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Kapitel 17 Der Untergang von Las Vegas

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Die Spielerstadt Las Vegas hatte sich immer mehr zu einem Schmarotzer entwickelt. Um die zahllosen Touristen angemessen zu versorgen und mit Wasserspielen und Springbrunnen zu unterhalten, erwarb die Wüstenstadt die Rechte an privaten Wasserquellen, in einer Entfernung von bis zu 600 Meilen. Zahlreiche kleine Kommunen und Ranches hatten aufgeben müssen, weil Las Vegas ihr Wasser abpumpte und über riesige Pipelines in die Stadt beförderte. Der Kommune und ihren Besuchern war die so entstandene Wassernot im Umland vollkommen gleichgültig.

Der schwer angeschlagene Feindjäger raste fast senkrecht in die Atmosphäre der Erde. Je tiefer er eindrang, desto dichter wurde die Luft, und immer mehr Moleküle wurden durch die enorme Reibungswärme verdampft. So zog der abstürzende Fünfzack eine gewaltige Feuerspur hinter sich her. Er hätte längst durch die enorme Reibungshitze verglühen müssen, doch das erneut stabilisierte Energiefeld schützte ihn vor der Vernichtung.

Zumindest, bis die amerikanische Stadt Las Vegas unter ihm auftauchte, und das, kaum sechs Meter durchmessende Objekt, fast im Stadtkern aufschlug.

Ein Gegenstand, der aus großer Höhe zu Boden stürzt, kann enorme Schäden verursachen. Es hatte Fälle gegeben, in denen eine, von einer Aussichtsplattform herabfallende Münze, Menschen erschlug. Hier handelte es sich um einen weit größeren und schwereren Gegenstand, der dazu noch mit einer enormen Wucht aufprallte.

Genau genommen, durchschlug der Fünfzack fast senkrecht ein Hochhaus, und bohrte sich tief in den Boden. Eigentlich explodierte er nicht. Im Grunde war es die enorme kinetische Energie, die freigesetzt wurde, als sich die, relativ geringe, Masse des Objektes schlagartig in reine Energie verwandelte.

Obwohl nicht die geringste Radioaktivität freigesetzt wurde, schien in der Stadt eine Kernwaffe zu detonieren. Innerhalb von zwei Minuten starb die Millionenstadt. Eine Feuerkugel entstand mitten im Stadtzentrum, breitete sich rasend schnell aus, äscherte alles in ihrem Bereich ein. Der Glutball entwickelte eine enorme Hitze. Wie alle heiße Luft, stieg auch er nach oben, raste mit einer Geschwindigkeit von fast 240 Metern pro Sekunde in die Atmosphäre. Der Pilz einer atomaren Detonation stand über der amerikanischen Metropole.

Nur Sekundenbruchteile nach dem Feuerball fegte die Druckwelle durch die Überreste der Stadt. Anfangs mit Überschallgeschwindigkeit, tötete sie, was den Feuerball überlebt hatte, durch den enormen Überdruck. Erst in einigen Kilometern Entfernung vom Einschlagspunkt des Fünfzacks, flachte der Druck so ab, dass die menschlichen Organe ihn überstehen konnten. Doch er war noch immer so hoch, dass menschliche Körper wie Stoffpuppen erfasst und fortgeschleudert wurden. Und es waren nicht nur menschliche Körper. Unmengen an Trümmern, Dreck und Staub fegten orkanartig über das Umland der zerstörten Stadt. Noch in dreißig Kilometern Entfernung wurden Dächer abgedeckt, Bäume entwurzelt, starben Menschen.

Las Vegas wurde zu einer Todeszone. Es war eine moderne Stadt gewesen, berühmt für ihre Spielpaläste und hochmodernen Bauwerke. Mit Glas. Viel Glas. Der Explosionsdruck brachte dieses Glas zum Bersten. Auf jeden Quadratmeter Fläche kamen fast 30.000 Glassplitter unterschiedlichster Größe. Glassplitter, die wie Geschoßgarben mit der Druckwelle durch die Stadt fegten.

Dennoch gab es Überlebende. Wenn auch nicht viele.

Als die ersten Rettungseinheiten der benachbarten Städte eingeflogen wurden, war die Stadt ein rauchendes und brennendes Trümmerfeld. Die Männer und Frauen, die hier helfen wollten, starrten fassungslos auf das Bild eines Weltunterganges.

Ein Gefahrenspürfahrzeug wurde aus einem Lufttransporter entladen und rückte zu dem Trümmerfeld vor, meldete keine Gefahren durch Radioaktivität. Dann folgten die ersten Kolonnen der Helfer.

Björn Heimdahl und seine Rettungseinheit gehörten zu jenen, die erst mit dem zweiten Schwung Lufttransporter am Katastrophenort eintrafen.

Der Schwede wischte sich den Schweiß von der Stirn. Noch immer loderten einzelne Feuer in den Ruinen von Las Vegas. Es war drückend heiß. Sonne und Brände schienen sich gegen die Rettungskräfte verschworen zu haben.

Der 44-jährige klopfte Astor beruhigend an den Hals. Der 4-jährige Schäferhund stand folgsam am rechten Bein seines Herrchens. Er war ein voll ausgebildeter Rettungshund und Björn war stolz auf den Rüden. Er hatte alle Prüfungen mit Bravour bestanden und schon einigen Menschen das Leben gerettet, die unter Trümmern verschüttet worden waren.

Hier in Vegas waren eine ganze Reihe von Suchstaffeln im Einsatz, einige davon mit Polizeihunden. Björn schätzte die Arbeit mit diesen Tieren nicht. Nichts gegen die Hunde als solche, aber es gab einfach einen wesentlichen Unterschied, zwischen einem Suchhund der Polizei und einem Rettungshund. Die Suchhunde machten keinen Unterschied zwischen Toten und Lebenden. Sie zeigten alles an, denn sie mussten ja zum Auffinden vermisster und toter Personen eingesetzt werden. Das bedeutete verlorene Zeit bei einem Rettungseinsatz. Zeit, die Menschenleben kosten konnte. Ein Rettungshund meldete sich nur, wenn er eine lebende Person entdeckt hatte.

Der Schwede sah ein Fernsehteam herankommen. Wenigstens hatte man die meisten Straßen provisorisch geräumt, damit die schweren Rettungsfahrzeuge durchkamen. Das war gar nicht so einfach gewesen. Man konnte schließlich nicht mit der Planierraupe hindurchfahren und alles zur Seite schieben. Die Gefahr, einen Menschen dabei zu verletzen oder zu töten, war viel zu groß. Ein Bewusstloser, der zwischen den Trümmern lag, war, durch den ganzen Staub und Dreck, kaum von der Umgebung zu unterscheiden. Also waren Rettungsteams vor den Fahrzeugen hergegangen, hatten mühsam alles abgesucht, bevor die Straßen geräumt werden konnten. Bevor Rettungsambulanzen und die schweren Löschfahrzeuge vorankamen.

Björn sah das Kamerateam bei einer Kreuzung stehenbleiben. Die beiden Männer und die Reporterin beobachteten einen Löschtrupp, der gerade dabei war, eine Schlauchleitung zu verlegen.

“Arme Schweine”, dachte der Schwede. Das Hydrantennetz der Stadt war vollkommen zusammengebrochen. Alle paar hundert Meter standen Löschfahrzeuge, die, mit ihren kräftigen Pumpen, das Wasser aus den Schläuchen annahmen und weiter zur nächsten Pumpe drückten. Damit die Jungs, vorne an den Strahlrohren, etwas gegen die Feuer unternehmen konnten. Ein Feuerwehrmann hatte Björns Rettungstrupp mitgeteilt, man müsse das Wasser aus einem drei Kilometer entfernten Fluss oder See holen. Björn glaubte dem Mann unbesehen.

Die Männer wirkten allesamt erschöpft. Müde und erschöpfte Männer machten Fehler. Das war nicht gut, daher hatte Björn Heimdahl seinem Rettungstrupp, mit ihm sechs Männer und Frauen sowie deren sechs Hunde, eine Zwangspause verordnet.

Hinter einem der Trümmerteile stieg plötzlich eine Wasserfontäne empor. Dort war wohl wieder einer der Schläuche geplatzt. Eigentlich waren diese Dinger so stabil, dass ihnen selbst ein Wasserdruck von 40 Atmosphären nichts ausmachte. Aber die Schläuche lagen zwischen den Trümmern. Manchmal ruckten sie, wenn der Wasserdruck schwankte, und das konnte dem zähen Material ganz schön zusetzen.

Der Schwede blickte hinter sich. In all dem Unglück war er froh, dass sein Team 25 Menschen hatte retten können. Sie arbeiteten sich vom Stadtrand voran, ganz langsam auf das Zentrum zu. Dort war zwar der schwerste Schaden entstanden, aber da bestand auch die geringste Hoffnung auf Überlebende.

Ein Mann im orangefarbenen Overall, mit dem blauen Dreieck des Zivil- und Katastrophenschutzes, kam auf Heimdahl zu. “Heimdahl, von der schwedischen Hundestaffel?” Björn nickte kurz. “Ein Trupp von der Feuerwehr hat in einem Haus, in der Venture-Road, angeblich Lebenszeichen von Verschütteten vernommen. Die Jungs müssen aber unbedingt zu einem anderen Einsatzort. Löscharbeiten an einer Apotheke. Die dort austretenden Gase, der gelagerten Präparate und Arzneien, sind hochgiftig. Da der Wind langsam dreht, werden die Rettungsarbeiten sonst gefährdet.”

“Wo ist denn diese Venture-Road?” Natürlich hatten alle Rettungseinheiten Stadtpläne erhalten. Aber hier gab es kaum etwas, an dem man sich orientieren konnte.

Der Zugführer des Katastrophenschutzes wies zum Stadtrand. “Ein Stück zurück. Dort, wo die Häuser noch stehen. Das Gebäude ist markiert, und einer vom Löschtrupp wartet auf Sie, um Sie einzuweisen.”

Björn gab seinem Trupp einen kurzen Wink. Man nahm die Ausrüstung auf und dann trottete die Rettungsstaffel zu ihrem neuen Einsatzort. Obwohl der Schwede wusste, dass sich Tausende von Helfern in der Stadt befanden, sah man nur wenige von ihnen. Die enorme Fläche war einfach zu groß.

Viele der Häuser waren einfach umgeblasen worden und bildeten unregelmäßige Trümmerkegel. Heimdahl sah die kleinen Stöcke, mit den farbigen Plastikfähnchen, die darauf hinwiesen, dass hier bereits abgesucht worden war. Die Stöcke waren rot gefärbt. Rot für Gefahrenstelle. Dort, wo intakte Häuser standen, würde man weiße Stäbe benutzen. Die blauen Fähnchen wiesen auf allgemeine Gefahren hin, grüne Fähnchen auf abgeschlossene Rettungsarbeiten, rote auf vermisste Personen und die schwarzen Dinger, nun, da würde man später die Toten zu bergen haben. Schon jetzt stank es erbärmlich in den Straßen. Nach Tod und Feuer. Björn war nicht bekannt, ob man die Toten tatsächlich herausholen und bestatten würde. Nach einem Erdbebeneinsatz hatte er einmal erlebt, wie man die Trümmer einfach zusammenschob, zu einer Deponie transportierte und mit Beton übergoss. So makaber der Gedanke auch war, vielleicht stand jetzt ein Einkaufszentrum auf dem Massengrab.

Björn Heimdahl kannte die Gefahren durch den Ausbruch von Seuchen. In vier Tagen würde man ihn und seine Leute ohnehin abziehen. Eigentlich gab man Verschütteten nur diese vier Tage. Danach waren die Aussichten, noch lebende Personen zu finden, absolut mies. Meist hing man trotzdem noch ein paar Tage dran.

Der schwere Rüstwagen einer Bergungsgruppe fuhr langsam an ihnen vorbei. Diese Männer und Frauen suchten ebenso verzweifelt nach Überlebenden, wie seine Leute. Aber die benutzten Horchgeräte, Wärmesensoren, Wärmekameras und jede Menge modernes Gerät.

Björn schwor auf Astor und die anderen Hunde seiner Staffel. Oft genug hatten sie der Technik ein Schnippchen geschlagen. Er erreichte eine Kreuzung, sah in der abzweigenden Straße einen Feuerwehrmann winken.

Seine Gruppe folgte ihm und der Feuerwehrmann wies sie erleichtert in die Schadensstelle ein. “Sieht böse aus, wie alles hier. Ein Teil des Hauses steht ja noch, aber das Gebäude ist angeschlagen und hat eine Menge labile Teile. Wir haben euch die begehbaren Räume mit Grün markiert, aus den Roten solltet ihr draußen bleiben.” Der Mann lächelte verkniffen. “Wir alle sollten da draußen bleiben, aber ihr seid da wohl genau wie wir, wenn es noch eine Chance gibt.” Der Mann wies auf eine Seite des Gebäudes, die sich gelöst und nach unten gerutscht war. “Da haben zwei von unseren Jungs angeblich schwache Klopfzeichen gehört.”

“Regelmäßige?” Björn wusste, dass regelmäßige Zeichen meist, durch vom Wind oder anderen Ursachen ausgelöste, mechanische Geräusche waren. Interessant waren die unregelmäßigen.

”Nein. Der eine von den Jungs schwört darauf, dass es ein Morsezeichen gewesen ist. Drei kurz, drei lang, drei kurz.”

Das hörte sich gut an. Das alte SOS aus der Schifffahrt.

Björn sah dem Feuerwehrmann kurz hinterher, dann konzentrierte er sich auf die Arbeit. “Also, Leute, wir haben noch...”, er warf einen Blick auf die Uhr, “… knapp vier Stunden, bis es Dunkel wird. Packen wir es an.”

Sein Team verteilte sich, ging langsam mit den Hunden vor. “Denkt daran, die Kleidungsstücke und persönlichen Gegenstände aus den Trümmern zu holen, so gut es geht.”

“Björn”, knurrte eine junge Frau in rügendem Tonfall. “Wir wissen, dass so etwas die Hunde irritiert.”

Sie hatte einen Yorkshire-Terrier. Der kleine Hund wurde oft belächelt, bis man merkte, in welche Öffnungen sich das Tier noch zwängen konnte.

“Also dann. Leinen los.”

Spinnen-Feind

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