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III Die Hausherrin der Hermesvilla

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Mehr als 30 Jahre war Elisabeth mit dem Kaiser verheiratet, als er die zündende Idee hatte, für sie (und ihn) ein Altersretiro im Lainzer Tiergarten errichten zu lassen. Schon die Silberhochzeit im Jahr 1879 war ein Albtraum gewesen. Laut Nichte Marie Larisch habe Tante Sisi dabei »eine Miene« gemacht »wie eine indische Witwe, die verbrannt werden sollte.« »Es ist schon genug, 25 Jahre verheiratet zu sein«, kommentierte die Kaiserin, »aber deshalb auch noch Feste zu feiern, ist unnötig.« Ein traditionelles Eheleben hatte es in dieser Beziehung kaum gegeben und gab es nun, als das Kaiserpaar in die Jahre kam, schon gar nicht mehr. Die Reitjagden in England und Irland, denen Franz Joseph nicht nur aus Kostengründen ausgesprochen ablehnend gegenübergestanden war, gab Elisabeth aus gesundheitlichen Gründen, vor allem aber wegen der unverzeihlichen Enttäuschung darüber, dass ihr schottischer Reitpilot »Bay« Middleton nach langjähriger Verlobungszeit endlich seine Freundin geheiratet hatte, auf. Sie selbst behauptete in den 1890er-Jahren, sie habe »plötzlich ohne jeden Grund den Mut verloren« und sie, »die noch gestern jeder Gefahr spottete, erblickte heute eine solche in jedem Busche«. Dies sei auch der Grund, warum »ich Valerie niemals erlaubte, ein Pferd zu besteigen; ich wäre nicht fähig gewesen, die ewige Unruhe zu ertragen«.

Der alte Kaiser, der sich seit Jahrzehnten übergangen fühlte, witterte seine vielleicht letzte Chance, Sisi sesshaft zu machen. Er wollte mehr Zeit mit seiner »süßen geliebten Seele« (»Édes, szeretett lelkem«, wie er fast alle Briefe an sie einleitete, auf Ungarisch) verbringen. Die Rolle des demütigen Bittstellers ermüdete ihn sichtlich. In der politisch sensiblen Zeit um 1866 hatte er Elisabeth geschrieben: »Jetzt hätt’ ich halt noch eine Bitt’. Wenn du mich besuchen könntest. Das würde mich unendlich glücklich machen.« Zwei Wochen später die Ernüchterung: »Komme bald wieder … wenn du auch recht bös und sekkant warst, so habe ich dich doch unendlich lieb …«. Die Jahrzehnte vergingen, der Ton blieb derselbe. Franz Joseph (58) an seine Angetraute (51), 1888: »Meine Gedanken sind viel und mit Sehnsucht bei dir. Du denkst wohl seltener an mich …«. Die beiden waren Antipoden, zwei höchst verschiedenartige Persönlichkeiten, die es trefflich verstanden, sich gegenseitig unglücklich zu machen.

In den 1880er-Jahren machte Franz Joseph seiner Kaiserin ein – in seinen Augen – traumhaft schönes Geschenk: eine Villa im Lainzer Tiergarten, abgeschieden, umgeben von einer Mauer, wo kein Fremder Elisabeth stören konnte. 1884 erging das folgende kaiserliche Handschreiben an Hofrat Freiherrn von Mayr, den Direktor der »Allerhöchsten Privat- und Familienfonde«:

Indem Ich die im Thiergarten nächst Lainz neuerbaute Villa sammt Nebengebäuden Ihrer Majestät der Kaiserin zum Eigenthume bestimmt habe, beauftrage ich Sie wegen Ablösung des Baugrundes und des dazugehörigen Wiesenkomplexes (…) die Verhandlung zu pflegen und (…) haben Sie Sorge zu tragen, dass sowohl die Villa (…) als auch der Grundkomplex unmittelbar als Eigenthum Ihrer Majestät der Kaiserin bücherlich eingetragen werde.

Ganz auf die Bedürfnisse seiner »sekkanten« Elisabeth sollte das Haus zugeschnitten sein. Hatte er Erfolg? Gefiel die Villa der kapriziösen Ehefrau? Ihre Reaktion war eher verhalten, doch schienen ihre positiven Gefühle für die Umgebung des Gebäudes von Herzen zu kommen:

Titania wandelt unter hohen Bäumen,

Mit weissen Blüten ist ihr Weg bestreut;

Die Buchen rings, die alten Eichen keimen,

Es scheint der Wald ein Dom dem Mai geweiht.

Ein Dom durchweht von märchenhaften Träumen,

Ein Zauberort verborgen und gefeit;

Maiglöckchen läuten duftend süße Lieder,

Und goldne Falter schweben auf und nieder.

Die weisse Hirschkuh folgt Titanias Schritten,

Nicht flieh’n die wilden Mouffelins vor ihr,

Eichhörnchen ist vom Stamm herabgeglitten

Und grüsst die Königin im Forstrevier.

Der scheue Kuckuck ist nicht abgeritten

Lauscht sie doch täglich seinem Rufe hier;

Die wilde Taube girret im Gezweige,

Und goldig geht ein Maientag zur Neige.

Im Mondlicht ruht Titania gern, dem blassen,

Ihr Lieblingsreh schaut dann zu ihr empor,

Wie ihre Arme zärtlich es umfassen;

Den wilden Eber krault sie hinterm Ohr;

Doch nie und nimmer werden zugelassen,

Die draussen an des Zauberwaldes Thor,

Um Einlass fleh’n mit Schreien und mit Scharren,

Die alten Esel und die jungen Narren.

Sie war fast 50 Jahre alt, als ihr die Hermesvilla zum Geschenk gemacht wurde. Ein Buch mit sieben Siegeln blieb Elisabeth für ihren Ehemann, er ahnte nichts von ihren Dichtungen, er verstand sie einfach nicht. Die beiden lebten in grundverschiedenen geistigen Welten.

Mein Herz ist aus Stein

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