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Kapitel 14

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Einst war es das Land der Elfen gewesen. Es lag im Nordwesten des großen Kontinents und wurde durch den westlichen Ausläufer des Noren-Brak geteilt. Ein kleiner Pass hatte die elfischen Regionen miteinander verbunden. Im Norden die Häuser der See, wo man die Schiffe für die Überfahrt zu den neuen Ufern erbaut hatte, und im Süden die Häuser des Waldes, die an das Dünenland grenzten. Der Noren-Brak und das Meer des westlichen Wassers hatten den Elfen Schutz geboten, doch die Grenze zu den Sandclans war offen gewesen. Gelegentlich waren die Turiks aus dem Dünenland nach Norden gezogen, um im Elfenland Holz und Schädel zu nehmen. Sie brachten nur wenig Holz zu ihren Heimstätten zurück und noch weit weniger Schädel und jene, die sie nahmen, bezahlten sie teuer, denn die Elfen waren berühmt als Krieger. Nun waren die Elfen gegangen und das Land war verwaist.

Ein Land voller dichter Wälder und reich an Wild. Die nördlichen Clans des Sandvolkes zogen ihren Vorteil daraus. Sie holten sich das Holz nun ohne Risiko und nutzten es als teure Handelsware gegenüber den südlichen Clans, wobei sie diese daran hinderten, es sich selbst zu besorgen. Es gab Streitigkeiten, die gelegentlich mit der Schädelkeule entschieden wurden.

Doch jetzt schien auch diese Zeit zu enden, die den nördlichen Clans so manchen Vorteil gebracht hatte.

Heldar-Turiko, der Anführer des Nagerclans, hatte die Turikos der anderen Clans zu einem Treffen eingeladen. Solche waren durchaus üblich, um gemeinsame Überfälle zu planen oder Streitigkeiten zu schlichten. Man vereinbarte einen Treffpunkt und jeder der Turikos brachte einen seiner besten Krieger mit. Es war ein Ehrengeleit, welches dem Schutz vor den Gefahren des Dünenlandes diente, denn die Versammlungen der Turikos galten als geschützt und keine Schädelkeule durfte dort erhoben werden.

Heldar hatte sich für den alten Bimar-Turik entschieden. Der narbige Krieger war ihm treu verbunden, selbst wenn ihn die Entscheidungen seines Turikos nicht immer glücklich stimmten. Doch die Ehre des Clans und der Stolz auf Sonnenhaar machten ihn für Heldar zur ersten Wahl, wenn es darum ging, seinen Schädel zu schützen. Bei dieser Versammlung stand zu viel auf dem Spiel, als dass Heldar ein Risiko eingegangen wäre.

Heldar-Turiko besaß einen guten Namen unter seinesgleichen. Das „Sonnenhaar“ hatte schließlich die Clans einst gegen die Pferdereiter und Zwerge und sogar gegen eine Legion der Orks geführt. Auch wenn die Clans nicht siegreich gewesen waren, so hatte es doch manche Heldentat gegeben und der Turiko hatte, nach einhelliger Meinung der Clans, dem Pferdevolk einen Waffenstillstand abgetrotzt, der zu begrenztem Handel führte.

Als Heldar den anderen Turikos von der Versammlung in Enderonas berichtete, waren die Stimmen geteilt. Manche begriffen die Lage und pflichteten Heldar bei, andere bezweifelten seine Worte.

„Der Clan der Fleckbeißer bezweifelt die Wahrheit der Worte.“ Der Turiko des Clans erhob sich und stampfte energisch mit dem Fuß auf den Sand. „Es ist eine List der Pferdereiter, um uns auf ihr Gebiet zu locken und abzuschlachten. Dort, wo uns der Sand nicht schützen kann.“

„Du redest Unsinn“, wehrte der Turiko der Sandwühler ab. „Du weißt doch selber, dass die Elfen ihre Ländereien verlassen haben. Wir haben auch die Beben gespürt, die den Sand in Bewegung versetzten und fast die Heimstatt der Raubläufer verschlangen.“

„Am Wort von Sonnenhaar ist nicht zu zweifeln“, pflichtete nun auch ein anderer bei.

Die neun Turikos saßen im Kreis. Die Ehrenwachen konzentrierten sich auf Gefahren, die von außen drohen mochten, und achteten kaum auf die Vorgänge innerhalb der Runde. Bimar-Turik hatte sich erboten, für das Wohl der Ratsmitglieder zu sorgen, da seine Sinne durch das Alter nicht mehr so scharf seien. So ging er hinter den Rücken der Turikos umher und füllte ihre Becher immer wieder mit Wasser oder dem gegorenen Stachelpflanzensaft.

„Dann hat er sich täuschen lassen“, stieß der Turiko der Fleckbeißer wütend hervor. „Was Sonnenhaar sagt, das stinkt nach einem Hinterhalt der Pferdereiter.“

„Der Pferdereiter Nedeam gab mir sein Wort und ihr kennt seinen Namen aus unseren Liedern. Ich vertraue ihm.“

„Du stinkst schon selbst nach Pferd“, zischte der Anführer der Fleckbeißer.

Es gab einen dumpfen Schlag, der vom Knacken brechender Knochen begleitet wurde. Während der Turiko leblos nach vorne sackte, sprangen die anderen entsetzt auf. Ihre Ehrenwachen zogen die Schädelkeulen und sprangen herbei.

„Das Gesetz wurde gebrochen!“, schrie einer erregt und andere stimmten zu. „Der Turik des Nagerclans hat die Unverletzlichkeit des Rates missachtet!“

Zwei der anderen Krieger, zu denen auch die Ehrenwache des Toten gehörte, machten Anstalten, sich auf Bimar-Turik zu stürzen. Der narbige alte Krieger grinste und zeigte dabei einen fast zahnlosen Mund. „Wollt ihr es wirklich versuchen? Nur zu, eure Schädel fehlen mir noch in meiner Sammlung.“

Heldar-Turiko hatte sich ebenfalls erhoben. „Halt! Kein Blut wird fließen. Kein Schädel wird genommen.“

„Es ist bereits Blut geflossen“, hielt ein wütender Turiko dagegen.

„Wartet und achtet das Gesetz“, meldete sich einer zu Wort. „Denn es wurde zweimal gebrochen. Einmal, als Bimar-Turik seine Keule erhob, doch zuvor durch den Turiko der Fleckbeißer, denn er beleidigte einen der unseren auf schändliche Art.“

„Das ist wahr“, räumte der Turiko der Sandwühler ein. „Er bezichtigte Sonnenhaar, nach Pferd zu stinken. Das ist eine sehr ernste Beleidigung.“

„Die mit Blut zu begleichen ist“, bekräftigte Bimar-Turik mit kalter Stimme. „Ich habe das erledigt, damit Sonnenhaar sich nicht an dem Fleckbeißer beschmutzen musste. Vielleicht war ich ein wenig vorschnell, doch die Beleidigung brachte mein Blut in Wallung und meinen Arm zum Schlag.“ Er deutete mit der blutigen Keule auf die Leiche. „Daher schlug ich auch ein wenig fester zu. Der Schädel ist wohl ruiniert und taugt nicht einmal als Zierde für ein Schädelhaus.“

Der Turiko der Sandwühler machte eine beschwichtigende Geste zu den Kriegern. „Er hatte ohnehin keinen vernünftigen Gedanken darin. Senkt die Keulen und setzt euch wieder. Hier geht es um die Belange der Clans und ihre Zukunft.“ Er deutete auf die Ehrenwache der Fleckbeißer. „Du siehst stark und klug aus. Klüger als der alte Turiko deines Clans. Du scheinst mir geeignet, seine Stellung einzunehmen.“

Der Krieger runzelte die Stirn und folgte zögernd der Einladung, in der Runde Platz zu nehmen. Zwei andere Turiks schleiften den Toten rasch zur Seite und warfen Sand über das frische Blut. „Der Clan der Fleckbeißer muss seinen Turiko erwählen.“

„Nun, wenn ich dich so sehe, wird er wohl eine gute Wahl treffen.“ Der Sprecher zuckte mit den Schultern. „Der alte Turiko hat dich doch sicher als Begleiter ausgewählt, weil du der Fähigste seiner Kämpfer bist, nicht wahr? Ah, du nickst. Dann wirst du auch Sorge tragen können, dass du der neue Turiko bist.“ Er klatschte in die Hände und sah Heldar-Turiko auffordernd an. „Und jetzt sollten wir endlich wieder zum Grund unserer Versammlung kommen. Es geht auf den Mittag und ich schätze dessen Sonne nicht.“

Heldar erläuterte den Plan, den die Versammlung in Enderonas gefasst hatte.

„Wir sollen mit den Zwergen zusammenarbeiten?“ Der Turiko der Sandwühler wiegte nachdenklich den Kopf. „Ich mag diese kleinen Kerle nicht. Sie sind schwer zu treffen und widerlich gute Axtschläger.“

„Sie mögen uns und unsere Schädelkeulen und Blasrohre ebenso wenig“, versicherte Heldar. „Doch wir müssen einander nicht mögen, um zusammenarbeiten zu können.“

„Das ist wahr. Aber es wird Spannungen zwischen ihnen und uns geben. Wir können ihnen nicht trauen.“

„Sie werden uns auch nicht vertrauen.“ Sonnenhaar sah die anderen eindringlich an. „Aber das müssen wir, wenn unsere Völker überleben sollen.“

„In eine neue Heimat? Gemeinsam mit den Pferdereitern und den Zwergen?“ Einer der Männer spuckte aus. „Das gefällt mir nicht.“

„Sie bauen die Schiffe und wir besorgen ihnen das Holz.“ Heldar grinste. „Es mag uns nicht gefallen, doch es sichert unseren Clans das Leben.“

„Warum sollen wir das Holz schlagen? Sollen sie es doch in ihrem Land tun. Das ist auch viel näher.“

Heldar blickte den Fragesteller an und nickte. „Du hast recht. Doch da wir mit einem Angriff des Schwarzen Lords rechnen müssen, wird alles von außen nach innen geschafft. Von den fernen Ländern zum Zentrum, wo die Schiffe entstehen.“

„Ich verstehe.“ Einer der anderen zog seinen Dolch aus dem Gürtel, zog einen Kreis in den Sand und stieß die Klinge in dessen Mitte. „Der Feind wird uns von außen bedrängen und der Schwarze Lord ist überaus mächtig. Er wird uns zurückwerfen, daran habe ich keinen Zweifel. Gleichgültig, wie tapfer wir auch kämpfen mögen. Seine Orks sind zahlreich wie die Körner des Sandes. Hat er uns von der äußeren Grenze verdrängt, so können wir die innere noch halten und haben dort genug Holz und andere Mittel, um alles vollenden zu können.“

„So ist der Plan.“

Ein anderer fluchte leise. „Sollen wir etwa die ganzen Baumstämme bis nach Alnoa schleppen?“

„Nein. Wir fällen sie gemeinsam mit den Zwergen. Fuhrwerke des Pferdevolkes und der Zwerge werden sie abholen und zu den Furten des Eisen transportieren. Von dort lässt man sie den Fluss Ronin hinunterschwimmen. Er mündet bei Mintris in den Fluss Genda.“

„Das ganze Holz wird den Fluss verstopfen.“

„Einer vom Pferdevolk erklärte mir, man werde immer ein paar Stämme zusammenbinden, sodass Männer auf ihnen stehen können. Die sorgen dafür, dass es keine Verstopfung gibt.“

„Wir werden Äxte brauchen, um all das Holz zu schlagen.“

Heldar-Turiko seufzte. „Die Herren Axtschläger der Zwerge sind uns sicher behilflich.“

„Ich mag diese kleinen Burschen nicht.“

„Das erwähntest du bereits und du kennst meine Antwort.“

Der neue Turiko der Fleckbeißer räusperte sich. „Wie wird sie sein?“

„Wie wird was sein?“ Heldar warf dem Mann einen irritierten Blick zu.

„Die neue Heimat. Werden wir dort neue Sanddünen finden?“

„Sand findet sich überall. Und wo Sand ist, da findet sich auch eine neue Heimat.“


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