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6.2 Die Religion Ugarits

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Die Religion Ugarits kann hier nicht in extenso behandelt werden. Anhand des Baalzyklus (KTU 1.1–6), dem wohl wichtigsten mythologischen Text aus Ugarit, sollen einige bedeutsame Elemente dieser Religion beschrieben werden. In diesem Text ist die Königsherrschaft Baals der zentrale Inhalt. Wie in Palästina wurde Baal auch in Syrien als Wetter- und Sturmgott verehrt. Niederschläge gibt es in der Region Ugarits nur im Winter. Im Sommer ist der Wettergott ohne Bedeutung; ab April oder spätestens Mai regnet es nicht mehr bis in den Spätherbst hinein. Die gesamte Natur vertrocknet. Dieser jährliche Wechsel zwischen Winter- und Sommermonaten und damit zwischen einer Wirkmächtigkeit des für Regen zuständigen Wettergottes und einer Schwächeperiode dürfte sich in den Texten des Baalzyklus widerspiegeln.

Leider wurden die Stücke von KTU 1.1–6 nicht zusammenhängend und im selben Raum gefunden. Das führte zu einigen Diskussionen über die genaue Anordnung und die Zusammengehörigkeit der Texte. Inzwischen hat sich jedoch ein Konsens herausgebildet, dass sich im Baalzyklus vielleicht ursprünglich verschiedene Themenbereiche finden, die in eine zusammengehörende Geschichte zusammengefügt wurden. Diese These würde manche Spannungen, die es in dem Text gibt, einleuchtend erklären.

In KTU 1.1 erklärt der Göttervater El dem Handwerkergott Koschar-we-Chasis die Geheimnisse der Welt. Koschar-we-Chasis erhält zudem den Auftrag, einen Palast zu bauen. Bei einem Festmahl wird Baal seine Königsherrschaft genommen, und der Meeres- und Flussgott Yamm soll aus der Hand Baals einen Palast erhalten, möglicherweise den von Koschar-we-Chasis erbauten. Als Herr der Flüsse ist Yamm derjenige, der auch in Trockenzeiten noch Leben sichern kann. Während im Sommer Baals Wirkmächtigkeit als Wettergott gleichsam bedeutungslos ist, führen die Flüsse noch weiter Wasser mit sich und sichern so an ihren Ufern Lebensfülle und Pracht. Die Folge dieser Entwicklung ist, dass Yamm, der Liebling Els, einen Palast erhalten und Baal verjagen soll.

In KTU 1.2 folgt eine Auseinandersetzung zwischen Baal und Yamm. Yamm schickt Boten zu El und zu der Götterversammlung, die darauf dringen sollen, dass Baal ausgeliefert wird. El ist durchaus bereit, Baal seinem Widersacher auszuliefern. Baal aber wehrt sich dagegen und will die Boten Yamms erschlagen, wird daran aber von Anat und Aschtart gehindert. In Kol. III trifft dann Koschar-we-Chasis ein und erhält den Auftrag, den Palast für Yamm zu errichten (KTU 1.2 III 6–9):236

[Dan]ach antwo[rtete der Stier El], 7 [sein Vater]:

„Koschar-we-Chasis, brich auf!

Baue ein Haus für Yamm,

[err]ichte einen Palast für den Richter Fluss,

8 [ein Haus für den Fl]uß inmitten des [Meeres!]

Brich auf, Kochar-we-[Chasis!]

[Eiligst bau]e ein Haus für Fürst Yamm,

9 [errich]te einen Palast für den Richter Fluss

inmitten des Bet[tes des Meeres!]

Der Gott Aschtar, wohl ein astraler Gott, erhebt Einspruch gegen diesen Auftrag und hält sich selbst für den adäquaten Nachfolger Baals. Auch er besitze keinen Palast. El bestätigt jedoch seine Entscheidung zugunsten Yamms. In Kol. IV überreicht Koschar-we-Chasis dem Baal ein Waffenpaar für die drohende Auseinandersetzung mit Yamm und bestärkt ihn damit für seinen Kampf (KTU 1.2 IV 7–11):

7 Da antwortete Koschar-we-Chasis:

„Wahrlich, ich sage 8 dir, oh Fürst Baal,

ich wiederhole, oh Wolkenfahrer:

Nun, deine Feinde, 9 oh Baal,

nun, deine Feinde sollst du schlagen,

nun du sollst vernichten deine Gegner!

10 Nimm dein ewiges Königtum,

deine immerwährende Herrschaft!“

11 Koschar formte zwei Waffen.

Tatsächlich helfen die Waffen dem Baal, Yamm zu besiegen. Dies scheint jedoch kein endgültiger Sieg gewesen zu sein. Zunächst wird die Göttin Anat als grausame Kriegsgöttin dargestellt, die zwei Städte vernichtet (KTU 1.3 II 23–30):

23 Sie kämpfte grimmig und schaute,

24 Anat schlug nieder und blickte umher.

25 Ihr Inneres schwoll durch Lachen,

es füllte sich 26 ihr Herz mit Freude,

das Innere der Anat 27 mit Triumph.

Ja, sie tauchte ihre Knie ins Blut der 28 Starken,

die Oberschenkel ins Gerinsel der Soldaten.

29 Bis sie gesättigt war, kämpfte sie im Haus,

30 schlug sie nieder zwischen beiden Tischen.

Baal lädt mittels Boten Anat zu sich auf den Zaphon-Berg ein, einen Berg nördlich von Ugarit, der als Götterberg und Wohnsitz der Götter verstanden wurde. Er will ihr ein Geheimnis verraten, das sich auf seine Wirkmächtigkeit als Wettergott bezieht. Nachdem Anat der Einladung nachgekommen war, erklärt er ihr, dass er keinen Palast auf dem Götterberg habe wie alle anderen Götter. Anat beteuert nun, dass sie sich für Baal bei El einsetzen werde. Sie wendet sich daraufhin direkt zum Wohnsitz Els, der „am Quellfluss der beiden Ströme, inmitten der Betten der beiden Fluten“ wohnt (KTU I.3 V 6–7 und öfter). El wird damit als der Gott charakterisiert, der über den unterirdischen Ozean verfügt, der mit seinen Quellen Leben schafft und durch Flüsse an die Erdoberfläche tritt. Der Dialog mit El ist leider stark zerstört. In der nächsten Passage wird die starke Leuchtkraft der Sonnengottheit Schapasch betont; mit der Sonneneinstrahlung sinkt zwangsläufig die Wirkmächtigkeit Baals. Leider geht nicht klar hervor, wie Els Antwort auf Anats Forderung nach einem Palast für Baal lautet.

In KTU 1.4 wird wieder das Fehlen eines Palastes für Baal beklagt. Die Göttin Aschirat des Meeres soll nun mit Hilfe von Preziosen, die Koscher-we-Chassis erstellt, verführt werden, um sich für Baal einzusetzen. Anat und Baal begeben sich mit den Preziosen zu Aschirat und können sie überzeugen. Sie reist daraufhin zu ihrem Gemahl El und versucht, seine Zustimmung für einen Palastbau für Baal zu erreichen. El lässt sich nun überreden, wofür ihn Aschirat lobt. Anat überbringt diese frohe Botschaft eilends Baal, der daraufhin Koschar-we-Chasis zu sich bestellt. Als die Baudetails diskutiert werden, gibt es unterschiedliche Ansichten über die Gestaltung des Baus (KTU 1.4 V 58–65):

58 Da antwortete Koschar-we-Chasis:

59 „Höre, oh allmächtiger Baal,

60 gib acht, oh Wolkenfahrer:

61 Sollte ich nicht eine Luke im Gebäude anbringen,

62 ein Fenster inmitten im Palast?“

63 Da antwortete der allmächtige Baal:

64 „Bring keine Luke im [Gebäude,

65 kein Fenster mitten im Palast an!]

Dieser Verzicht auf den Einbau eines Fensters ist folgenschwer, denn nur durch ein solches Fenster können die himmlischen Wasser vom Palast des Baal auf die Erde regnen (vgl. Gen 7,11). Baal verzichtet auf dieses Fenster, weil er Angst hat, Yamm könne so in seinen Palast eindringen. Der Palast wird fertiggebaut, und Baal feiert mit den anderen Göttern ein großes Einweihungsfest. Erst jetzt fordert Baal den Koschar-we-Chasis auf, ein Fenster in dem Palast einzusetzen. Durch diese Öffnung soll Regen des himmlischen Süßwasserozeans auf die Erde fallen. Damit entfaltet Baal seine Wirkmächtigkeit als Wettergott. Lediglich der Gott Mot stellt sich ihm als obersten Gott (neben oder unter El) noch entgegen und droht ihm an, ihn zu verschlingen (KTU 1.5 I 27–31)

27 Du hast wahrlich 28 [Lotan, die flüchtige Schlange geschlagen,]

du hast vernichtet 29 [die gewundene Schlange,]

die Mächtige 30 [mit den sieben Köpfen,]

du hast entblößt, 31 [losgemacht die Himmel wie einen Gürtel.]

Ich will dich gefangen setzen, [ich werde dich verzehren

in blutigen Stücken von zwei Ellen!

Du wirst hinabsteigen in den Rachen des göttlichen Mot,

in den Schlund des Geliebten Els, des Helden.]

Die hier erwähnte Schlange Lotan ist sprachlich und inhaltlich mit dem biblischen Leviathan gleichzusetzen (vgl. Hi 3,8; 40,25; Ps 74,14; Jes 27,1). Baal, dessen Wirkmächtigkeit angesichts der Sonne wohl inzwischen wieder geschwächt ist, erklärt sich nun selbst freiwillig zum Sklaven Mots. Dieser fordert Baal auf, sich in die Unterwelt zu begeben, damit alle Götter wissen, dass er tot sei (KTU 1.5 V 16–17). Baal macht sich auf den Weg, kopuliert aber vorher noch mit einer Kuh. Diese gebiert einen Stier. Baal scheint damit für die Zeit seines Aufenthalts in der Unterwelt einen Nachfolger oder Stellvertreter gezeugt zu haben. Die Götter und insbesondere El betrauern Baal. Anat aber macht sich auf in die Unterwelt, um Baal zu suchen.

In KTU 1.6 trauert sie zunächst über den Tod Baals, dann lässt sie sich seinen Leichnam auf die Schultern legen und trägt ihn zu den Höhen des Götterberges Zaphon. Dort bringt sie Opferriten für eine Trauerfeier dar. Anat wendet sich daraufhin zu El, der über den Nachfolger Baals als König nachsinnt. Aschirat des Meeres schlägt Aschtar vor, der sich sofort auf den vakanten Thron Baals setzt. Doch Aschtar scheint von seinen Qualitäten her nicht geeignet, das Amt des Königs auszufüllen; er ist schlichtweg zu klein (KTU 1.6 I 59–61):

59 Seine Füße erreichten nicht 60 den Fußschemel,

sein Kopf erreichte nicht 61 sein Ende.

Aschtar sieht daraufhin selbst ein, dass er für dieses Amt nicht geeignet ist. Anat wendet sich nun Mot zu. Um Baal wieder zum Leben zu erwecken, tötet sie ihn mit einem Schwerthieb, verbrennt ihn mit Feuer, zermalmt ihn mit einem Mühlstein und streut die zermahlene Asche auf dem Feld aus (KTU 1.6 II 340–37). Hier sind alle Möglichkeiten der Vernichtungssymbolik des Vorderen Orients gemeinsam aufgezählt: Mot ist so völlig vernichtet und hat keine Wirkmächtigkeit mehr!

Baal erwacht daraufhin aus seinem Todeszustand. El hat einen Traum, in dem es wieder regnet und die Bäche Wasser führen – deutliche Zeichen für eine erneute Wirksamkeit des Wettergottes Baal. Er fordert Anat und Schapasch auf, nach Baal zu suchen. Offenbar wird er gefunden und ist wieder wirkmächtig – die entsprechenden Zeilen sind leider zerstört. Baal rächt sich nun an den Söhnen der Aschirat. Im siebten Jahr kommt es zu einer erneuten Auseinandersetzung zwischen Baal und Mot. Der Text ist nun aber stark zerstört.

In keinem anderen Text aus Ugarit werden die Gottheiten so deutlich beschrieben wie in diesem. Manche Assoziationen zu biblischen Texten sind mit den Händen zu greifen, und es kann angesichts der vielen Parallelen und Ähnlichkeiten nicht bezweifelt werden, dass ähnliche mythologische Texte auch den Verfassern des Alten Testaments vertraut waren.

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