Читать книгу Luise und Leopold - Michael van Orsouw - Страница 18

Eine Überraschung folgt der nächsten

Оглавление

Die Zeit in Menton entwickelt sich nämlich für die erholungsbedürftigen Luise und Giron ganz anders als erwartet. An jeder Strassenecke lauert ein Reporter, der kompromittierende Situationen in Text und Bild einfangen will. Die Zeitungsleute berichten, wie und wann sie auf dem Quai spazieren, wo sie dinieren, wie lange sie Kutsche fahren und wen sie treffen. Aber auf einem Foto, das die beiden auf der Strasse in Menton zeigt, wirken sie wie ein gewöhnliches Ehepaar.

Beide mit Hut.

Und in dunklen Kleidern.

Sie mit dem Schirm in der Rechten.

Er mit dem Spazierstock in der Linken.

Sie halten Hand. Wie zwei Frischverliebte – und als ob sie gegenüber dem Fotografen ihre Liebe zelebrieren wollten.

Wildfremde Leute erkennen das prominente Liebespaar auf der Strasse, rempeln oder pöbeln es an. Von solchen Erlebnissen schockiert, verbunkern sich Luise und ihr Galan für zwei Tage im Hotel. Einem Reporter sagt Giron: «Wir werden nach einem anderen Ort suchen und nach Amerika reisen, sobald die Scheidung abgeschlossen ist.»

Daraufhin machen die beiden einen Ausflug nach Sanremo: Sie sehen sich die Stadt an und besuchen die Villa de Murisier, die sie mieten wollen. Doch der Prinzessin wird es plötzlich unbehaglich – es sei daran erinnert, dass sie immerhin im fünften Monat schwanger ist.

Auch ein weiterer Trip fällt nicht aus wie erhofft. Giron überredet Luise zu einem Ausflug nach Monaco, ins Spielcasino von Monte Carlo. Sie ziehen von Roulettetisch zu Roulettetisch, und Giron setzt jedes Mal einen Louisdor auf die Nummer 31; er verliert, gewinnt, verliert. Luise als seine aufsehenerregende Begleiterin trägt eine schicke Robe aus hellblauer Seide, ein pelzgefüttertes Cape und dazu einen blauen Federhut. So erkennen andere Casinobesucherinnen und -besucher das illustre Paar sofort, das daraufhin wenig schmeichelhafte Bemerkungen über sich ergehen lassen muss.

Damit nicht genug: Luise und ihr Begleiter geraten ins Fadenkreuz der örtlichen Polizei, die auftaucht und sie bittet, sich auszuweisen. Das ist der Kronprinzessin in ihren 32 Lebensjahren noch nie widerfahren: dass sie sich wie eine dahergelaufene Bürgerin ausweisen muss! Hinzu kommt, dass sie gar keine Ausweispapiere hat. Deshalb wird verfügt, dass sie den Spielsaal sofort zu verlassen habe. Immerhin weist ihr die Polizei den Weg durch eine Nebentüre, damit das Aufsehen nicht zu gross ist. Lokale Amtspersonen setzen die einstige Kronprinzessin vor die Türe eines öffentlichen Lokals – ein neuer Eklat ist perfekt, den die Zeitungen wieder genüsslich breittreten.

Zurück im Hotel in Menton, taucht auch dort die Polizei auf. Denn Luise und André Giron haben sich im Hotel unter dem französischen Allerweltsnamen «Herr und Frau Herard» eingetragen, was in mehrerlei Hinsicht falsch ist: Erstens heissen sie anders, und zweitens sind sie nicht verheiratet.

Die Ereignisse überschlagen sich. Während sie mit der französischen Polizei noch den Streit wegen der fehlenden Ausweispapiere austragen, erhält Luise eine Depesche aus Dresden, wonach ihr zweitältester Sohn ernsthaft erkrankt sei: Friedrich Christian, genannt «Tia», zehn Jahre alt, leide an Typhus, dieser damals meistens tödlich verlaufenden Infektionskrankheit. Als dann auch noch ein Abgesandter des Papstes bei Luise vorspricht und sie eindringlich beschwört, die Affäre mit Giron zu beenden und ihrem kranken Sohn beizustehen, wird ihr alles zu viel. Sie knickt ein und will sofort nach Genf zurückkehren, um dann nach Dresden weiterzureisen. Deshalb bricht sie den bis Ende Februar geplanten Aufenthalt in Menton ab und reist am 4. Februar mit Giron zurück nach Genf.

Dort unternehmen ihre Rechtsanwälte, Adrien Lachenal und Felix Zehme, alles Menschenmögliche, damit Luise unverzüglich zu ihrem kranken Sohn nach Sachsen fahren kann. Dass gleichzeitig englische Zeitungen das Gerücht verbreiten, wonach Luise und Giron dem Katholizismus abschwören wollen, um die reformierte Religion anzunehmen und so eine baldige Heirat zu vereinfachen, verärgert die Royals in Dresden und Wien abermals und trägt nicht zu guter Stimmung bei, ganz im Gegenteil.

Die Rechtsanwälte führen intensive Gespräche mit Luise und André Giron: Wenn Luise ihre Kinder wiedersehen wolle, müsse sie sich wohl von Giron trennen. Luise entscheidet sich schliesslich für die Kinder und gegen den Liebhaber: Sie trennt sich schweren Herzens von André Giron. Die verhängnisvolle Liebesbeziehung scheint zu Ende zu gehen.

Nach einem angeblich sehr heftigen und sehr lauten Wortwechsel, wie Hotelangestellte berichten, verlässt Giron das «d’Angleterre» und reist mit dem Schnellzug in Richtung Paris/Brüssel ab. Luise will mit der Trennung von Giron den Weg ebnen für eine einvernehmliche Übereinkunft mit ihrem Ehegatten Friedrich August. Sie gibt sich diesbezüglich sehr optimistisch.

Luises Gesuch, zum kranken Sohn nach Dresden reisen zu dürfen, gelangt über ihre Anwälte in den Sachsenpalast. Dort bespricht Thronfolger Friedrich August es mit seinem Vater, König Georg, sowie mit den Ministern Sachsens. Die Ant-wort, die bald darauf per Telegramm nach Genf gelangt, lautet knapp und klar: «Seine königliche Hoheit lehnt die Erfüllung der gestellten Bitte definitiv und unter allen Umständen ab.» Damit nicht genug: Falls Luise es dennoch wagen sollte, nach Dresden zu fahren, werde die sächsische Polizei sie schon an der Grenze abfangen und inhaftieren. Etwas anderes stehe ihr auch nicht zu, denn sie habe am 9. Januar den Ehebruch schriftlich anerkannt.

Luise und Leopold

Подняться наверх