Читать книгу Die Pferdelords 12 - Der Ritt zu den goldenen Wolken - Michael Schenk - Страница 12
Kapitel 10
ОглавлениеDie Reiter trugen die blitzenden Vollrüstungen der Gardekavallerie des Reiches von Alnoa und sie bestreiften ein fremdes Land. Vor- und Nachhut waren eingeteilt und zusätzliche Gardisten schützten die Flanken der Kolonne. Sie kamen aus der Grenzfestung Maratran, an der südlichen Pforte des Königreiches, und bewegten sich inzwischen tief im einstigen Reich von Jalanne, welches im Krieg des ersten Bundes gegen den Schwarzen Lord vernichtet worden war. Keiner der Bewohner hatte überlebt, doch ihre Dörfer und Städte waren erhalten geblieben. Inzwischen zeigten sie deutliche Zeichen des Verfalls. Jalanne war Niemandsland, denn kein Volk beanspruchte die fruchtbaren Ebenen und üppigen Wälder. Es lag als ein Puffer zwischen Alnoa und der Wüste von Cemenghil. Cemenghil wurde auch Cemen´Irghil genannt, denn dort hatten die Irghil ihre neue Heimat gefunden.
Einst waren die krebsartigen Panzerwesen aus ihrem fernen Land in die Sklaverei nach Jalanne verschleppt worden. Der Krieg gegen den Schwarzen Lord hatte ihre Peiniger das Leben gekostet und sie selbst befreit. Lange Jahre hatten die Irghil unter dem Weißen Magier der Insel Lemaria und dessen Gehilfen zu leiden gehabt. Die Zauberer verstanden sich darauf, der ahnungslosen Garde das friedliche Volk als blutrünstige Bestien zu präsentieren, und so war es zu blutigen Kämpfen zwischen der Gardekavallerie und den Irghil gekommen. Als die Hinterlist der Magier von Nedeam aufgedeckt wurde, vernichteten Pferdelords, Garde und Irghil Seite an Seite die letzten Herren Jalannes. Seitdem herrschte Frieden und wenn sich die Streifen der Gardekavallerie und der Irghil begegneten, so geschah dies in der Art von Waffenbrüdern.
Dies war der Grund, warum sich der Beritt aus Maratran der Grenze zur Wüste näherte.
Neben dem grauen Wimpel des Beritts flatterte das rechteckige Banner des Regimentskommandeurs. Dieser hatte den Helm über das Sattelhorn gelegt und die langen Haare wehten frei im Reitwind aus. Das ebenmäßige Antlitz gehörte einer schönen Frau, die eine Besonderheit im Königreich verkörperte. Sie war die einzige Frau, die in der berittenen Garde diente und zudem auch noch eines der Regimenter und die Festung von Maratran befehligte.
Einst hätte sich die Hochgeborene Livianya ta Barat nicht träumen lassen, jemals eine Rüstung zu tragen und mit der Garde zu kämpfen. Ihr Gemahl war stellvertretender Kommandeur eines Regiments gewesen und hatte in der Festung von Dergoret gedient, die den großen Wall im Norden versperrte. Vor vielen Jahren hatten die Legionen der Orks versucht, über den Pass von Dergoret in das Reich Alnoa vorzustoßen. Sie waren äußerst geschickt vorgegangen und hatten die Garde aus der Festung hervorgelockt. Die Bestien überraschten die Truppe und schlachteten sie ab. Nur eine Handvoll entkam zurück nach Dergoret. Darunter Livianyas schwer verwundeter Gemahl. Man hatte das Signalfeuer entzündet und darauf gehofft, die Truppen des Königs würden rechtzeitig kommen, um die Besatzung der Festung zu retten. Ununterbrochen stürmten die Orks und die Moral der Männer sank. Livianyas Gemahl schaffte es, trotz seiner Wunden den Kämpfern ein Vorbild zu sein. Doch es überforderte seine Kräfte. In der Nacht vor dem letzten Ansturm der Legionen starb er in Livianyas Armen. Wäre sein Tod bekannt geworden, hätte die verbliebenen Verteidiger der Mut verlassen. Als der Morgen dämmerte, trat Livianya in der Rüstung ihres toten Gemahls in die Reihe der Männer. Sie hielten stand. Ungeachtet allen Blutes und Elends und ihrer Verzweiflung. Sie hielten stand und die Truppen des Königs kamen.
Als offensichtlich wurde, wer in der Rüstung ta Barats gekämpft und Ork-Blut vergossen hatte, gewährte der König ihr einen Wunsch. So trat sie der Garde bei, gegen den Widerstand vieler Adliger und Gardisten, die den Traditionen verwurzelt waren. Sie diente als Führer eines Halbberitts, stieg als Hauptmann zum Berittführer auf und gewann in den Kämpfen den Respekt ihrer Soldaten. Sie wurde zu einer Heldin und das einfache Volk liebte seine Helden. Als der alte Kommandant von Maratran starb und sie sich als Kommandantin bewarb, genoss sie inzwischen gleichermaßen die Unterstützung des Volkes und der Garde. So erhielt sie Maratran und die Gegnerschaft jener, die es ihr neideten oder ihr die Rüstung nicht zuerkannten. Livianya war dies gleich. Sie vermisste die hohe Gesellschaft in Alneris nicht und empfand Verachtung für jene, die ihre Soldaten leiden ließen, um den eigenen Wohlstand zu mehren. Sie genoss den Respekt und das Vertrauen des Königs sowie des Oberkommandierenden der Garde, Daik ta Enderos, und war dem Pferdefürsten Nedeam in Freundschaft verbunden. Dieser Umstand hatte sie nun an den Rand der Wüste gebracht.
Die Vorhut des Beritts hielt auf einem sanften Hügel, dessen spärlicher Bewuchs zeigte, dass sich das Land nun im Wandel befand. Der fruchtbare Grasboden wich zurück und die saftigen Halme wuchsen nur noch in kärglichen Büscheln, an denen selbst die Pferde der Kavalleristen keinen Gefallen fanden.
Livianya schloss mit den Übrigen zur Vorhut auf. Der Wind kam aus Richtung der Wüste und die trockene Hitze, die er mit sich führte, trieb den Schweiß auf die Stirn der Menschen. Das sandige Land vor ihnen war von großen und kleinen Felsengruppen übersät. Die Luft flimmerte in der Ferne.
Die Hochgeborene beugte sich zur Seite und zog eines der neuen Langaugen aus ihrer Satteltasche. Es war kleiner als die großen Ausführungen, die in den Festungen und Signaltürmen standen, und das Handelshaus Helderim bot sie erst seit Kurzem an. Livianya ta Barat schätzte sich glücklich, eines davon zu besitzen, denn es vergrößerte die fernen Dinge. Als Soldatin wusste sie, welchen Vorteil es barg, eine Gefahr rechtzeitig zu erspähen. Hier suchte sie jedoch nicht nach einer Gefahr, auch wenn ihre Männer aufmerksam und kampfbereit waren.
„Ein verdammtes Pech, Euer Hochgeboren“, meinte ein Reiter der Vorhut. „Die Irghil bestreifen Jalanne recht eifrig und eigentlich sollten wir längst auf ein paar ihrer Kämpfer gestoßen sein.“
Die Hochgeborene nickte und schob das Instrument mit einem leisen Klicken ineinander. „Wir werden nach Cemen´Irghil hineinreiten. Ich würde uns die Hitze lieber ersparen, doch die Nachricht, die wir zu überbringen haben, duldet keinen Aufschub.“
Hauptmann ta Karek, der den Beritt befehligte, hatte ihre Worte gehört und trieb sein Pferd näher heran. „Verzeiht, wenn ich frage, Euer Hochgeboren, doch was mag es mit der Versammlung auf sich haben, zu welcher wir die Irghil laden sollen? Die Nachricht war dringlich, doch sie nannte keinen Grund.“
„Ich bin ebenso neugierig wie Ihr, Hauptmann. Doch die Botschaft kam über die Signalstationen aus der Hochmark und von Pferdefürst Nedeam. Wenn er sagt, es sei dringend, so steht dies für mich außer Frage.“
Ta Karek nickte mit ernstem Gesicht. „Er hat den Respekt der Garde. Gendaneris, Jalanne und Nerianet, das sind Namen, die den seinen mit der Garde verbinden. Ich zweifle auch nicht am Ernst seines Anliegens, Hochgeborener, sondern daran, ob die Irghil seinem Wunsch folgen werden.“
Livianya lächelte. „Sie kämpften Seite an Seite, ebenso wie wir. Ja, sie werden seinem Wort vertrauen. Im Übrigen werden wir es wohl gleich erfahren.“
Sie deutete in die Wüste hinaus und zur selben Zeit war der Ruf eines der Reiter zu vernehmen. „Bewegung! Sand wirbelt zwischen den Felsen empor.“
Diesmal verzichtete die Hochgeborene auf die Verwendung ihres Langauges. Auch ohne Hilfsmittel war zu erkennen, dass zwischen einigen der Felsen eine dünne Staubfahne emporstieg, wie sie nur von einem heftigen Wind, eilenden Füßen oder Hufen hervorgerufen werden konnte. Kurz darauf waren winzige blaue Schemen sichtbar, die sich rasch näherten und immer deutlicher wurden.
„Eine Streife der Irghil“, kommentierte Hauptmann ta Karek.
Livianya musste lächeln. „Offensichtlich.“
Früher hatte der Anblick die Gardisten in höchste Alarmbereitschaft versetzt, denn mit herkömmlichen Waffen war den gepanzerten Wesen kaum beizukommen. Spezielle Pfeile und Lanzen waren entwickelt worden, um die harten Chitinhüllen durchschlagen zu können. Dabei waren die Irghil im Grunde weder kriegerische Wesen noch verfügten sie über Waffen, wenn man von denen absah, mit denen die Natur sie ausgestattet hatte. Doch die Sklaverei formte sie zu fähigen Kriegern und ihre massiven Kampfscheren erwiesen sich als tödlich.
Ein Irghil glich einem der Krebse, wie sie in den Flüssen und Meeren zu finden waren. Allerdings besaß sein gedrungener Leib fast dieselbe Größe wie der eines Pferdes. Der gesamte Körper war von einem blau schimmernden Panzer geschützt. Sechs Beine dienten der Fortbewegung, ein weiteres Beinpaar war zu mächtigen Scheren ausgebildet, die auf den Rücken gefaltet werden konnten. Unterhalb des Kopfmauls ragten zwei kräftige Arme mit überraschend feingliedrigen Fingern und Daumen hervor, welche die Wesen zu fähigen Handwerkern machten. Oben auf dem Kopf befanden sich drei Augenstiele, deren knollenartige Enden zum Schutz mit schweren Lidern verschlossen werden konnten.
„Ich weiß, sie sind unsere Verbündeten“, raunte einer der Gardisten. „Aber ihr Anblick jagt mir immer wieder einen Schauder über den Rücken.“
Drei dieser Wesen waren nun bis auf wenige Längen heran und hielten vor der Gruppe mit Wimpel und Banner an.
„Ich bin Dan´Valpant, Dan des gepanzerten Volkes, und entbiete Grüße“, wandte sich der Mittlere der Gruppe an Livianya und knickte zur Begrüßung die drei Augenstiele nach vorne. Fraglos erkannte er sie als Anführer der menschlichen Soldaten. „Ich kenne dich, weibliches Schwert. Wir kämpften auf der Insel der tückischen Magier.“
Irghil besaßen keine Stimmbänder, sondern erzeugten die Klänge der menschlichen Sprache durch das Reiben von Hornplatten in ihren Mundhöhlen. Bestimmte Laute erhielten dadurch einen seltsam rollenden Ton.
„Ich bin Livianya ta Barat und befehlige die Festung und Gardekavallerie von Maratran, Dan des gepanzerten Volkes. Ich kenne deinen Namen, Dan´Valpant.“ Die Hochgeborene lächelte unwillkürlich. „Du führtest die Krieger, welche unter Wasser die Flöße zu der Insel zogen.“
Dan´Valpant knickte zustimmend den mittleren Augenstiel nach vorne. „Das Volk begrüßt es, dass wir im Bund stehen. Doch was führt euch in die Nähe unseres Heimes und der Eier, die wir hüten?“
„Eine Nachricht des Pferdefürsten Nedeam aus der Hochmark des Pferdevolkes und sein Wunsch, dass eine Ratsversammlung in Enderonas abgehalten wird.“
„Nedeam? Ich erinnere mich. Wir alle erinnern uns.“ Dan´Valpants Augenstiele wandten sich den anderen Dan der kleinen Gruppe zu. Zischende und klickende Töne waren zu hören, als sich die Kämpfer in ihrer eigenen Sprache unterhielten. Dann wandte sich der Sprecher wieder an Livianya. „Wann soll das Treffen stattfinden?“ Als er den Termin erfuhr, knickte er zustimmend mit dem Augenstiel. „Ich werde die Nachricht an unseren Ältesten, Danot´Nelat, überbringen. Wenn der scherenlose Bruder Nedeam uns ruft, so werden wir kommen.“