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Kapitel 5
ОглавлениеKostmayers Apartment befand sich im ersten Stock eines vierstöckigen Hauses ohne Aufzug an der Ecke 54th Street und 2nd Avenue. Er hatte McCall einen Schlüssel gegeben und ihm gesagt, er solle es sich einfach als ein weiteres Safehouse vorstellen, wenn er mal eines brauchte. Die Tür führte in ein kleines Wohnzimmer mit einer Kochnische. McCall war überrascht zu sehen, dass die Wände aus hellem Sandelholz bestanden. Es gab eine Couch und zwei Sessel mit einem Pueblo-Muster, einen Teppich im Navajo-Stil auf dem Boden und Bilder von Frederic Remington an den Wänden. Ein 40-Zoll-Flachbildfernseher war an einer Wand befestigt und Regale, die vom Boden bis zur Decke reichten, waren gefüllt mit Paperbacks und großen Bildbänden über den Südwesten, zusammen mit einigen exquisiten indianischen Töpferwaren. An einer anderen Wand befand sich eine hölzerne Leiter, wie diejenigen, die die mexikanischen Soldaten dazu verwendet hatten, um die Mauern des Alamo zu überwinden. Es schien so, als habe Kostmayer sein möbliertes Apartment in Taos, New Mexico, genommen und es einfach komplett in einen New Yorker Klinkerbau verpflanzt, und das hatte er vielleicht auch. Denn McCall hatte ehrlich gesagt keine Ahnung, wo Kostmayer überhaupt herstammte.
Die Wohnung war absolut ordentlich und aufgeräumt.
McCall stellte Candy Annies Rucksack und den viel genutzten Koffer ab.
Candy Annie öffnete gerade eine Tür, die in ein Schlafzimmer aus heller Eiche führte, das ein altmodisches Bett mit vier Bettpfosten, einen Schaukelstuhl aus Kastanienholz und eine Ankleide aus Zedernholz mit weiteren indianischen Töpferwaren und Kunstgegenständen darauf enthielt. Neben dem Bett war ein Badezimmer mit roten Fliesen. McCall entdeckte jetzt einen gerahmten Stich von Frederic Remington aus Harper’s Weekly über dem Bett mit dem Titel: Ich bin bereit – ich werde gehen. Das Bild zeigte Soldaten auf einem Feld, die gerade Befehle erhielten. McCall fand es ganz passend, denn Mickey Kostmayer war stets bereit und willens überall hinzugehen, wohin man ihn befehligte und zu tun, was getan werden musste.
Er trat in die Kochnische und machte den Kühlschrank auf. Dieser war bestückt wie für eine zwölfköpfige Familie, genauso wie der Gefrierschrank. Er ging in den Hauptwohnbereich zu Candy Annie.
»Die nächste Woche über wirst du zumindest nicht verhungern.«
»Ist der Typ ein Cowboy?«
»Das wurde zumindest schon mal behauptet«, meinte McCall trocken. »Ich war allerdings noch nie vorher in seiner Wohnung.«
»Wohnt er denn nicht hier?«
»Er ist gerade außer Landes.«
»Wann kommt er denn zurück?«
»Das könnte noch ein paar Wochen dauern. Ich suche dir in der Zwischenzeit eine Wohnung, wo du langfristig bleiben kannst, aber fürs Erste tut es die hier … vorausgesetzt sie gefällt dir?«
»Ich liebe sie! Aber bist du sicher, dass dein Freund – ich meine, dein Kollege – nichts dagegen hat, wenn ich so lange hierbleibe?«
»Ich habe ihm schon von dir erzählt und Mickey hat nichts dagegen.«
»Weil du schon mehr als einmal sein Leben gerettet hast?«
Es kam ihm seltsam vor, dass sie das sagte, aber das war es vielleicht gar nicht, denn sie war extrem schlau und aufgeweckt für eine junge Frau, die die letzten zehn Jahre unter der Erde verbracht hatte. Sie hatte ihm sogar geholfen, Borislav Kirov eine Wanze unterzuschieben. Ein skrupelloser tschetschenischer Nachtklubbesitzer, den McCall gezwungenermaßen hatte töten müssen. Candy Annie war also wirklich furchtlos. Aber gerade war sie einfach nur überwältigt. Sie sah sich erneut im Wohnzimmer um und blickte dann wieder zu McCall, als versuche sie, sich über etwas klar zu werden. Sonnenlicht strömte durch die beiden Fenster, die auf die 2nd Avenue hinausführten und schien durch ihre durchsichtige Bluse. McCall seufzte leise.
»Wann hast du deinen BH ausgezogen?«, fragte er, wie ein mahnender Vater.
»Ich mag ihn nicht, der schnürt mir die Brust ein.«
Sie atmete tief durch, ging auf ihn zu und knöpfte dabei ihre Bluse auf.
»Annie, was tust du da?«
»Ich kann dir nichts weiter geben als mich selbst. Ehrlich gesagt, habe ich aber darin nur wenig Erfahrung. Ich hatte nur zweimal Sex in den Tunneln und das ist schon lange her. Ich habe es zwar genossen, aber ich glaube nicht, dass ich sehr gut darin bin. Es war nämlich sehr schnell vorbei.«
»Das war vermutlich nicht deine Schuld. Annie …«
Sie blieb direkt vor ihm stehen. Ihre Bluse war nun ganz aufgeknöpft. Sie legte McCalls Hände zärtlich auf ihre nackten Brüste.
»Lass mich dir danken«, sagte sie leise.
McCall wäre tatsächlich versucht gewesen, wenn es nicht ausgerechnet Candy Annie gewesen wäre. Er ließ die Hände von ihren Brüsten gleiten und knöpfte behutsam ihre Bluse wieder zu.
Plötzlich schossen Tränen in ihre Augen.
»Willst du mich denn nicht?«
»Freunde nutzen sich nicht gegenseitig aus.«
»Aber es wäre bestimmt aufregend und wunderschön.«
»Es wäre sicher beides, aber nicht mit mir.«
»Weil du alt genug bist, um mein Vater sein zu können?«
McCall dachte an seinen jungen tschechischen Engel Andel, mit der er eine Nacht in Prag verbracht hatte. Sie hatte den Altersunterschied ebenfalls ignoriert. Aber das hier war etwas vollkommen anderes. Candy Annie war eine äußerst erregende Frau, und das auf eine süße, nahezu unschuldige Art, aber es würde nichts zwischen ihnen passieren.
»Ich bin hier als dein Freund. Das ist alles, was ich für dich sein kann.«
Sie nickte, als würde sie es verstehen. »Weil du im Moment zu sehr mit dir im Unreinen bist?«
»Wenn du es so ausdrücken möchtest.«
Sie schlang die Arme um ihn. »Ich bin dir nicht böse, und ich bin auch nicht beschämt oder verletzt. Denn du hast mir gesagt, dass alles möglich ist, richtig?« Sie ließ ihn los und lächelte ihn durch die Tränen hindurch an. »Jetzt bin ich hier, im Apartment deines Kollegen und beginne ein ganz neues Leben. Wie cool ist das denn?«
»Sehr cool. Als Nächstes werden wir dir einen Job besorgen.«
Dieser Gedanke schien Candy Annie zu erschüttern wie ein Faustschlag. Sie trat einen Schritt zurück und verkrampfte die Hände ineinander.
»Was denn für einen Job?«
»Ich lasse mir schon etwas einfallen.« Er schrieb etwas auf einen Zettel. »Das hier ist meine Handynummer. Ruf mich an, wann immer du willst, Tag oder Nacht. Morgen besorgen wir dir als Erstes ein eigenes Smartphone.«
Sie machte ein betrübtes Gesicht. »Ich bin bestimmt nicht smart genug, um es zu benutzen.«
»Natürlich bist du das.«
Candy Annie entdeckte jetzt das Bild auf dem Kaminsims. Mickey Kostmayer stand mit einem Arm um die Schultern einer jungen brünetten Frau vor dem Restaurant La Casa Sena in Santa Fe in New Mexico. Die Brünette sah entspannt und glücklich aus, doch Kostmayers Lächeln wirkte irgendwie gezwungen. Candy Annie nahm das Foto in die Hand.
»Ist das dein Kollege?«
»Ja, das ist er.«
»Wer ist die junge Frau neben ihm?«
»Das weiß ich nicht.«
»Wo ist er jetzt gerade?«
»Das weiß ich nicht«, wiederholte McCall.
Kostmayer lag in absoluter Dunkelheit auf dem Betonboden. Er war allein in der Zelle, was ungewöhnlich war, denn normalerweise waren sechs oder acht nordkoreanische Gefangene mit ihm zusammen eingesperrt. Er hatte bereits zehn Kilo verloren und litt an Unterkühlung. Aber wenigstens hing er nicht mehr in den Handfesseln an der Wand, wo man ihn zuvor mindestens zwölf Stunden am Tag angekettet hatte. Er hieß diesen Umstand willkommen. Er kannte allerdings den Grund. Die nordkoreanischen Gefängniswärter stellten sich gerade neu auf. Sie waren von dem Überfall, der von Kostmayer und Granny angeführt worden war, peinlich überrascht worden. Kostmayers Söldnertruppe war daraufhin allerdings leider überwältigt und getötet worden und Kostmayer und Granny gefangen genommen. Man hatte sie zusammen mit den verbliebenen koreanischen Männern, Frauen und Kindern in dieses neue, aber bereits verfallene Camp gebracht. Es würde nicht mehr lange dauern, bis man sie in ein neueres und besser befestigtes Camp bringen würde. Aber er und Granny hatten zuvor wenigstens über hundert Menschen retten können, oft sogar ganze Familien. Diese waren in drei großen chinesischen Helikoptern vom Typ AVIC AC391 über die Grenze nach China geflogen worden. Kostmayer betrachtete das als Sieg.
Er wimmerte leise, als er sich umdrehte, denn jeder Atemzug ließ unvorstellbare Schmerzen durch seinen gesamten Körper fahren. Ihm war abwechselnd heiß und kalt und er fragte sich, ob er sich wohl eine Lungenentzündung eingefangen hatte. Es gab natürlich keinen Arzt in der Gefängniseinrichtung, zumindest nicht für die Gefangenen. Viele von ihnen starben letzten Endes an Unterernährung, Krankheiten oder Folter. Kostmayer hatte seit ihrer Verhaftung keinen Kontakt mehr zu Granny gehabt. Die nordkoreanischen Gefängniswärter hatten sie beide sofort getrennt. Er befürchtete, dass sie Granny hinausgeführt und einfach erschossen hatten, aber er wusste es nicht mit Gewissheit.
Kostmayer dachte jetzt an Robert McCall. Er hatte dessen Inserat gesehen, bevor er New York verlassen hatte, und hatte darüber lächeln müssen. Wenn irgendjemand ganz normalen Menschen helfen konnte, die niemanden hatten, an den sie sich wenden konnten, dann war es McCall … der Equalizer. Kostmayer mochte den Namen, den McCall sich ausgesucht hatte. Aber das würde Kostmayer hier an diesem Ort leider nichts nützen. Denn seine Chancen ließen sich nicht einfach so ausgleichen.
Nicht einmal McCall würde ihn hier herausholen können.
Kostmayer hatte nur eine einzige Chance hier herauszukommen, und diese würde sich ihm nicht heute oder morgen bieten. Aber die nordkoreanischen Gefängniswärter würden die Gefangenen in naher Zukunft irgendwann verlegen müssen und das Camp schließen, bevor es eine offizielle Inspektion gab. Kostmayer hatte gehört, wie sie darüber geredet hatten. Dabei hatte er auch mitbekommen, dass Granny höchstwahrscheinlich tot war. Sie wussten nämlich nicht, dass er Koreanisch sprach. Er hatte nur eine einzige Chance zu entkommen – und er musste stark genug sein, um sie zu ergreifen, wenn der Moment da war.