Читать книгу Asta - Michael Reh - Страница 15

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9 Asta

Sie schrie, so laut sie konnte. Die Schmerzen waren fast nicht auszuhalten. Seit Stunden lag sie nun auf dem Heu und wartete auf Erlösung. Aber immer wieder schüttelten neue Wellen ihren kleinen, schmalen Körper. Sie wünschte, sie wäre tot. Wut stieg in ihr hoch, denn es war ihre eigene Schuld, dass sie an diesem Abend des 11. Mai 1925 machtlos im Stall lag und sich die Seele aus dem Leib schrie.

Das Drama hatte vor einem Jahr begonnen. Sie, die mittel­lose Waise ohne Familie, war stolz, die Stelle als Magd bekommen zu haben. Der Pfarrer hatte ihr die Arbeit auf dem großen Anwesen verschafft. In den ersten Tagen hatte sie Angst, dass alles nur ein Traum war, denn der Hof lag in der Nähe der neuen Villa, die sich der Direktor der riesigen Fabrik bauen lassen hatte. Fast zweitausend Menschen arbeiteten dort. Aus der großen Baugrube legte sich eine hauchdünne graue Schicht über alles.

Der Hof versorgte die Anwesen des Direktors und der höheren Angestellten, deren Häuser in unmittelbarer Umgebung lagen. Sie melkte Kühe, mistete die Ställe aus, holte Eier, wusch die Wäsche, machte das Frühstück und war mehr Hausangestellte als Magd. Der Frühling war warm, und sie arbeitete oft im Garten, der gleich neben der Auffahrt zur Villa lag.

Im Juni sah sie ihn zum ersten Mal. Sie wusste nicht, was Liebe war, aber ihr Herz zog sich jedes Mal zusammen, wenn er im Automobil vorbeifuhr oder morgens ausritt. Natürlich sprachen sie nicht miteinander. Wenn er sie sah, lächelte er manchmal.

An einem Augusttag hatte sie frei und ging mit Inga, der anderen Magd, zur Filmvorführung. Durch die Fabrik gab es so viele neue Familien und Arbeiter in der Gegend, dass man einmal in der Woche im Gemeindesaal einen Film zeigte. Dort sah sie zum ersten Mal Asta Nielsen in einem Film mit dem Titel »Rausch«. Die Bilder verankerten sich tief in ihrem noch kindlichen Geist. Sie war achtzehn Jahre alt.

Nach der Ernte im September gab es ein großes Fest. Auch die Arbeiter vom Hof waren in den Garten der Villa eingeladen. Sie trank zum ersten Mal Wein, sah ihn aus der Nähe. Gegen Mitternacht torkelte sie zurück auf den anliegenden Hof, die Kühe mussten um fünf gemolken werden. Er war ihr gefolgt und alles ging schnell, es war wie im Traum und tat ihr, die Sinne vom Wein benebelt, nicht weh. Als der Wecker klingelte, konnte sie ihn noch schmecken und wusste, dass es passiert war. Sie sah ihn zwei Mal in den nächsten Tagen, doch er schaute zur Seite.

Mitte Oktober reiste er ab und im Januar wusste sie, dass sie sich umbringen musste. Was sollte sie tun? Keine Familie, keinen Halt, keinen Mann und bald von allen verachtet, die sie umgaben. Die Bäuerin hatte jedoch Erbarmen mit ihr und setzte sie nicht auf die Straße, aber sie blieb die letzten Monate nur im Haus und verließ den Hof nicht mehr. Sie war klein und zart, trug riesige Blusen und eine große Schürze, sodass es den meisten kaum aufgefallen war.

Erneut verkrampfte sich alles in ihr, und die Schmerzen waren so groß, dass sie glaubte, zerrissen zu werden. Irgendwann war es dann vorbei. Keiner hatte sie darauf vorbereitet, wie es sich anfühlen würde, ein Kind zu gebären. Mit einem letzten Schrei und dem Rest ihrer Kraft presste sie das Baby aus sich heraus und wünschte, es wäre tot. Die Bäuerin klopfte dem blutverschmierten Bündel kräftig auf den Hintern, das Baby schrie aus voller Lunge. Sie legte es Minna auf den Bauch und das kleine Wesen schaute sie erwartungsvoll an. Ein Hauch von Hoffnung durchzog ihr dunkles Gemüt.

»Und, wie soll sie denn nun denn nun heißen?«, murmelte die Bäuerin und wusch sich die ­blutverschmierten Hände. Irgendwo blökte ein Schaf. Minna sah ihre Tochter an, der sie nichts geben konnte als einen Namen. »Asta, wir nennen sie Asta.«

Asta

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