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Kapitel 3 Der Sicherheitsrat der UNO

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Die neue United Nations Space Administration hatte ihren Sitz im dänischen Kopenhagen. Die UNSA war eine Unterorganisation der UNO und eine vergleichsweise kleine Einrichtung. Man hatte nicht einmal ein eigenes Gebäude, sondern nutzte drei Stockwerke eines Hochhauses, in dem sich auch die Niederlassungen einiger privater Firmen befanden. Die UNSA war eine Verwaltungseinrichtung, die, eher pro forma, einem Brigadegeneral unterstand, da hier zivile und militärische Belange bearbeitet wurden.

Man befasste sich mit allen Angelegenheiten, die den Weltraum, außerhalb des Orbits der Erde, betrafen. Die UNSA unterbreitete Vorschläge, welche die Kolonisierung und die Ausbeutung, hier als „Ressourcenmanagement“ umschrieben, regeln sollten. Einmal im Jahr oder bei Bedarf, traten die Repräsentanten der Raumfahrttreibenden Nationen im UNO-Hauptsitz zusammen, um die entsprechenden Resolutionen zu verabschieden. Die ehrbare Absicht, den Weltraum zur strikt entmilitarisierten Zone zu machen, war längst gescheitert. Die Gefahr von Meteoriten verschiedenster Größe hebelte das Verbot zur Bewaffnung aus, und kaum hatte eine Nation ihr erstes Raumschiff bewaffnet, waren andere nachgezogen. Immerhin gelang es der UNSA, im Auftrag der UNO, alle bewaffneten Objekte im Raum der gemeinsamen Kontrolle zu unterstellen. Ob dies auch Bestand haben würde, wenn es zu einem Konflikt zwischen zwei Nationen kam, war keineswegs gewiss.

Die Mitglieder des Sicherheitsrates der UNO waren zu einer Besichtigung der UNSA erschienen und von der Nachricht überrascht worden, dass die Verbindung zum Mars abgebrochen war. Aus der Besichtigung wurde prompt eine Sondersitzung, zu der man den Leiter der UNSA, Brigade-General Jean Prenauld, hinzuzog.

Das Verstummen des Mars war ein Gefahrensignal, da die Erde inzwischen in erheblichem Maße von den dortigen Energum-Lieferungen abhängig war.

Raumfahrt war Kostspielig. Forscher hatten es schwer, die Mittel für ihre Projekte bewilligt zu bekommen, selbst wenn für ihr Land ein gewisses Prestige damit verbunden war. Der Fund von Energum auf dem Mars, hatte dies grundlegend geändert, als man feststellte, dass dieses Mineral die Energieprobleme der Welt zu lösen schien.

Die Erde hungerte nach Energie. Dies galt gleichermaßen für die Wirtschaft, wie für die privaten Haushalte. In einigen Ländern waren noch immer die gefährlichen Kernspaltungsreaktoren in Betrieb, andere nutzten in erheblichem Maße die Kernfusion, wie sie auch in den Reaktoren der Raumschiffe üblich war. Alle Bestrebungen, den größten Teil der Energie durch natürliche Ressourcen zu gewinnen, waren nur teilweise von Erfolg gekrönt. Immer wieder tobten Unwetter und schwerste Stürme, ausgedehnte Wolkenbänke oder Smog verdeckten die Sonne, und machten es zunehmend schwierig, Windkraft und Solarenergie zu nutzen. Zudem war es nun offensichtlich, dass die Vorkommen an Erdöl nicht unbegrenzt waren. Doch Erdöl und seine zahlreichen Nebenprodukte wurden in vielen Bereichen der Industrie und des täglichen Lebens benötigt. Als ewig hungriger Moloch erwiesen sich die Meerwasser-Entsalzungsanlagen, denn über viele Jahrzehnte hinweg, hatten Lebensmittelkonzerne die Rechte an Wasserquellen erworben und diese rücksichtslos ausgebeutet, bis sie versiegten.

Private Haushalte waren immer mehr eingeschränkt worden, um die Energiehungrige Industrie zu füttern, doch der Kollaps hatte sich abgezeichnet. Das Mineral Energum war der Retter gewesen, der alle Probleme, mit einem Schlag, zu lösen schien. Es gab ausgedehnte Vorkommen auf dem Mars und ein paar Körner Energum konnten einen schweren Überlandtransporter ein Jahr mit Energie versorgen, ein Kilogramm eine mittelgroße Stadt. Dabei zerfiel das Mineral ohne irgendwelche schädigenden Begleitumstände. Natürlich gab es warnende Stimmen, die mahnten, auch die Vorräte auf dem Mars seien wohl nicht unerschöpflich, doch kaum jemand hörte auf sie.

Energum war teuer, denn es kam immerhin vom Mars und war bislang auch nur dort gefunden worden, und Energum bedeutete Macht, denn wer über diese Energiequelle bestimmte, der konnte die Wirtschaft einer ganzen Nation fördern oder sie zugrunde richten.

Glücklicherweise hatte die UNO richtig reagiert und die Förderung und Verteilung des Minerals unter ihre ausschließliche Hoheit gestellt. Während man das Mineral im UNO-Hauptsitz verwaltete, wurde die United Nations Space Administration mit der Aufsicht, über Förderung und Transport, beauftragt. Obwohl die Schiffe verschiedener Nationen den Mars anflogen, waren sie alle gleichermaßen der UNSA unterstellt.

“Seit zwei Wochen ist der Kontakt abgebrochen. Zwei Wochen, Ladies und Gentlemen.” Der Generalsekretär der UNO blickte in die Gesichter des Sicherheitsrates im Konferenzraum der UNSA. “Ich habe Ihnen nun die Situation geschildert. Wir wissen nicht, was geschehen ist. Der amerikanische Frachtpendler Conestoga könnte den Mars zwar als nächstes Schiff erreichen, aber wir schätzen das Risiko als zu hoch ein. In Übereinkunft mit der panamerikanischen Präsidentin haben wir den Frachter zur Erde zurückbeordert.”

“Risiko? Sie glauben also an ein ernsthaftes, ein möglicherweise militärisches Problem?” Li-Jang, der Repräsentant der Asiatischen Hegemonie, beugte sich leicht nach vorne. “Wenn ja, durch wen? Der Mars steht unter dem Direktorat der UNO. Keine Nation wäre so dumm, gegen die gesamte Weltgemeinschaft anzutreten. Energum ist zu wichtig, für unser aller Energieversorgung. Wer den Mars angreift, um ihn eventuell in seinen Besitz zu bringen, der weiß, dass er mit der entschlossenen Reaktion der Weltgemeinschaft rechnen muss. Doch falls es wirklich jemand gewagt hat, eine Okkupation des Mars zu versuchen, so möchte ich darauf hinweisen, dass die Hegemonie, nach den ersten Informationen über das Verstummen des Mars, bereits den volkseigenen Zerstörer Yang-Tse zum Mars befehligt hat.”

Mbuto Sangales, Generalsekretär der UNO, zuckte mit den Schultern. “Bitte, wir wissen nicht mehr, als ich bereits gesagt habe. Aber die Fachleute halten den gleichzeitigen Ausfall der Sendeanlagen von Mars und Fuji-Maru, für höchst unwahrscheinlich. Eine Seuche als Ursache können wir ausschließen. Sie wäre niemals so rasch und umfassend wirksam, dass es nicht einer der Funker zu den Sendern schaffen würde. Eine Revolte, aus welchen Gründen auch immer, hätte den Frachter im Orbit nicht gefährdet. Auf dem Mars gibt es keine Raketengeschütze.”

„Es gibt aber Handwaffen“, warf ein Mitglied des Sicherheitsrates ein.

„Die einem Kriegsschiff nicht gefährlich werden können“, erwiderte Li-Jang. Er lächelte dünn. “Die Yang-Tse wird sehr rasch herausfinden, worin das Problem auf dem Mars begründet ist. Sie kann schon in wenigen Wochen im Orbit eintreffen.”

“Vorab will ich klarstellen, dass es hier nicht um nationale Interessen oder nationalen Stolz geht.” Dr. Helmut Verenkötter, Repräsentant der Europäischen Union, warf einen ärgerlichen Blick in seinen altmodischen Hefter. “Es geht darum, dass wir bis zum Hals in Schwierigkeiten stecken, wenn die Energumversorgung vom Mars ausfällt.”

Der muslimische Vertreter der Arabischen Großallianz wies demonstrativ aus dem Fenster, auf das Panorama Kopenhagens, welches sich unter dem UNSA-Hauptquartier ausbreitete. “Nur der Wahre Glauben existiert ewig. All diese weltliche Pracht, Damen und Herren, ist vergänglich. Aber ...”, der hagere Mann erlaubte sich ein seltenes Lächeln, “… diese Pracht ist erst recht vergänglich, wenn die Energieversorgung ausfällt.” Der Vertreter der Allianz wies auf Dr. Verenkötter. “Der geschätzte Kollege hat sicherlich die Zahlen, wann bei uns die Lichter ausgehen.”

Verenkötter schob seinen Hefter zur Seite und rief eine Datei auf seinem Smartphone auf. “Sechs Monate”, sagte er leise. “Natürlich nur geschätzt, da mir ein paar Zahlen noch nicht vorliegen. Aber ich schätze, ja, in sechs Monaten gehen die Lichter aus, wenn kein Energum mehr geliefert wird.”

Mbuto Sangales blickte nachdenklich auf das UNO-Emblem an der Stirnwand des Raumes. “Ich achte die nationalen Interessen des Einzelnen, sofern nicht die Gemeinschaft negativ betroffen ist. Ich weiß, dass eine starke Expedition zum Mars ungeheure Kosten verursacht.” Sangales ließ seine weißen Zähne blitzen. “Aber überlegen wir doch einmal ganz kurz ... Welches Land kann denn seine gesamte Energieerzeugung, innerhalb von nur sechs Monaten, wieder unabhängig vom Energum machen?”

Es war eine rein rhetorische Frage, denn allen Anwesenden war klar, dass dies einfach nicht möglich war. Die Folgen waren allen Beteiligten nur zu bewusst. Zusammenbruch der Energieversorgung, des Wirtschaftssystems, der sozialen Ordnung.

“Ladies und Gentlemen.” Sangales lehnte sich in seinen Sessel zurück. “Die UNO besitzt das Raumrecht und hat von der Völkergemeinschaft den Auftrag bekommen, die Energumverteilung zu kontrollieren und zu dirigieren. Aber die UNO verfügt lediglich über eine einzige Truppe, die sofort eingesetzt werden kann. Die internationale Einheit der ersten UN-Marines, die als Schutztruppe bei humanitären Einsätzen gedacht sind. Diese Truppe ist allerdings nicht für den Dienst im Weltraum ausgebildet und die UNSA verfügt über keine geeigneten Truppentransporter oder sonstige militärischen Raumschiffe. Wir sind also, gerade in dieser prekären Situation, auf die Bedingungslose Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten angewiesen. Wir, als Sicherheitsrat der UN, müssen sofort eine Resolution verabschieden, in der alle militärisch nutzbaren Raumschiffe dem Befehl der UNSA unterstellt werden. Wir alle wissen, dass dies auf Widerstände stoßen wird, aber wir haben keine andere Wahl, denn die Förderung des Energums ist zu wichtig. Für jeden Einzelnen von uns. Daher muss die alleinige Zuständigkeit an die UNSA gehen, bis die Situation auf dem Mars geklärt, und die Förderung wieder sichergestellt ist. Was können wir gemeinschaftlich aufbieten, um das Schicksal der Marskolonie zu klären?”

“Und um unseren Arsch zu retten”, fügte Cynthia Rodriguez, die panamerikanische Repräsentantin, gedanklich hinzu.

“Die Frage ist hierbei, von welchen Optionen wir ausgehen müssen. Unfall, Sabotage, Terroristen ...? Es gibt immerhin einige radikale religiöse Gruppierungen und selbsternannte Öko-Aktivisten, die darauf pochen, der Mensch habe im Weltraum nichts verloren. Dies sei die Welt, die der Schöpfer uns gegeben habe und mit ihr hätten wir uns gefälligst zu begnügen. Vielleicht haben sich Anhänger einer solchen Gruppe auf dem Mars einschleichen können?” Dr. Verenkötter ließ die Frage einen Moment im Raum stehen. “Wir wissen es nicht. Also müssen wir bereit sein, auf jede Gegebenheit, die wir dort antreffen, zu reagieren.”

“Kein Staat wird so verrückt sein, den Mars zu okkupieren”, wiederholte Li-Jang seine frühere Behauptung. “Die anderen Nationen würden ihn zerreißen.”

Mbuto Sangales warf seinem Assistenten einen Blick zu.

Dieser räusperte sich kurz. “Wenn ich einmal ausführen darf: Die Conestoga wird in drei Tagen an der ISS docken. Wir beabsichtigen, einen Großteil der Container mit Nachschubgütern, medizinischem Material, mobilen Hospitälern und ähnlichem zu bestücken. Für den Fall, dass wir es auf dem Mars mit einer Katastrophensituation zu tun haben. Einen kleineren Teil der Container werden wir zum Truppentransport herrichten. Das erste Regiment der UN-Marines ist in der deutschen Eifel stationiert. Ein Bataillon wird schnellstens auf die ISS verlegt, um dort auf der Conestoga eingeschifft zu werden. Die panamerikanische Regierung hat bereits zugesagt, uns den Zerstörer Rapid und den Kreuzer Arkansas zu unterstellen. Aus Europa kommt der Zerstörer Lancaster. Es ist vorgesehen, das diese Schiffe zeitgleich mit der Yang-Tse im Marsorbit ankommen.”

“Was ist mit Ihrer Pjotr Amassov?” Cynthia Rodriguez warf dem Vertreter der Russischen Föderation einen ironischen Blick zu.

“Mit wem?” Der Mann blickte die Amerikanerin freundlich an. “Ach, Sie meinen dieses hartnäckige Gerücht, wir würden etwas Großartiges und ganz Neues bauen? Nun, Sie wissen ja, klappern gehört zum Handwerk, wie man bei Ihnen wohl sagt.”

“Tatsache ist, dass Sie im Orbit eine große Blase haben, in der seit Monaten an etwas gebaut wird. Vergessen Sie nicht, Towaritsch, dass die häufigen Shuttleflüge schwerlich zu übersehen sind.”

“Nun, sicher. Wir forschen da ein wenig. Aber ich versichere Ihnen allen, dass die Pjotr Amassov noch nichts Spruchreifes wäre, wenn es sie denn überhaupt gäbe.” Der Mann lächelte erneut.

“Ladies und Gentlemen, wie auch immer. Jedem ist der Ernst der Situation bewusst. Wir schicken raus, was verfügbar ist. Das ist wenig genug, denn wir alle wissen, dass Militärschiffe teuer im Bau und kostspielig im Unterhalt sind – so repräsentativ sie für eine Nation auch sein mögen. Die anderen Schiffe liegen alle in Docks, werden umgebaut oder sind so weit draußen, dass sie nicht innerhalb eines vernünftigen Zeitrahmens die Erde oder den Mars erreichen können.” Mbuto Sangales wies auf Cynthia Rodriguez und den russischen Vertreter Pjotr Illjitsch. “Immerhin befinden sich der amerikanische Träger Yorktown und der russische Träger Moskva zu einem gemeinsamen Manöver in Saturnnähe. Sobald die Resolution dieses Rates verabschiedet ist, erhalten die beiden Schiffe Befehl, den Mars anzufliegen. Aber sie werden vier Monate benötigen.”

“Bis dahin ist hoffentlich alles zur Zufriedenheit geklärt”, merkte Dr. Verenkötter an.

Sangales nickte langsam. “Das hoffen wir alle.”

Spinnen-Feind

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