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»Gut und bequem« — Wohnen bei Kaisers

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Nun folgt der Trakt des Kaisers, der mit dem sehr konservativ in dunklem Holz eingerichteten Arbeitszimmer beginnt. »Reich geschmückt mit Boiserien« (Holzarbeiten), beschrieb Elisabeth den Raum, und genauso stellt er sich auch heute noch dar. Der Plafond ist eine Holzimitation aus Stuck, die Wandverkleidungen wurden von der Firma Bernhard Ludwig aus Eibenholz gefertigt, so auch die Möbel. Im angrenzenden Schlafzimmer stand das einfache Messingbett. Ein Badezimmer, das diesen Namen auch verdienen würde, gab es nicht, da Franz Joseph in einer transportierbaren Wanne badete, die täglich neu aufgestellt und wieder zusammengefaltet wurde. Das Badewasser musste in großen Zubern erwärmt werden. Eine Toilette war zwar vorhanden, die Möglichkeit, sie mit Wasser zu benützen, bestand jedoch erst seit 1896. In diesem für die Ziele der Hygienebewegung glorreichen Jahr wurde sogar eine Sitzbadewanne aus weiß lackiertem Zinkblech eingeweiht.

»Unsere neue Villa im Thiergarten befriedigt uns sehr, sie ist gut und bequem zu bewohnen und die Umgebung ist jetzt im Frühjahre frisch und grün«, teilte Franz Joseph der »sehr verehrten gnädigen Frau« (Katharina Schratt) erfreut mit. Im Arbeitsraum standen einige seinem Kunstgeschmack entsprechende Skulpturen wie »Tanzende Steirer-« und »Ungarnpaare«, von Interesse ist aber besonders eine Plastik des bedeutenden französischen Bildhauers Emmanuel Frémiet. Sie zeigt einen Gorilla mit einer Frau. Diese Figur hatte 1887 auf dem Salon de Paris eine Ehrenmedaille gewonnen, also in jenem Jahr, als das Kaiserpaar erstmals die neue Hermesvilla bewohnte. Die Darstellung ist im Umkreis der Debatten um Charles Darwin zu verorten. Für viele Zeitgenossen des Forschers hieß Evolutionstheorie lediglich, der Mensch »stamme vom Affen ab«. Darwins Ideen beherrschten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts den naturwissenschaftlichen Diskurs. Sie beschäftigten Biologen, Anthropologen, Mediziner und »normale« Interessierte gleichermaßen, weltweit. Die Kirche musste sich gänzlich unerwarteten Herausforderungen stellen. War Adam Affe? Und wenn ja, was für einer? Vielleicht stammten die Affen ja von uns Menschen ab? Künstler nahmen sich ebenfalls der »Entstehung der Arten« an und dachten über die Beziehung zwischen Mensch und Tier nach. Erstmals gab es Vegetarismusbewegungen und auch erste Diskussionen um Tierrechte sind belegbar. Der aus Böhmen stammende Malerstar Gabriel von Max hielt sich in der Nähe von München eine ganze Affenkolonie zur Beobachtung, als Modelle und als Spielkameraden für seine Kinder. In seinen Bildern tauschen Affen und Menschen die Rollen. Max ließ in der Tradition von Hans Canon Paviane und Kapuzineraffen als Kunstrichter auftreten oder zeigte einen Affen, wie er nachdenklich ein menschliches Skelett betrachtet. Frémiets »Gorilla« fand als moderne zeitgenössische Plastik den Weg ins reaktionäre, vom Klerus beherrschte Wien und gilt heute als Urbild des »Godzilla«-Filmmonsters. Nicht umsonst firmiert die Figur in einem um 1918 angelegten Hermesvilla- Inventar unter dem Titel »Gorilla raubt Frau«.


18 Emmanuel Frémiet: Gorilla mit Frau, 1887. Skulptur aus der Hermesvilla

Mein Herz ist aus Stein

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