Читать книгу Luise und Leopold - Michael van Orsouw - Страница 15

Eine erste Trennung

Оглавление

Die grosse Zeit der Rechtsanwälte setzt ein. Deren Verhandlungsangebote schnellen zwischen Dresden und Genf hin und her: Dort, in Sachsen, will Georgs Hofstaat rasch zu einer Lösung kommen, bei der das Ansehen von König und Hof keinen Schaden nimmt, was eigentlich fast unmöglich ist; hier, in Genf, versucht Luise ebenfalls, sekundiert vom Genfer Anwalt Adrien Lachenal und vom Leipziger Anwalt Felix Zehme, den Schaden gering zu halten, was angesichts der Öffentlichkeit des Skandals zu spät ist.

Luises Bruder Leopold wird das alles zu viel. Er braucht Abstand und reist mit seiner Geliebten Wilhelmine am 30.Dezember nach Montreux, wo sie im Hotel Continental einchecken.

Damit separieren sich die beiden Liebespaare, «wahrscheinlich ein Schachzug der Kronprinzessin u Giron, welch letzterer ein sehr kluger und intelligenter Mensch ist und der der Oeffentlichkeit gegenüber damit sagen will, dass er mit einer Adamowitch, deren Vergangenheit er erst durch die Presse erfahren hat, keine gemeinsame Sache machen will», schreibt Kriminalpolizist Schwarz und ergänzt, was genau er beobachtet hat: «Leopold und die A. hatten bei der Abfahrt vom Hotel Thränen in den Augen, und die Kronprinzessin und Giron, die noch vom Balcon des Zimmers No. 9 Abschiedsgrüsse zugewinkt haben, sollen auch geweint haben.»

So traurig der Abschied auch gewesen sein mag: Luise und ihr Geliebter bleiben in Genf zurück – und sie verkommen sogar zu Witzfiguren! Denn der bekannte und begabte Münchner Komiker Karl Valentin tritt mit dem Stück «Giron und Luise» auf; es handelt sich um ein Couplet, also eine mehrstrophige Satire, die er gesungen vorträgt. Valentin bietet «Giron und Luise» als Salonhumorist im Theatersaal der ehemaligen Klosterbrauerei in München dar, sehr zum Gaudi des zahlreich erschienenen Publikums.

Die Affäre zieht noch weitere Kreise: Sogar Agenten des amerikanischen Zirkus Barnum & Bailey interessieren sich für die abenteuerliche Geschichte von Luise und Leopold. Die Zirkusfachleute fragen nach, ob sich die gefallenen Geschwister engagieren liessen. Die Agenten haben bereits die Nummer vor Augen und schildern, was ihnen vorschwebt: Leopold soll einen Triumphwagen durch die Manege lenken, den acht Schimmel ziehen; Luise sitzt in diesem Wagen, trägt Krone und Hermelinmantel.

Sie winkt königlich.

Jeden Abend in drei Vorstellungen.

Die Geschwister als Zirkusattraktion.

In ganz Amerika.

Dafür wollen die Agenten 10 000 Franken pro Tag bezahlen – das ist sehr viel Geld! Doch als exzentrische Zirkusnummer zu enden, das geht Luise und Leopold dann doch entschieden zu weit.

In Genf erfährt die Öffentlichkeit nichts davon. Im Hintergrund verhandelt Leopolds Anwalt mit dem Hofstaat in Wien über eine Abfindung und über die Höhe einer jährlichen Rente. Zwar will Leopold aus dem Kaiserhaus austreten und auf alle Ehren verzichten, nicht aber auf regelmässige Zahlungen, weshalb er die Austrittsvereinbarung mit dem Kaiser noch immer nicht unterzeichnet hat. Denn jeder Herzog hat das Anrecht auf eine Apanage und auf eine festgelegte Quote aus dem Familienfonds, dem Privatvermögen der Habsburger. Wölflings Rechtsvertreter hat Kontakt mit Aussenminister Agenor Graf Goluchowski. Ein ehemaliger Erzherzog, so die Argumentation des Rechtsanwalts, dürfe doch nicht für die Öffentlichkeit sichtbar darben, das schade dem Ansehen des Kaiserhauses.

Doch der Spitzenbeamte antwortet scharf, Leopold habe sich bis jetzt sehr wenig um das Ansehen und die Würde des Kaiserhauses gekümmert. Deshalb könne dieser nur noch auf eine Erbschaft seines Vaters hoffen. Auch wenn Geld nicht einfach so fliesst: Leopold führt weiterhin einen luxuriösen Lebenswandel.

In Montreux, wo er mit Wilhelmine hingereist ist, hat er wiederum eines der besten und teuersten Hotels gebucht, das «Continental»; als Kind erzogen ihn seine Eltern zu grosser Sparsamkeit, und er war gezwungen, schon im Kinderzimmer ein persönliches Kassabuch mit den detailliert aufgelisteten Einnahmen und Ausgaben zu führen. Davon hat er sich definitiv emanzipiert und fällt in den letzten Jahren eher durch Verschwendung als durch Knausrigkeit auf. So auch jetzt.

Luise und Leopold

Подняться наверх