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3 Die Götterwelt der Mittel- und Spätbronzezeit in palästinischen Texten und Bildern 3.1 Die Götterwelt Palästinas in der Mittelbronzezeit

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Ab der Mittelbronzezeit II (2000–1550 v. Chr.) besitzen wir erste schriftliche Überlieferungen über die im Land verehrten Gottheiten. Die wichtigsten Belege, die als Ächtungstexte bekannten magischen Texte, stammen aus Ägypten. Der Aufbau dieser Texte ist relativ stereotyp: Es werden Listen von Herrschernamen und die ihnen unterstellten Städte bzw. Landschaften genannt. Indem man die Schalen oder Figuren, auf die die Namen geschrieben waren, rituell zerbrach, erhofften sich die Ägypter, die Oberherrschaft über diese Ortslagen bzw. Regionen zu erhalten oder zu bewahren. Die Ächtungstexte sind daher typische Belege für den Versuch Ägyptens, in Palästina eine Oberherrschaft auszubauen. Viele Lesungen sind noch immer umstritten.

Derzeit sind drei Gruppen von derartigen Ächtungstexten bekannt, die sich mit dem Raum Palästina beschäftigen:105

– Texte von Mirgissa, datiert in die späte 12. Dynastie (ca. 1800 v. Chr.)

– Gruppe Sethe, gleichfalls datiert in die späte 12. Dynastie (ca. 1800 v. Chr.)

– Gruppe Posener, datiert in die 13. Dynastie (ab ca. 1750 v. Chr.).106

Die Ächtungstexte sind eine wichtige Quelle für die Religionsgeschichte, denn die in ihnen genannten Personen- und Ortsnamen enthalten theophore Elemente, die wiederum zeigen, welche Gottheiten damals im syrisch-palästinischen Raum verehrt wurden.107 Außer den Ächtungstexten besitzen wir nun auch vereinzelte schriftliche Überlieferungen aus Palästina selbst, die in Keilschrift108 oder aber in ägyptischer Schrift109 verfasst sind. In all diesen Texten werden folgende Götternamen genannt:110

– Ab (Vater, Ersatzname): 11 Belege111

– Aḥ (Bruder, Ersatzname): 2 Belege112

– Am (Verwandter, Ersatzname): 13 Belege113

– Anat (kanaanäische Kriegsgöttin): 2 Belege114

– Anu (mesopotamische Himmelsgottheit, höchster Gott in Mesopotamien): 2 Belege115

– El (höchster Gott des kanaanäischen Pantheons von Ugarit): 13 Belege116

– Haddad (kanaanäisch-syrischer Sturm- und Wettergott): 26 Belege117

– Horon (kanaanäische Unterweltsgottheit): 2 Belege118

– Hq (nicht weiter belegt): 1 Beleg119

– Ischtar (mesopotamische Liebesgöttin): 1 Beleg120

– Jam (ugaritische Gottheit des Salzwassermeeres): 1 Beleg121

– Japa (nicht weiter belegt): 1 Beleg122

– Kuna (nicht weiter belegt): 1 Beleg123

– Nergal (mesopotamischer Gott der Unterwelt und des Totenreiches): 1 Beleg124

– Schahar (ugaritische Gottheit der Morgenröte): 1 Beleg125

– Schamasch (Sonnengott in Mesopotamien): 3 Belege126

– Sin (Mondgott in Mesopotamien): 1 Beleg127.

Hinzu kommen noch Gottheiten, die auf ägyptischen Skarabäen aus Palästina als Göttername (und nicht als theophorer Bestandteil ägyptischer Königsnamen) genannt werden; man wird daher davon ausgehen können, dass diese Götter auch in Palästina, vielleicht von Ägyptern, verehrt wurden:

– Re (ägyptischer Sonnengott)128

– Ptah (Hauptgott von Memphis und Schöpfergott)129.

Diese Zusammenstellung der Götternamen ist unter mehreren Gesichtspunkten bemerkenswert. Ersatznamen, die sich auf Verwandtschaftsbezeichnungen (Ab, Ag, Am) beziehen, sind besonders häufig belegt.130 Hier haben wir auf einer sprachlichen Ebene einen Beleg für den Ahnenkult, der sich archäologisch schon seit dem Neolithikum nachweisen lässt. Die Ersatznamen meinen zweifelsohne vergöttlichte Ahnen. Am ist dabei am häufigsten belegt. Auch Ab ist relativ häufig vertreten, allerdings schwerpunktmäßig in den jüngeren Ächtungstexten und dort vor allem in Orten im Norden Palästinas und in Syrien. Ag findet sich dagegen relativ selten. Von den mesopotamischen Göttern, von denen es mit Anu, Ischtar, Nergal, Schamasch und Sin relativ viele gibt, ist nur Schamasch mehrfach erwähnt;131 allerdings kann der Name Schamasch auch als kanaanäischer Gottesname gelesen werden. Trotzdem dürfte die Nennung von derart vielen mesopotamischen Gottheiten ein Beleg für einen gewissen mesopotamischen Einfluss auf die Religion dieser Zeit ausdrücken. Ägyptische Gottheiten finden sich trotz der ägyptischen Präsenz in Palästina dagegen nicht in Personennamen, wohl aber auf Siegeln.

El132 wird 5-mal erwähnt und ist damit offenbar einer der wichtigsten Götter im Lande. Nur in den jüngeren Ächtungstexten taucht dagegen der Gott Haddad auf.133 Er scheint anfangs noch nicht von großer Bedeutung gewesen zu sein, dann aber einen rasanten Aufstieg vollzogen zu haben. Sein Aufgabenbereich als Sturm- und Wetter-, aber auch als Fruchtbarkeitsgott scheint nun besonders gefragt gewesen zu sein. Dies zeigt sich auch auf einem Siegel aus Megiddo,134 auf dem der Wettergott mit seinem Symboltier Stier, der nun auch häufig separat als Symbol für den Wettergott verwendet wird,135 dargestellt ist; getrennt durch einen irdischen Würdenträger mit Wulstsaummantel steht dem Wettergott eine Fruchtbarkeitsgöttin gegenüber, die ihr Gewand zur Seite schiebt und sich so dem Wettergott anbietet. Mit dieser eindeutig sexuellen Darstellung soll verdeutlicht werden, dass die Fruchtbarkeitsgöttin für den Regen/Samen des Wettergottes bereit ist. Der Wettergott kann auch mit einem Pflanzensymbol dargestellt sein,136 was gleichfalls die Bedeutung des Wettergottes für die Fruchtbarkeit verdeutlicht. Nach einer Phase stärker nomadisierenden Lebens in der Frühbronzezeit IV/Mittelbronzezeit I beginnt mit der Mittelbronzezeit IIB wieder eine starke Ausrichtung auf das städtische Leben und damit auch auf den Ackerbau. Die Konzentration auf die Städte hat aber zwangsläufig wieder die Abhängigkeit von den Ernteerträgen zur Folge, und diese hängen wiederum von den Niederschlägen in den Wintermonaten ab. Bleiben diese aus, droht eine Hungersnot. So ist es nicht verwunderlich, dass mit der neuerlichen Blüte der Stadtstaatenkultur auch der Wettergott Haddad, der später mit Baal gleichgesetzt wird, an Bedeutung gewinnt.

Namen von Göttinnen sind so gut wie gar nicht belegt. Dies mag daran liegen, dass wir hier Männernamen vor uns haben, die eher mit einer männlichen Gottheit verbunden werden. Zumindest im Alten Testament gibt es zudem auch kaum Frauennamen mit theophorem Element.137 Möglicherweise gilt dies auch schon für die Mittelbronzezeit. Trotzdem überrascht die geringe Zahl an Göttinnen etwas, zumal in den Heiligtümern nur Göttinnenfigurinen gefunden wurden (vgl. oben S. 26). Wenn Göttinnen überhaupt erwähnt werden, dann ist gleichermaßen der kriegerische (Anat)138 wie der Liebesaspekt (Ischtar)139 ausgedrückt.

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