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VORWORT ZUR 2. AUFLAGE

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»Die Gegenwart ist wie eine Koralleninsel, die über das Wasser hinausragt, aber aufgebaut ist aus Millionen toter Korallen unter der Oberfläche, die niemand sieht. Genauso ist unsere alltägliche Welt aufgebaut aus Abermillionen von Ereignissen und Entscheidungen der Vergangenheit. Was wir in der Gegenwart hinzufügen, ist trivial.« (Michael Crichton, Timeline, München 2002, 459.)

Das Fundament unserer mitteleuropäischen Koralleninsel wurde in entscheidenden Teilen bereits im 4. Jahrtausend v. Chr. in Ägypten gelegt, ohne dass es uns heute bewusst wäre. Das Bewusstsein dafür soll der Buchtitel wecken, der mit »Am Anfang war Ägypten« keinesfalls die Tatsache leugnen will, dass es bereits vor der ägyptischen Zivilisation menschliche Kulturen an anderen Orten gegeben hat, allerdings ist deren Einfluss auf unsere heutige Gesellschaft vergleichsweise gering. Ägypten hingegen ist die ursprüngliche Wiege unserer abendländischen Kultur, die über Griechen, Römer und das Judentum zu uns gelangte, aber dessen wir uns nicht immer bewusst sind. Vielleicht liegt in der Kombination dieser Vertrautheit mit dem Exotisch-Fremden, das die pharaonische Kultur auf uns ausstrahlt, die Antwort darauf, weshalb Ägypten eine derartige Faszination auf uns ausübt. So betrachtet mag der an die ersten Worte des Alten Testaments angelehnte Titel als Verdeutlichung unserer Wurzeln verstanden werden. Ägypten war das Land, in dem die Idee eines zentralisiert organisierten Königtums zuerst geboren, die Grundlage für Verwaltung und Bürokratie geschaffen und in dem mit Werkstoffen experimentiert wurde, deren Verwendung für uns alltäglich geworden ist: Eine Vorstufe des Papiers, ja sogar das Wort »Papier« selbst, geht auf Ägypten zurück – in pa-per-aa (das, was dem König gehört), der ägyptischen Bezeichnung für Papyrus, ist beispielsweise unschwer der Ursprung des griechischen papyros zu erkennen, aus dem sich das deutsche »Papier« und das englische paper entwickelten. Gyros ist kein so typisch griechisches Gericht, wie allgemein angenommen wird, denn ihm liegt eine ältere ägyptische Speise ähnlichen Namens, geresch, zugrunde. In dem Wettrennen um die Frage, in welcher Kultur die Schrift zuerst entwickelt wurde, hat Ägypten m. E. momentan ebenfalls die Nase vorne. Außerdem gehen die weiblichen Vornamen Susanne und Marianne unmittelbar auf ägyptische Vorbilder zurück: Sescheschen (Lotusblume) und Meri-Amun (Liebling des [Gottes] Amun). Die Reihe ließe sich noch beliebig lang fortsetzen.

»Am Anfang war Ägypten« ist als Einstiegswerk in die ägyptische Geschichte gedacht und richtet sich ausschließlich an eine interessierte Öffentlichkeit und an Studierende der Ägyptologie und verwandter Fächer in den ersten Semestern. Der Anmerkungsapparat ist aus diesem Grund übersichtlich gehalten und in der Literaturauswahl finden sich sowohl Werke, die unproblematisch über den Buchhandel zu erwerben sind, als auch wichtige Fachpublikationen, die in erster Linie für Studentinnen und Studenten gedacht sind. Das vorliegende Buch soll einen Überblick verschaffen und kann deshalb nicht alle Aspekte mit der gleichen Tiefe behandeln – was sich bei einem abzudeckenden Zeitraum von mehr als 3000 Jahren und einem vom Verlag vorgegebenen Rahmen an zulässigen Zeichenzahlen verständlicherweise ausschließt. Ich glaube – und die guten Kritiken zur 1. Auflage geben mir recht – dass es dieser Band schafft, Neugierde auf diese Kultur zu wecken und den Funken der Faszination für das pharaonische Zeitalter überspringen zu lassen.

Mir ging es darum, zu thematisieren, was mich persönlich seit Jahrzehnten an der ägyptischen Kultur begeistert:

das ausgeprägte Traditionsbewusstsein über Jahrtausende hinweg und die strikte Ablehnung radikaler Veränderungen, die man verhindern konnte;

die aus heutiger Sicht höchst positivistische Einstellung zum Leben, die Tatsache, dass schlechte, negative Erfahrungen, Umstände oder Tatsachen einfach nicht thematisiert wurden;

das lebensbejahende Wesen der Ägypter: Das älteste carpe diem stammt aus dem Land der Pharaonen: »[E]s tut dir gut, deinem Herzen zu folgen, solange du lebst. Lege Myrrhen auf dein Haupt, kleide dich in feinstes Leinen, salbe dich mit echtem Öl vom Gottesbesitz. Vermehre dein Wohlbefinden und lass deinen Willen nicht müde werden! Folge deinem Herzen in Gemeinschaft mit deiner Liebsten, verrichte dein Werk auf Erden und kränke dein Herz nicht, bis jener Tag der Totenklage zu dir kommt. (…) Nochmals: Feiere den schönen Tag und werde dessen nicht müde! Bedenke: Niemandem ist es gegeben, seine Habe mit sich zu nehmen. Bedenke: Niemand, der fortgegangen ist, kehrt wieder!« (aus dem Antef-Lied, um 1340 v. Chr., Übersetzung nach E. Hornung, Altägyptische Dichtung, 153). Der Umstand, dass der Großteil der uns heute zur Verfügung stehenden materiellen Hinterlassenschaften aus Gräbern stammt, von denen viele mit großem Aufwand gestaltet worden sind, darf nicht zu der Annahme verleiten, die Ägypter hätten nur für den Tod und die jenseitige Welt gelebt. Das ist keinesfalls richtig.

Ein wesentlicher Ansatz von »Am Anfang war Ägypten« war, dass hier nicht nur die seit Forschergenerationen wiederholten Ansichten abermals wiedergegeben werden sollten, sondern dass hier auch in verständlicher Form neuen Forschungsergebnissen und Ideen Raum gegeben werden sollte. Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit mussten m.E. ganz wesentliche Eigenschaften des Endprodukts sein, die in der 2. Auflage noch intensiviert werden konnten. Dazu gehört natürlich auch eine gewisse Eindeutigkeit in Formulierung und Darstellung, die in der Ägyptologie nicht unbedingt immer gegeben ist. In vielen Bereichen haben sich »fast so viele Theorien wie Forscher« (vgl. J. Malek, Rezension von M. Verner, Abusir III, in: DE 36, 1996, 125.) festgesetzt, dass es bei einem Überblick über die ägyptische Geschichte sehr verwirrend und ermüdend wäre, auf alle existierenden Annahmen einzugehen. Ich habe mir erlaubt, die mir schlüssigsten und wahrscheinlichsten hier zu vertreten, zuweilen auch eigene vorzustellen und verweise zwecks eigener Vertiefungen in einzelne Themenbereiche auf das Literaturverzeichnis.

In weiten Teilen ist die 2. Auflage ein neues Buch geworden: Es enthält neue Passagen und Kapitel und präsentiert einige neue Abbildungen. Was den Stand der beachteten Forschungsergebnisse anbelangt, wird aktualisiert: Die Länge des Neuen Reiches wird nach unten korrigiert. Grundlage sind neue Forschungen, die die Regierungszeiten von Thutmosis II. und Haremhab in der 18. Dynastie verkürzen und der Präsentation einiger neuer Abbildungen.

Danken möchte ich Herrn Dr. Jürgen Kron und Frau Constanze Holler, M.A., vom Verlag Philipp von Zabern, die diesen reload initiiert hatten, stellvertretend auch für die vielen fleißigen Helfer des Verlages, ohne die es dieses Buch nicht geben würde. Weiterhin bedanke ich mich bei den zahlreichen Rezensenten für die positive Resonanz, allen voran Dr. Orell Witthuhn (Göttingen) und Prof. Dr. Karl Jaroš (Wien), von deren konstruktiven Anregungen die neue Auflage profitiert hat. Auf der anderen Seite sei Joachim Friedrich Quack (Heidelberg) erwähnt, der »Am Anfang war Ägypten« in seine umfangreiche Anthologie der Verrisse aufgenommen hat.

Für die freundliche Erlaubnis, einige besondere Abbildungen hier verwenden zu dürfen, danke ich ganz herzlich Herrn Prof. Dr. Daniel Polz (DAI Kairo, Abb. 11), Frau Gabriele Wenzel, M.A. (München, Abb. 26), der ungenannt bleiben wollenden Eigentümerfamilie des Flakons der Hatschepsut (Abb. 37), Herrn Dr. Edgar B. Pusch (Grabung Piramesse, Qatar/Qantir/Hildesheim, Abb. 47) und Frau Dr. Vivienne Gae Callender (Sydney, Abb. 51).

Meiner lieben Frau danke ich erneut für das tapfere Korrekturlesen und die große Hilfe bei der schwierigen Aufgabe der Auswahl von Bildern, die es in die 2. Auflage schaffen sollten. Frau Alice Simonian (Hamburg) hat die gesetzte Fassung einem letzten Lektorat unterzogen, wofür ich ihr herzlich danke. Meinem kleinen Sohn sei für die Intervalle gedankt, die er seinen Vater tagsüber für die Arbeit an diesem Band abgestellt hat.

»Am Anfang war Ägypten« ist der liebevollen Erinnerung an meine Mutter, Jutta Müller, geb. Schultz (1942–1997), gewidmet.

»It is in love that we are made;

In love we dissapear.«

Leonard Cohen, Boogie Street, 2001

Mannheim, im November 2012 MICHAEL HÖVELER-MÜLLER
Am Anfang war Ägypten

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