja, da hatte es ein paar dieser Stinker erwischt.

Die Reste des vereinten Geschwaders rasten an den einschwenkenden Jägern der Trägereskorte vorbei. Tim registrierte fluchend, wie zwei der Jäger, noch in der Wende, vom Gegner eingeholt und vernichtet wurden. Dann war er über der Moskva, sah hinter dieser die Yorktown und deren eingeschwenkte Geschütze. Der Träger wandte dem Feind die Flanke zu, so dass er beide Oberdecksgeschütze und den unteren Turm einsetzen konnte.

Dann blitzten die Waffen der beiden Träger auf. Tim sah die kurz aufzuckenden Strahlen der HE-Laser, die leuchtenden Flammenpunkte, mit denen sich die größeren Raketen der großen Schiffe auf den Weg machten.

Hinter der Yorktown sammelte sich das schwer angeschlagene Geschwader der panamerikanischen und russischen Jäger. Die Piloten sahen mit grimmigen Gesichtern, wie das schwere Feuer der Träger beim Feind einschlug. Einige der Fünfzacke wurden vernichtet, doch noch immer waren es ein paar Dutzend, die, durch das Feuer hindurch, auf Yorktown und Moskva zueilten.

Das Geschwader büßte drei der verbliebenen Maschinen ein. Nicht durch ihre Zerstörung, sondern weil die Jäger keine Munition mehr hatten. Sie flogen das Flugdeck des russischen Trägers an, was im Gefecht nicht ohne Risiko war, doch was blieb ihnen übrig? Ohne Munition konnten sie nicht kämpfen.

Tim O´Donnel sah entsetzt, wie mehrere Treffer die Moskva erschütterten. Ihr oberer Radardom zerbarst, Teile der Radarschüssel flogen durch den Raum. Eine violette Strahlbahn schlug gegen das gepanzerte Oberdeck, durchschlug es. Tim meinte für eine Sekunde, eine Explosion in dem russischen Träger zu beobachten.

Tim und seine Kameraden verstärkten mit ihrem eigenen Feuer das der Yorktown, als die Feindmaschinen die Moskva passierten und nun den panamerikanischen Träger angriffen. Der russische Träger stellte das Feuer ein. Der Feind war zwischen ihm und dem Panamerikaner, sein Feuer hätte die Yorktown gefährdet.

Die nächsten Minuten rasten an den Piloten vorbei. Sie kämpften, fluchten, schrien und Drei von ihnen starben.

Mit ihnen litt die Yorktown.

Tom Lightfoot berichtete später, er habe drei Feindmaschinen erkennen können, die, direkt von vorne, in das offene Flugdeck des Trägers feuern. Sie trafen wohl die Bereitschaftsmunition, einen Tank oder etwas Ähnliches. Das Flugdeck barst auseinander, für Sekunden sprühte Feuer aus dem Trägerschiff. Die linke Triebwerkseinheit löste sich in Einzelteile auf. Einer der Piloten sah den abgerissenen unteren Gefechtsturm davon wirbeln. Entsetzte Stimmen tönten über den Funkkanal, O´Donnel staunte, das der hintere Gefechtsturm noch feuerte.

Erneute Treffer erschütterten das Schiff und Tim musste hilflos zusehen. Reflexartig drückte er die Auslöser der Bordkanonen, aber die großen Magazintrommeln waren leer.

Dann verstummte das Feuer des Trägers.

Tim schloss für einen kurzen Moment die Augen, dachte resigniert daran, dass dies nun das Ende war.

Als er wieder zu dem aufgerissenen Rumpf der Yorktown sah, blitzte dort Feuer. Trotz schwerer Schäden hatte sich die Moskva zur Seite manövriert, um ihre schweren Türme wieder ins Gefecht zu bringen. Die Russen mussten ein Wunder vollbracht haben, denn auch die drei gelandeten Jäger waren wieder frisch aufmunitioniert.

Wahrscheinlich hätten die Aliens es dennoch geschafft, die Streitmacht der Menschen endgültig zu vernichten, aber die fünfzackigen Todessterne verschwanden plötzlich rasend schnell in Richtung Mars.

Es dauerte einen Moment, bis Tim O´Donnel sich ausreichend gesammelt hatte, um auf die einlaufenden Funksprüche zu regieren.

“Hier ist Moskva-Flugleitung. An alle Maschinen, an alle Maschinen: Landen Sie auf dem Flugdeck, um rasch neu betankt und aufmunitioniert zu werden. Alle Maschinen, kommen Sie nach Hause.”

Nach Hause.

Tims Heim war nicht mehr.

Während er auf den russischen Träger zusteuerte, blickte er zur Yorktown hinüber. Der größte Teil ihres Rumpfes war zerstört. Nur ein Teil des Flugdecks hing noch mit der rechten Triebwerkseinheit und dem Kommandoturm zusammen. Mit Schaudern dachte der Pilot daran, dass in diesem Wrack noch Menschen leben mochten und Hilfe benötigten. Aber er musste akzeptieren, dass dies nicht möglich war. Es gab keine Shuttles, mit denen man hinüberfliegen konnte. Die Russen hatten keines an Bord. Wie sollte man die Leute aus der Yorktown herausholen?

Tim schluchzte auf, als sein Jäger, etwas unsicher, auf der Moskva aufsetzte. Er sah das gezackte Einschussloch im Oberdeck des Trägers. Nur die Tatsache, dass der Hangar luftleer war, hatte das Schiff wohl vor einem verheerenden Brand bewahrt.

Auch hier gab es die farbigen Markierungen der Aufzüge. Aber keine der gelandeten Maschinen wurde in das Flugdeck herunter geholt. Tim sah, wie sich zwei kleine Schleusenluken im Oberdeck öffneten. Männer und Frauen, mit Schläuchen und Kästen bepackt, eilten zu den Jägern.

Einer von ihnen klopfte an den Rumpf von Tims Jäger. Der Pilot sah die Gestalt Zeichen geben und verstand. Er wechselte die Frequenz seines Funkgerätes.

“...werden sich leider auf ein paar Unbequemlichkeiten einrichten müssen”, hörte er mit russischem Akzent. “Unser Flugdeck ist schwer getroffen, wir haben teilweisen Energieausfall. Wir versorgen die Maschinen hier oben. Folgen Sie den anderen Piloten in den Atmosphäreteil.”

O´Donnel stöpselte sich aus der Bordversorgung des Jägers, schaltete auf die innere Versorgung des Anzugs um, und kletterte aus seinem Cockpit. Seine magnetischen Sohlen hafteten auf dem Oberdeck des Trägers. Mit dem typischen Schritt eines Raumfahrers unter Schwerelosigkeit, schlurfte er auf eine der Luken zu.

Als er die Gesichter der Kameraden sah, ahnte er, wie er selbst wohl aussehen musste. Erschöpft, mit rotgeränderten Augen und dicht vor der Resignation. Voller Trauer um die toten Kameraden und Kameradinnen der Yorktown.

“Und der Moskva”, dachte Tim, als zwei Sanitäter eine in einen Raumanzug gekleidete Gestalt vorbeitransportierten. Die Helmscheibe des Verletzten war geschlossen, und Tim war froh darüber. Sie war innen voller Blut.

“Wir werden uns jetzt nach Hause schleppen”, eröffnete ihnen eine Stunde später der russische Trägerkommandant. “Die UNSA ist benachrichtigt und man hat versprochen, uns eine Eskorte entgegenzuschicken. Bis dahin müssen wir darauf gefasst sein, notfalls erneut zu kämpfen, auch wenn wir bislang nicht verfolgt werden. Der Heimflug wird nicht einfach. Wir haben schwere Schäden und laufen mit verminderter Kraft. Unsere Raketenvorräte sind nahezu erschöpft. Aber wir werden es schaffen. Unseren panamerikanischen Kameraden möchte in noch sagen, dass wir alle hier um ihre Besatzung und die Yorktown trauern. Es tut mir besonders leid, dass wir nicht in der Lage waren, möglichen Überlebenden zu helfen. Ich bitte Sie alle darum, dies zu verstehen. Wir alle haben die Yorktown verloren. Wir alle, die gesamte Menschheit. Wir hätten nicht noch die Moskva verlieren dürfen. Ich... es tut mir leid.”

Tim sah den russischen Offizier an. Er sah die Augen des Mannes und glaubte ihm. O´Donnel fühlte die Trauer in sich und den anderen Männern und Frauen. Wenn sie zu Hause waren, dann würden sie ein paar Gläser auf die Gefallenen heben. Darauf, wieder hinauszufliegen, und den Aliens, mit Raketen und Gatlings, den Namen der Yorktown in die Fünfzacke zu gravieren. Yeah, das würden sie tun.

Der Trägerkommandant räusperte sich. “Leider werde ich Sie bitten müssen, in Schichten über der Moskva Patrouille zu fliegen. Wir haben unser oberes Radar verloren und sind somit auf einem Auge blind. Ihr Kamerad O´Donnel ist der ranghöchste Pilot an Bord. Major Cruschenko ist gefallen. Wenn Sie die Freundlichkeit hätten?”

Für Tim war es keine Freundlichkeit. Es war selbstverständlich. Es war an der Zeit für die Menschheit, endgültig zusammenzuwachsen.

Die Moskva schleppte sich zur Erde. Nach zehn Tagen wurde der angeschlagene Träger von den Kreuzern Schwert des Islam und Montana erreicht.

Bereits während des Rückfluges wurden alle verfügbaren Informationen an das UNSA-Hauptquartier in Kopenhagen übermittelt. Es waren keine Informationen, die General Prenauld und seinen Stab besonders erfreut hätten. Der Verlust der Yorktown wog schwer.

“Wir haben übel eingesteckt, das ist nicht zu leugnen”, knurrte Jean Prenauld grimmig. “Der einzige Lichtblick, wenn man es so bezeichnen mag, ist die Tatsache, dass die Politiker jetzt nach dem raschen Aufbau einer Raumflotte schreien. Ich habe die Gelegenheit genutzt und unsere Forderungen ein wenig erhöht. Sie wurden schon heute Nacht vom Sicherheitsrat genehmigt und werden auch die Vollversammlung passieren.”

Admiral Han zog fragend eine Augenbraue hoch und nippte an seinem Tee. „Was verstehen Sie unter erhöhten Forderungen?“

Prenauld lächelte knapp. Seine Stimme klang grimmig, als er fortfuhr. “Zwölf Werftanlagen auf der Mondvorderseite, direkt bei Star-City, der kleinen Mondstation. Die Forscher dort werden sich wundern, welche Invasion da plötzlich über sie hereinbricht. Die ISS und die russische Nikolajew-Station werden ausgebaut. Sie sollen künftig als Andockstationen für die Bereitschaftsflotte und für kleinere Reparaturen genutzt werden. Im Orbit soll außerdem eine komplett neue Station erbaut werden. Als Werft für Zerstörer. Ah ja, da wir gerade davon sprechen, die neuen Pläne, nach den russischen Entwürfen, sind von einem internationalen Team überarbeitet und nochmals verbessert worden. Zudem hoffen wir auf technologische Erkenntnisse des erbeuteten Feindschiffes, vom Gobi-Forschungsgelände.”

“Was für Schiffe sollen gebaut werden?” General Olnarewa überschlug geistig die Kapazitäten der künftigen Werftanlagen.

“Zunächst sollten Sie wissen, dass alle Neubauten im Auftrag der UNO gebaut und von ihr finanziert werden. Spätere Verwendungen in den einzelnen Nationen sind natürlich nicht ausgeschlossen. Doch Primärziel ist der Aufbau einer gemeinsamen irdischen Raumflotte. Alle Schiffe werden daher ab sofort unter UN-Flagge fahren.”

“Fliegen”, warf Olnarewa korrigierend ein.

“Fliegen”, bestätigte Jean Prenauld. “Wichtig ist die Normierung der Neubauten. Die Teile gleicher Schiffstypen müssen untereinander austauschbar sein. Daher werden drei Grundtypen konzipiert. Zerstörer, mit der Kennung UND, die den heute üblichen Kreuzern entsprechen. Kreuzer vom Typ der Pjotr Amassov, mit der Kennung UNC, allerdings leicht modifiziert und etwas größer sowie ein neuer Trägertyp, die UNCS. Die Erfahrungen von der Yorktown haben die Konstrukteure veranlasst, einen neuen Träger mit zwei, statt einem, Flugdeck zu entwerfen. Nun, im Grunde ist es nur ein geteiltes Flugdeck, aber das soll die Wirkung eines direkten Treffers reduzieren. Sobald die Moskva an der ISS dockt, werden wir die Aufnahmen der Videoaufzeichnungen noch einmal näher unter die Lupe nehmen, und mit ihrer Hilfe nach weiteren Verbesserungen suchen. Alle bislang im Dienst stehenden Schiffe werden nach den neuen Kategorien eingestuft. Wird etwas Irritation hervorrufen, wenn die Kreuzerkommandanten plötzlich nur noch Zerstörer fliegen, aber es geht nicht anders.”

“Dem stimme ich zu.” Nishimura nickte nachdenklich. “Aber was ist in der Zwischenzeit? Es wird Monate dauern, bevor die Werften überhaupt produzieren können. Wir kommen momentan nicht an den Mars heran, aber was ist, wenn die Aliens vom Mars zu uns kommen?”

Prenauld zuckte mit den Schultern. “Dann wird es ungemütlich. Deshalb haben wir vom Sicherheitsrat den Auftrag, uns um zwei Dinge zu kümmern: Den Aufbau der UN-Flotte und die Bildung einer effektiven Verteidigung.”

Tanja Olnarewa klappte ihr Notepad auf. “Nun, meine Herren, ich denke, dann haben wir eine reichliche Menge an Arbeit vor uns.”

Spinnen-Feind

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