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Eine «Künstlerin»

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Jetzt folgt Leopold Wölfling mit seinem Austrittsschreiben. Wie hatte sich Kaiser Franz Joseph schon früher mit dem Kerl herumgeärgert! Als dieser zum ersten Mal mit dieser besonderen «Künstlerin» Wilhelmine Adamovic ankam, die unübersehbar aus dem horizontalen Gewerbe stammte, hatte Franz Joseph seinen unartigen Verwandten in die unbeliebte Garnisonsstadt Przemyśl versetzt, einen befestigten Vorposten gegen Russland (heute an der Südostecke Polens gelegen).

Es half nichts.

Ein nächster Plan musste her.

Eine geschlossene Anstalt.

Auch das ohne Wirkung.

Leopold hielt seiner Wilhelmine die Treue.

Franz Joseph hatte durchaus selbst Erfahrung mit unschicklichen Beziehungen und Affären. Neben der ehelichen Beziehung mit seiner Frau Elisabeth – Sisi – pflegte er während Jahren sexuellen Umgang mit Anna Nahowski, der Frau eines Eisenbahners. Ihre Liebesdienste verdankte der Kaiser mit teuren Geschenken, einer Villa und einem Sommerhaus. Nach 14 Jahren regelmässigen Kontakts liess er sie kurzerhand mit einem Schmerzensgeld von umgerechnet 1,6 Millionen Franken sitzen.

Danach hatte der Kaiser eine Beziehung mit der Burgschauspielerin Katharina Schratt, übrigens mit ausdrücklicher Billigung seiner Frau Elisabeth. «Die Schratt», wie man sie in Wien nannte, arbeitete zuerst am Wiener Stadttheater und dann aber, als sich die Beziehung mit Franz Joseph vertiefte, am renommierteren Wiener Burgtheater. Nach Elisabeths Ermordung in Genf heiratet Franz Joseph nicht mehr, sondern führt eine Art Geheimehe mit Katharina Schratt. Sie nimmt unübersehbar Einfluss am Hof, sodass die hohen Beamten den Kaiser neckischerweise «Herr Schratt» nennen, wenn er es nicht hört.

In Anbetracht dieser eigenen Erfahrungen könnte man von Franz Joseph mehr Verständnis für Leopold Wölfling erwarten, der wegen einer unakzeptablen Liebe den Ausbruch wagt. Doch nach aussen wahrt der Kaiser mit eiserner Disziplin die Etikette, da lässt er die Zügel keinen Millimeter schleifen. Das Haus Habsburg dürfe keine Schwäche zeigen, ist er überzeugt. Franz Joseph versucht deshalb zusammenzuhalten, was noch zu halten ist. Dazu gibt er sich sehr standesbewusst, wenn nicht sogar elitär.

Er ernennt zeitlebens nur Adlige zu Ministerpräsidenten und zeigt auch sonst viel Standesdünkel. Aus seiner Sicht ist beispielsweise der Handschlag des Kaisers eine Art Auszeichnung, die nicht jede oder jeder verdient. So reicht Franz Joseph bei Empfängen nur Hochadligen die Hand; Bürgerliche, die als Landeshauptleute oder als hohe Beamte den Aristokraten machtmässig überlegen sind, müssen sich mit einem kurzen Kopfnicken des Kaisers begnügen.

Angesichts seines Standesbewusstseins dürfte ihn das Austrittsbegehren seines Verwandten ungemein ärgern. Dass Leopold Ferdinand «Stellung und Rang als Erzherzog ablegen» will, sei wegen einer Liebelei völlig unnötig; dieser Schritt errege vermeidbares Aufsehen und schwäche erneut die Aussenwirkung des Hauses Habsburg. Das hat tiefgreifende Folgen, die Leopold noch lange beschäftigen werden.

Luise und Leopold

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