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ZU DATIERBARKEIT UND ABSOLUTER CHRONOLOGIE
ОглавлениеDie absolute Chronologie, die exakte Festlegung auf die Angabe eines Jahres, ist für die ägyptische Geschichte momentan noch ein Wunschtraum. Lange hat man versucht, anhand astronomischer Datierungen eine absolute Chronologie zu etablieren, wozu der Sothis-Aufgang, das ist der Frühaufgang des Sterns Sirius, der die Nilüberschwemmung und damit das ägyptische neue Jahr ankündigt, und der Mondkalender hinzugezogen worden sind. Da zwei dieser Sothis-Aufgänge in ägyptischen Quellen mit dem Regierungsjahr eines Herrschers festgehalten worden sind, glaubt man, mit deren Hilfe exakte Jahresangaben machen zu können. Der älteste Sothis-Aufgang ist auf einem der sog. Kahun-Papyri für die 12. Dynastie belegt (Ägyptisches Museum und Papyrussammlung Berlin, Inv.-Nr. Papyrus 10012 A und B) und nennt ein Datum im 7. Regierungsjahr von wahrscheinlich Sesostris III. (der Name des Königs ist zerstört). Auch für die 18. Dynastie ist ein solcher Aufgang für ein Datum im 9. Regierungsjahr von Amenophis I. auf dem mathematischen Papyrus Ebers (Universitätsbibliothek Leipzig) festgehalten. Die bislang vorgenommenen Untersuchungen, die durch diese Daten ein fixes Jahr festzumachen versuchen, haben einige Schwierigkeiten nicht genügend bedacht, die einen großen Unsicherheitsfaktor darstellen: Etwa der Beobachtungsort (Memphis im Norden oder Elephantine im Süden) oder die Sichtungsbedingungen (der Abstand zur noch nicht aufgegangenen Sonne muss groß genug sein, damit deren Streulicht nicht das Ergebnis verfälscht; ebenso können Dunst, Wolken etc. eine Unsauberkeit in der Bestimmung hervorrufen) können bei den Belegen nur angenommen, aber nicht mit Sicherheit festgelegt werden, das bedeutet, dass hier Schwankungen von mehreren Jahrzehnten auftreten können. Der Mondkalender, der für die Terminierung religiöser Feste u.a. in sog. Tempeltagebüchern geführt wird, birgt ebenfalls große Unsicherheiten und besitzt somit keine überzeugende Aussagekraft.
Naturwissenschaftliche Verfahren, wie z.B. die Radiokohlenstoffdatierung (14C-Datierung), belegen hingegen für die Zeitfenster zwischen der 1. bis zur 6. Dynastie (bisher ca. 3000–2050 v. Chr.) ein höheres Alter von »mehrere[n] Jahrhunderte[n]«3 und für die 17. und frühe 18. Dynastie (bisher ca. 1600–1400 v. Chr.) immerhin »100–150 Jahre«.4
Wir müssen also davon ausgehen, dass die Geschichte des alten Ägypten sehr viel älter ist als wir bislang vermuten. Die Ägyptologie wird nicht darum herumkommen, die ägyptische Geschichte zu korrigieren5, doch wie im alten Ägypten wehrt man sich auch in der dazugehörigen Wissenschaft beharrlich gegen allzu drastische Neuerungen – die vorliegende Arbeit bildet dabei keine Ausnahme. Noch sind m. E. die Ergebnisse der naturwissenschaftlichen Methoden zu wenig homogen, um die aktuelle Auflage von »Am Anfang war Ägypten« guten Gewissens mit einer neuen Datierung zu versehen, weshalb hier vorläufig noch weitestgehend konventionelle Zahlen gebraucht werden – allerdings mit dem Bewusstsein, dass es sich bei ihnen um vorläufige Werte handelt und dass der Anfang Ägyptens wohlmöglich deutlich weiter in der Vergangenheit zu finden sein muss.