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4 Die Religion der Spätbronzezeit
ОглавлениеDie offizielle Religion der Spätbronzezeit war sehr stark auf den Tempel ausgerichtet.206 Während es in der Mittelbronzezeit noch eine Vielfalt von unterschiedlichen Heiligtümern gab, konzentrierte sich der Kult nun im Wesentlichen auf den Tempel. Nach dem derzeitigen Grabungsbefund standen derartige Tempel nun fast nur noch in den Städten. Und dort gab es in der Regel – abgesehen von den „Großstädten“ Hazor (82 ha) und Lachisch (20 ha), wo angesichts der großen Einwohnerzahl mehrere Tempel nötig waren – auch nur einen einzigen Tempel. Die meisten Menschen der Spätbronzezeit lebten in Städten, so dass eine derartige Konzentration auch durch die Siedlungsentwicklung nicht überraschend ist. Da in diesen Zentralorten jeweils ein König oder Fürst regierte, ist eine enge Verbindung zwischen Kult und Politik weiterhin, wie schon in der Mittelbronzezeit, sehr wahrscheinlich. Bei den Akropolistempeln in Hazor (Areal A)207 und Lachisch waren Palast und Tempel auch unmittelbar benachbart. Der schon in der Mittelbronzezeit angelegte Migdal-Typ der Tempelbauten wurde beibehalten.
Bei der Bausubstanz lassen sich jedoch bemerkenswerte Unterschiede beobachten. Auch wenn die Außenmauern der mittelbronzezeitlichen Tempel weitgehend unverändert blieben, hat sich die Innengestaltung häufig erheblich geändert. Am besten kann man dies bei den Tempeln in Hazor Areal H beobachten. Ursprünglich war die Anlage so ausgerichtet, dass man schon von der Straße aus Kontakt zu der in dem Tempel verehrten Gottheit aufnehmen konnte. Jeder Passant konnte einen Blick in den Tempel werfen und die auf einem Podium oder in einer zentralen Nische aufgestellte Figurine der Gottheit erblicken. Obwohl die Heiligtümer mit ihren Höfen meist durch eine Mauer von der profanen Umwelt abgegrenzt waren, bestand so doch eine enge Verknüpfung zwischen Profanität und Heiligkeit. In Hazor wurde nun in einer neuen Bauschicht der Hofeingang an die Seite verlegt, so dass man den Temenosbereich bewusst betreten musste, um Kontakt mit der Gottheit aufzunehmen. Später wurde in dem Tempel sogar eine Blendmauer eingebaut, die eine unmittelbare Kontaktaufnahme von außen verhindern sollte.
Eine bemerkenswerte Ausnahme gegenüber den Stadttempeln bildet der Tempel von Tel Mevorakh/Tell Mubarak etwa 10 km südlich von Dor. Er liegt unmittelbar an einer Straße, die (wegen der sumpfigen Küstenregion) ein Stück landeinwärts versetzt parallel zur Mittelmeerküste verlief. Dieser Tempel war offenbar alleinstehend ohne zugehörige Ortschaft. Einige spätbronzezeitliche Ortschaften liegen zwar in einem Umkreis von etwa 10 km, doch dürfte der Tempel vorwiegend als Heiligtum für Reisende gedient haben. Möglicherweise wurde der Tempel hier errichtet, damit Reisende vor dem Überschreiten des Karmels und damit vor dem Eintritt in eine andere Region des Landes mit anderen politischen Rahmenbedingungen noch einmal zu ihrer Gottheit beten konnten. In Stratum XI (15. Jh. v. Chr.) war der Tempel 10 × 5 m groß (Innenmaße). Die umlaufenden Depositbänke zeigen, dass nun – wie in vielen anderen Tempeln auch – das Deponieren von Opfergaben vor einer Gottheit wieder eine größere Bedeutung gewonnen hat. Entsprechend wurden auch viele Keramikgefäße entdeckt, die der Gottheit übereignet wurden. In der nordwestlichen Ecke befand sich ein aus Lehmziegeln errichtetes Podium mit einer Größe von 2,0 × 1,7 m. Zu diesem Podium führten von Osten her 5 Stufen hinauf, auf denen Keramik gefunden wurde. In der Mitte der Südseite des Podiums gab es eine annähernd quadratische Einbuchtung mit etwa 50 cm Seitenlänge. Diesem Podium ist nach Süden hin eine 2,9 m lange und 1,2 bzw. 1,6 m tiefe, L-förmige Plattform vorgelagert, die wiederum nach Süden hin von zwei kleineren Podien begrenzt wird. Versucht man diese eigentümliche Anlage zu interpretieren, wird man an das Altargesetz Ex 20,24–26* erinnert. Der älteste Textbestand lautet:
24aα | Einen mzbḥ aus Erde sollst du mir machen. |
25aβ | Nicht darfst du ihn als Behauenes bauen. |
26a | Nicht sollst du auf Stufen zu meinem mzbḥ hinaufsteigen. |
Das Wort mzbḥ wird in der Regel mit Altar übersetzt, meint aber wörtlich den Ort des Schlachtens. Allerdings ist der Begriff wohl noch umfassender im Sinne des heiligsten Ortes innerhalb des Heiligtums zu verstehen, an dem der Gottheit Gaben übereignet wurden. Ein Podium wie das von Tel Mevorakh/Tell Mubarak würde dem biblischen Text genau entsprechen. Die entscheidende Frage ist, was konkret mit V. 26a gemeint ist. Ein großer Altar, wie er z.B. in Ez 43,13–17 vorausgesetzt wird, kann nicht ohne Stufen betreten werden. Somit gibt der Grundtext von Ex 20,24–26 eindeutig ein älteres Stadium wieder. Das Verbot, die Stufen zu betreten, ist eigentlich nur sinnvoll, wenn die Stufen integraler Bestandteil des Podiums sind und auch das Podium nicht betreten werden durfte, sondern als Ablagefläche für Gaben verwendet wurde. Das würde wiederum die quadratische Einbuchtung in dem Podium von Tel Mevorakh/Tell Mubarak sofort verständlich machen. Um an jeden Fleck auf dem Podium gelangen zu können, um z.B. umgefallene Gefäße wieder aufzuheben, ohne den Altar zu betreten, benötigte man schlichtweg die Einbuchtungen. Wenn die sonstigen Altäre in der Spätbronzezeit jeweils Tempel en miniature (s. dazu unten) waren, so kann man vielleicht sogar annehmen, dass die Podien mit vorgelagerten Stufen ein Zikkurat-ähnliches Heiligtum repräsentierten.
Wie bereits erwähnt, spielten Depositbänke mit den auf ihnen abgelegten Gaben in der Spätbronzezeit wieder eine größere Rolle. Im Grabentempel in Lachisch stieg die Länge der Depositbänke von 2 m (Schicht I) über 45,4 m (Schicht II) auf 53,4 m (Schicht III) kontinuierlich an. Diese Entwicklung war jedoch nicht überall gleich. Im Orthostatentempel in Hazor existierten in Schicht 2 insgesamt 40 m lange Depositbänke, in Schicht 1B wurden sie gänzlich aufgegeben, in Schicht 1A dann in einem bescheidenen Maße wieder errichtet. In nahezu jedem Tempel fand man in der Nähe der Podien und Bänke Schmuck unterschiedlichster Art, kostbare Elfenbeinarbeiten und aufwändige Keramikgefäße. Während in der Mittelbronzezeit noch Miniaturgefäße für eine symbolische Opfergabe ausreichten, wurde der Opfervollzug nun konkreter und realer. In den Keramikgefäßen dürfte vor allem Wein, Bier oder Öl der Gottheit übereignet worden sein. Außerdem fand man im Bereich der Depositbänke und der Podien Schmuck, Siegelsteine, Amulette, Werkzeuge, Waffen und Spielsteine bzw. Astragali (kleine zum Würfeln geeignete Sprunggelenksknochen von Tieren). Der Schmuck dürfte von Frauen stammen, die damit der Gottheit für die Erfüllung von Gebeten dankten. Roll- und Stempelsiegel repräsentieren ihren Besitzer; ihre Deponierung kann vielleicht in dem Sinne interpretiert werden, dass der Beter auch nach dem Verlassen des Tempels noch vor der Gottheit dort präsent bleiben wollte.208 Niedergelegte Amulette sollten wohl die Bitte um Schutz durch eine Gottheit oder einen Dämon ausdrücken.209 Werkzeuge und Waffen könnten aus Kriegszügen stammen. Die erbeuteten Gegenstände wurden dann einer Gottheit geweiht oder übereignet (vgl. die biblische Vorstellung vom Banngut, das nach einem erfolgreich verlaufenen Kriegszug der Gottheit übereignet wird, die diesen Kriegszug geleitet hat). Im Alten Testament wird die Praxis des Weihens von erbeuteten Waffen in 1 Sam 21,9f. für das Heiligtum in Nob erwähnt. Spielsteine und Astragali, die als eine Art Würfel verwendet wurden, sind wohl auf dem Hintergrund der altorientalischen Vorstellung der Spiele zu verstehen.210 Spiele waren nicht nur Zeitvertreib. Mit den Würfeln konnte man auch göttliche Orakelentscheidungen für konkrete Fragen der Lebensführung und -gestaltung einholen.
Auf den Podien waren sicherlich auch die vollplastisch hergestellten metallenen Götterbilder aufgestellt, die in der Regel selten größer als etwa 15 cm waren. Während in der Mittelbronzezeit vornehmlich Göttinnenfigurinen in den Tempeln gefunden wurden, wurden nun mehrheitlich männliche Gottheiten verehrt, auch wenn es vereinzelt noch Belege für die Verehrung von Göttinnen gibt.211 Die männlichen Gottheiten entsprechen dem El-, Baal- oder Reschef-Typ. Deutlich an dieser Änderung von einer weiblichen Fruchtbarkeitsgöttin hin zu einem männlichen Gott, der insbesondere den Wetter-, Kriegs- und Schutzcharakter repräsentiert, ist die Sorge um das politische Bestehen angesichts der ägyptischen Vorherrschaft im Land und um das wirtschaftliche Überleben angesichts zurückgehender Niederschläge.212
Neben diesen Götterfigurinen wurde im Orthostatentempel in Hazor eine Stierfigurine gefunden, die mit dem Wettergott in Verbindung steht. Ebenfalls in Hazor (Orthostatentempel, Schicht 1A) und in Tel Mevorakh/Tell Mubarak (Schicht X) wurden Schlangenfigurinen gefunden.213 Derartige Schlangenfigurinen wurden wohl in den Tempeln aufgestellt und wurden im Falle eines Schlangenbisses angebetet in der Hoffnung auf Heilung. Im Jerusalemer Heiligtum stand in der frühen Königszeit entsprechend der Nehuschtan (eherne Schlange; vgl. Num 21,8f.; 2 Kön 18,4). Schlangenbisse stellten in der Antike eine häufige Todesursache dar. Literarisch sind auch Gebete für den Fall eines Schlangenbisses überliefert (vgl. z.B. für das spätbronzezeitliche Ugarit KTU 1.100). Das Anbeten einer entsprechenden Schlangenfigurine sollte vielleicht denselben Erfolg bringen. In einem Wallfahrtsheiligtum wie Tel Mevorakh/Tell Mubarak ist es zudem nicht überraschend, dass hier gerade der Schutz vor Schlangen(bissen) ein zentraler Wunsch der Beter war.
Bei den Masseben, die in der Mittelbronzezeit noch zum Charakteristikum der Religion gehörten, lässt sich eine bemerkenswerte Veränderung beobachten. Mit Ausnahme des Tempels von Sichem, wo die beiden Masseben wie in der Mittelbronzezeit auch weiterhin den Eingang flankierten, finden Masseben sich jetzt nicht mehr in den Stadttempeln. In Hazor wurde jedoch ein kleines Heiligtum in Areal C (4,75 × 3,4 m groß) gefunden, in dem insgesamt 10 Stelen mit einer Größe von 22 bis 65 cm aufgestellt waren. Ein Text aus Ugarit, der einige Sohnespflichten auflistet, kann als Vergleichstext für die hier vollzogenen kultischen Praktiken herangezogen werden (KTU 1.17 I 25–28):
Und sein Sohn wird im Hause sein,
ein Wurzelspross inmitten seines Palastes,
der aufstellt die Ahnenstele,
im Heiligtum das Sonnenemblem des Stammes,
zur Erde hin darbringt seinen Weihrauch,
zum Staube hin den Gesang seines Heiligtums.
Offenbar gehörte es zu den Sohnespflichten innerhalb des Herrscherhauses von Ugarit, eine Stele für den verstorbenen Ahnen aufzustellen. Angesichts der Zeitgleichheit des Befundes von Hazor und des Textes aus Ugarit wird man davon ausgehen können, dass eine ähnliche Praxis auch in Hazor durchgeführt wurde.
Ein wesentliches Element des Tempelkultes waren Kultmahlzeiten. In Hazor Areal F wurde innerhalb eines Wohnquartiers ein Schlachtopferaltar entdeckt. Im Tempel in Hazor Areal H wurden basaltene Opferplatten gefunden, auf denen kleinere Opfertiere geschlachtet wurden. In den Tempelhöfen gab es mehrfach Feuerstellen und auch zahlreiche Kochtöpfe, so dass man annehmen kann, dass im Tempelareal das Fleisch von Opfertieren gekocht und auch verspeist wurde. Einige der aufgefundenen Messer dienten für Schlachtungen. Der Opferaltar und die Opferplatten in Hazor belegen, dass das Blut der Opfertiere aufgefangen wurde. Dies gilt auch für den in Bau 30 in Tell Abu Hawam aufgefundenen Altar, der eine seitliche Kerbe aufweist, so dass das Blut der auf dem Altar geschlachteten Tiere in einem Gefäß aufgefangen werden konnte. Damit wird die Bedeutung des Opferblutes schon in der Spätbronzezeit deutlich. Die alttestamentliche Praxis, wonach das Blut der Opfertiere an den Sockel des Altars gegossen werden soll (Lev 4,18.30.34; 8,15 u. ö.), um Jahwe, dem Geber des Lebens, das Lebenselixier Blut wieder zurückzugeben, scheint seine Wurzeln in der spätbronzezeitlichen Religion zu haben.
Im Rahmen der Schlachtungen spielten in Hazor (Areal H Schicht 2) und Megiddo (Schicht VIIA) Leberschauen eine Rolle. Dort wurden tönerne Lebermodelle gefunden, mit denen die Priester in der Zukunftsschau ausgebildet wurden. Derartige Lebermodelle sind aus Mesopotamien bestens bekannt.214
Eine wesentliche Neuerung des Kultes der Spätbronzezeit ist die (Wieder-)Einführung von Altären. Bereits in der Frühbronzezeit gab es Brandopferaltäre, in der Mittelbronzezeit wurde auf sie jedoch völlig verzichtet. Der offensichtliche Verzicht auf das Verbrennen von Opfertieren fügt sich in die Beobachtung ein, wonach der reale Opfervollzug in der Mittelbronzezeit insgesamt zurückging und durch symbolische Opfer ersetzt werden konnte. In Hazor (Areal H, Schicht 1A, vielleicht aber aus älteren Schichten übernommen) gab es einen steinernen Altar mit Brandspuren auf der Oberfläche. Da sich das Verbrennen von Räucherwerk erst in späteren Zeiten in Palästina verbreitet hat,215 wird man annehmen dürfen, dass hier das Fett von Opfertieren verbrannt wurde. Der Altar weist eine Gliederung in Vor- und Rücksprünge auf, wie sie auch bei palästinischen (Tell Abu Hawam), aber vor allem bei mesopotamischen Tempeln zu finden ist. Der Altar dürfte daher einen Tempel en miniature abbilden. In Lachisch fand sich in den Schichten II und III im Grabentempel jeweils eine kleine Feuerstelle, die in das Podium integriert war. Auch hier wurden vermutlich Fettpartien der Opfertiere verbrannt. Das Fett gilt im Vorderen Orient als der wertvollste Teil eines Tieres. Da nur selten Fleisch gegessen wurde, spielte das Fett auch für die Ernährung eine zentrale Rolle. Nur so ist es verständlich, dass in einer relativ alten Überlieferung die Söhne des Priesters Eli in Silo Fleisch mit Fett von den Kultteilnehmern erhalten wollten (1 Sam 2,12–17).216 Wenn in der Spätbronzezeit Fett für die Gottheit verbrannt wurde, dann sollte damit die Danksagung der Kultteilnehmer gegenüber der Gottheit, die das Leben gibt und sichert, ausgedrückt werden: Ihr gehört das wertvollste Teil an dem Opfertier, während die übrigen Teile des Opfertiers im Kreise der Familie gegessen wurden.
Neben dem Verzehren von Opferfleisch spielten Trankopfer (Libationen) in der Spätbronzezeit eine wichtige Rolle im Tempelkult. In nahezu allen Tempeln fand man Goblets, Rhyta oder andere für Libationen geeignete Gefäße. Für die Trankopfer wurden nun teilweise auch spezielle Installationen wie durchbohrte Schalen, in den Boden eingetiefte Ständer, Gruben etc. errichtet. Die besondere Bedeutung des Trankopfers kann vielleicht mit den Hungersnöten und ausbleibenden Regenfällen in der Spätbronzezeit in Verbindung gebracht werden. Gerade weil der Wettergott nicht ausreichend Niederschläge gewährt, werden ihm flüssige Gaben übereignet, die ihn zu stärkeren Niederschlägen bewegen sollen.
Mit dem Tempelkult war nun auch Musik verbunden. An verschiedenen Kultstätten wurden Zimbeln (Megiddo Stratum VIII und VII, Tel Mevorakh/Tel Mubarak Stratum X, Tell Abu Hawam Bau 30, Hazor Areal H Stratum 1B), Rasseln (Hazor Areal H Stratum 2, Hazor Areal F) und eine Knochenklapper (Bet Schean Schicht VII) gefunden. Da es sich um Rhythmusinstrumente handelt, dürften sie bei Prozessionen und Schreittänzen verwendet worden sein.
Die Tempel waren nun auch Wirtschaftsbetriebe. Zumindest in Hazor existierte im Tempelbereich von Areal H Schicht 2 ein Töpferofen. Leider ist nicht bekannt, was dort hergestellt wurde. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass der Tempel sich u.a. über den Verkauf von tönernen Figurinen finanzierte, wie sie in vielen Wohnhäusern gefunden wurden.217 Im Grabentempel in Lachisch wurden sehr große Mengen an Amuletten gefunden, die wohl nicht als Opfergaben bestimmt werden können, sondern eher dem Verkauf dienten. Der Handel mit religiösen Objekten scheint demnach in der Hand des Tempelpersonals gelegen zu haben.
Zumindest in Ägypten, wahrscheinlich aber auch in Palästina und Syrien, wurde der jeweilige Stadtfürst oder König als von Gott eingesetzt verstanden.218 Dies hatte zur Folge, dass die Herrscher entweder schon zu Lebzeiten oder aber nach ihrem Tode als gottgleiche Gestalten verehrt wurden. Vereinzelt gibt es in den Tempeln auch Abbildungen von Königen als Kultbilder.219 Ein Elfenbeintäfelchen aus Megiddo aus dem 13. Jh. v. Chr. kann die Rolle des Königs besonders deutlich darstellen.220 Es zeigt ihn in zwei separaten Rollen. Links sitzt er auf seinem Thron, der – wie der Jahwethron des Jerusalemer Tempels – aus zwei Keruben gestaltet ist. Die Keruben bzw. Sphingen (Mischwesen mit Menschenkopf, Löwen- oder Stierkörpern und Adler- oder Geierflügeln) symbolisieren den göttlichen Schutz für die irdische Herrschaft des Königs. Der König amtiert kraft der Herrschaft der Götter oder des Stadtgottes. Der göttliche Schutz für den König kann außer durch Keruben auch durch Uräusschlangen und Löwen bildlich ausgedrückt werden, die den König schützen und bewahren.221 Die zweite Szene zeigt den irdischen Auftrag des Königs. Als Stellvertreter Gottes hat er für die Aufrechterhaltung der göttlichen Ordnung zu sorgen. Auf der Elfenbeinplakette aus Megiddo wird dies ausgedrückt durch den militärischen Erfolg des Königs, der auf seinem Streitwagen dargestellt ist. Vor dem Streitwagen gehen zwei gefangene Schasu-Nomaden, die als Zeichen der Entehrung nackt dargestellt sind (vgl. Jes 20,2–4). Über dem Streitwagen ist die geflügelte Sonnenscheibe als Symbol der den König unterstützenden Gottheit dargestellt: Die Gottheit – und nicht der König selbst – war der Garant des erfolgreichen Krieges. Die Darstellung des Königs als im Krieg oder auf der Jagd erfolgreichen und damit von Gott gesegneten Herrschers findet sich vielfach in der Ikonographie.222
Die enorme Macht, die man den Fürsten oder Königen zuschrieb, zeigt sich umgekehrt auch in der Vernichtungssymbolik jener Zeit: Wurde eine Stadt erobert, schlug man gleichermaßen steinernen Götter- und Fürstendarstellungen den Kopf ab, um die Figuren als bildliche Repräsentanten der machtvollen Wesen ebenso wie die Wesen selbst völlig wirkungslos zu machen.223
Der Totenkult der Spätbronzezeit steht in einer engen Verbindung zu dem der Mittelbronzezeit. Weiterhin wurden den Toten Gaben für das Leben im Jenseits mitgegeben.224 Ein Sarkophag aus Byblos, dessen Datierung aber sehr umstritten ist – einige datieren ihn auf Grund der Fundkontexte und des Bildprogrammes in das 13. Jh. v. Chr., andere auf Grund der Inschrift in das 10. Jh. v. Chr.225 – nimmt deutlich das Bildprogramm der oben besprochenen Elfenbeintafel aus Megiddo auf und steht damit zumindest in Kontinuität zur spätbronzezeitlichen Tradition. Der König sitzt auf seinem Thron, der wiederum als Kerubenthron gearbeitet ist. Wie der König von Megiddo hält er eine Lotosblüte in der Hand, an der er nun aber nicht mehr riecht. Der Lotos galt als Symbol des sich erneuernden Lebens. Bei dem König von Byblos hängt die Lotosblüte schlaff herab. Die Vitalität des irdischen Lebens ist mit dem Tod des Herrschers verloren gegangen. Trotzdem ist er aber weiterhin in der Pose des Herrschers abgebildet, der Weisungen für seine Untertanen gibt. Das Jenseits wird nicht als eine völlig fremde Welt verstanden, sondern als eine Welt, die in die irdische Welt noch hineinwirkt.