Читать книгу Asta - Michael Reh - Страница 9
Оглавление3 Das Leben ist kein Ponyhof
Sie hatte gestrichen die Schnauze voll. Von allem. Seit Langem!
Seit fünfzehn Minuten starrte sie an die alte wurmstichige Holzdecke des Hauses, das seit 1782 hier in der Flussbiegung stand, und zählte, wie jeden Morgen, die Furchen des mittleren tragenden Balkens. Erst wenn sie bei 93 angekommen war, erhob sie sich seufzend aus dem Bett. Heute stoppte sie bei 54. Jeder Knochen tat weh. Warum aufwachen, warum das Leben weiterleben, so tun als ob, für wen, wie lange noch? Verdammt, heute war der Himmel grauer als sonst, genau wie ihre Seele. Am besten gleich in die Oste springen und ertrinken, das Leben war keine Alternative mehr zu ihren Albträumen. Seit den 3500 Tagen und Nächten in einer Gefängniszelle war es eh mit ihrer Nachtruhe dahin, auch noch nach zwei Jahrzehnten. Der Regen trommelte an das Fenster. Es war erst 7 Uhr an diesem nassen Aprilmorgen. Viel stand heute nicht auf dem Zettel, das Übliche: Kaffee kochen, die erste Zigarette, die Katzen füttern, die Küche wischen, die zweite Zigarette. Gott sei Dank liefen die neuen Folgen von »Rote Rosen« wieder, ihre einzige Ablenkung bis zum Abend.
Es war Donnerstag, der erste im Monat, da mussten die Pillen geordnet werden. Einen Schlaganfall hatte sie vor fünf Jahren gut überstanden, aber Diabetes war kein Zuckerschlecken. Sie lachte bitter auf, kein Zuckerschlecken! Zucker war neben den dreißig Zigaretten und zwei Litern Kaffee pro Tag das Einzige, das sie wachhielt. Scheiß auf die Gesundheit. Vierundzwanzig Pillen am Tag hielten sie fit genug. Heute Nachmittag galt es alle 720 Pillen für den Monat in 30 kleine Behälter zu sortieren.
Sie kotzte sich selbst an.
Verdammter erster April!
Das Haus lag am Deich, aber den hatte sie vor Jahren das letzte Mal betreten. Dahinter floss die Oste. Das Land um Claras Gehöft gehörte zur Apfelplantage des neuen Bauern, der alles auf Demeter machte. Sie hasste den Typen, denn er hielt sie mit seinen stundenlangenTraktorfahrten in der Nacht wach. Schwefelbestäubung nannte er es. Für sie war es reine Schikane! Das machte er nur, um sie zu ärgern! Man sollte ihn einfach in seine Kühlhalle einschließen und verenden lassen.
Ihr Blick glitt von der Decke an die Zimmerwand. Es nutzte nichts, das Kopfkino war an und drehte sich so lustig wie das Rad einer Windmühle bei Windstärke acht. Zeit, sich abzulenken, irgendwie weiterzumachen. Sie würde nicht in den Fluss springen.
Damals, im Gefängnis, hatte sie oft davon geträumt. Aber die Wirklichkeit war anders als ihre Träume, die immer unerfüllt geblieben waren. Sie stand auf, nahm die Zähne aus dem Wasserglas auf dem Nachttisch und schob sie sich in den Mund. Dann ging sie in die Küche, um Kaffee zu kochen.