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Kapitel 11

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Dr. Patrick Cross war hundemüde. Er hatte seit vier Uhr nachts Dienst gehabt und gerade eben hatte er seinem letzten Patienten, einem dreizehnjährigen Jungen, der eine von vier Varianten des Ebola-Virus namens Bundibugyo hatte, eine Injektion mit Immunoglobulin gegeben. Die Blutplasmaproteine und Antikörper in dem Gammaglobulin würden sein Immunsystem stärken, allerdings nur vorübergehend, denn es gab keine Impfung gegen Ebola. Der Junge hatte sich angesteckt, als er seine Mutter umarmt hatte. Zwei Tage später war sie tot gewesen. Dwe, so hieß der Junge – Dr. Cross glaubte, dass es auf Grebo Elefant bedeutete – war zehn Tage später krank geworden. Er war ein großer, kräftiger Junge gewesen, doch die Krankheit verzehrte ihn, wie eine schwere Krankheit das nun mal tut. Der neue Ausbruch in Liberia war wenige Monate, nachdem die Weltgesundheitsorganisation Liberia und die gesamte Gegend um Monrovia herum für ebolafrei erklärt hatte, geschehen. Dr. Cross hatte bereits einen Einsatz mit den Ärzten ohne Grenzen im Jahr zuvor hinter sich, oder bei Médicine Sans Frontières, wie man sie in weiten Teilen Afrikas nannte. Sie hatten ihn inständig gebeten zurückzukommen. Normalerweise dauerte ein Einsatz immer mindestens neun Monate, aber sie hatten zugestimmt, als er auf sechs Monate bestanden hatte.

Dr. Cross ging jetzt in den Umkleideraum und zog sich die gelbe Schutzkleidung, die weiße Haube, die Schutzbrille und die blauen Chirurgenhandschuhe aus. Darunter trug er Jeans und ein T-Shirt, die beide durchgeschwitzt waren. Er betrachtete sein Gesicht im Spiegel. Es wirkte lang und kantig. Er hatte blassblaue Augen und seine ohnehin blonden Haare waren in der Sonne noch heller gebleicht worden. Die Anstrengung, den infizierten Dorfbewohnern zu helfen, war in seinem abgekämpften Gesicht deutlich zu sehen.

Und dazu kam natürlich noch seine geheime Arbeit.

Dr. Cross verließ das große weiße Zelt und trat in das gleißende Sonnenlicht. Es war bestimmt vierzig Grad heiß hier draußen. Die Einrichtung bestand aus sechs großen weißen Zelten, in denen die infizierten Dorfbewohner aus Nedowein, in der Nähe des International Airports von Monrovia, isoliert wurden. Blaue Barrikaden standen vor den schmalen, gewundenen Wegen, die zu den Quarantänezelten führten. Das Areal war von einem Zaun umgeben und direkt dahinter lag der Dschungel. Soldaten der liberianischen Armee standen in der Nähe. Der Bürgerkrieg in Liberia war zwar vor über zehn Jahren vorbei gewesen, aber es gab immer noch Gebiete, in denen auch in jüngster Zeit noch Rebellen aktiv gewesen waren und die liberianische Armee war sowohl zum Schutz der Ärzte und Schwestern als auch der Dorfbewohner da. Die Wachen hatten Dr. Cross Landrover noch nie durchsucht, wenn er durch das Haupttor gefahren war.

Aber es konnte immer ein erstes Mal geben.

Dr. Cross hatte eine Aktentasche voller Unterlagen und eine schwarze Puma ProCat Sporttasche dabei, in der sich Röntgenaufnahmen und medizinische Ausrüstung, inklusive seines Stethoskops und einer blauen gepolsterten Medicool-Kühltasche für Ampullen, in die alle seine Phiolen bestens hineinpassten, befanden. Er trug die Kühltasche nicht gern vom Gelände, aber er hatte keine Wahl, denn er konnte sie auch nicht einfach im Büro lassen. Die Ampullen mussten ununterbrochen gekühlt werden. Er hätte einfach ein Schloss an den Kühlschrank im Küchenbereich machen können, aber das hätte Verdacht erregen können. Also trug er die Kühltasche einfach mit sich herum, denn das erweckte keinen Verdacht, schließlich war er Mediziner und arbeitete mit hochsensiblen Stoffen und manchmal nahm er seine Arbeit eben mit nach Hause. Er wohnte im Mamba Point Hotel am United Nations Drive direkt am Meer und dort gab es ebenfalls einen Kühlschrank.

Dr. Cross stellte die Sporttasche und die Aktentasche auf die Rückbank seines weißen Land Rovers, ließ ihn an und fuhr dann langsam zum geschlossenen Tor. Einer der liberianischen Offiziere lächelte ihn an und winkte ihn sofort durch. Dr. Cross verließ die Anlage, fuhr durch den Dschungel und dann nach Monrovia. Er ging kurz in sein Zimmer im Mamba Point Hotel, stellte die gepolsterte Kühltasche in den Kühlschrank und fuhr dann zum Palm Hotel an der Ecke von Broad Street und Randall Street, das sich in der Stadtmitte befand.

Die Lichter in der Bamboo Bar des Hotels waren gedämpft. Westliche Musik wurde gespielt – Lady Gaga sang, sie sei Born this way. Dr. Cross erkannte ein paar der anderen Männer von Ärzte ohne Grenzen, die an der Bar saßen. Sie grüßten ihn zwar, winkten ihn aber nicht zu sich, denn Cross war als Einzelgänger bekannt, der gern für sich blieb. Er ließ sich auf einen der großen Bambusstühle an der Bar fallen. Ein Kellner brachte ihm sofort sein übliches Getränk, einen Green Hornet, der eine Variation des klassischen Stinger war. Cross mochte den Brandy mit grüner Crème de Menthe, der geschüttelt und in einem Cocktailglas ohne Eis serviert wurde. Er warf einen kurzen Blick auf den Plasmafernseher, der über der Bar hing. Es lief CNN. Der Ton war zwar ausgestellt, aber es ging offenbar gerade um die Kämpfe in Syrien und Irak. Cross interessierte sich nicht dafür, denn das war ein physischer Krieg mit Blutvergießen und Gräueltaten, und Wunden, die von außen zugefügt wurden. In dem Krieg, den Dr. Cross ausfocht, wurden die Wunden von innen zugefügt. Man wusste ganz genau, wer der Feind war – in diesem Fall Ebola – aber nicht, wie man ihn vernichten konnte.

Eine Gestalt löste sich jetzt vom Ende der Bar und kam zu Dr. Cross. Es war eine Krankenschwester von Ärzte ohne Grenzen namens Ann Crosby. Sie trug jetzt aber keine grüne Schwesternkleidung mehr, sondern eine Baumwollbluse und einen Rock. Sie hatte Sandalen an den Füßen und ein silbernes Kreuz um den Hals. Sie war sehr zierlich, knapp über 1,55 Meter groß und Anfang dreißig, mit hellblauen Augen und braunen Haaren, die in einem Pagenschnitt geschnitten waren. Sie hatte ihm mal gesagt, sie wolle damit den Stil der Fünfzigerjahre zurückbringen, da dies eine wohlwollendere, sanftere Zeit gewesen war, als Unschuldige noch nicht im Namen der Religion hingeschlachtet wurden und kleine Jungs wie Dwe nicht an einer Krankheit hatten sterben müssen, weil sie ihre Mutter umarmt hatten. Ann war dünn, aber nicht so mager wie ein Model. Ihre Brüste drückten sich fest genug gegen ihre Bluse, um ihre Nippel sichtbar zu machen. Nicht, dass Dr. Cross hingesehen hätte.

Ann Crosby setzte sich jetzt in den großen Bambusstuhl, der gegenüber von Cross stand und sah selbst vollkommen erschöpft aus.

»Langer Tag?«, fragte er mitfühlend.

»Die Schicht von zwei Uhr nachts bis drei Uhr nachmittags. Wir haben eine Massenimpfung gegen Masern gestartet. Fünfzig Dorfbewohner heute. Fünf weitere Fälle in den vergangenen zwei Tagen. Ich habe dich auf dem Gelände gesucht, aber du warst nicht da. Ich habe schon geglaubt, dass Scott Pelley von 60 Minutes dich zu einem weiteren Interview überredet hat.«

60 Minutes hatte einen Nachfolgebeitrag über eine Story gemacht, die sie vor ein paar Staffeln über Ebola ausgestrahlt hatten. Cross lächelte. »Ich glaube, du bist diejenige, die er als Nächstes interviewen will. Ich habe ihm nämlich gesagt, was für eine fantastische Krankenschwester du bist und wie viel du schon für Ärzte ohne Grenzen getan hast.«

Jetzt war Ann an der Reihe zu lächeln. »Du bist aber voreingenommen.«

Das war er tatsächlich, denn er himmelte sie an. »Macht dir die Arbeit denn noch Spaß?«

»Es ist über vierzig Grad heiß, die Luftfeuchtigkeit beträgt über achtzig Prozent, es gibt urplötzliche heftige Regenfälle, die einen in Sekunden komplett durchweichen, um zehn Uhr eine Ausgangssperre, bei der man nicht mehr vom Gelände darf, wir müssen Latrinen und Eimerduschen bei Kerzenlicht benutzen … was sollte man daran bitteschön nicht lieben?«

»Ich habe gehört, es gab einige Aufregung heute Morgen.«

»Weil ich eine OP-Schwester und Anästhesistin bin, wurde ich einbestellt, um bei einer Notfall-Blinddarm-Operation zu helfen. Dr. Milford hat es fast nicht rechtzeitig diagnostiziert.« Sie lehnte sich über den Tisch und nahm Cross Hand. »Und wie läuft es bei dir?«

Cross senkte die Stimme. »Ich bin so nahe dran, aber mein Magen verkrampft sich jedes Mal, wenn ich durch die Tore des Areals fahre und die Phiolen in meiner Kühltasche dabeihabe.«

»Lass die Kühltasche doch einfach auf dem Gelände.«

»Das kann ich nicht machen, sonst besteht das Risiko, dass irgendeine Schwester von Ärzte ohne Grenzen den Kühlschrank aufmacht, nach einer Probe sucht und es aus Versehen findet.«

»Aber du arbeitest an einem Heilmittel für Ebola!«

»Nicht sanktioniert und ohne jegliche Finanzierung. Das ist äußerst gefährlich und riskant, denn ich muss dafür einen Teil der aktiven Virusstränge von Ebola einsetzen. Ich würde von den Ärzten ohne Grenzen gefeuert werden und könnte angeklagt werden, wenn das herauskommt.«

Seine Stimme klang jetzt äußerst scharf. Sie hatten schon früher ausgiebig darüber diskutiert.

»Aber du hast doch all die Forschungsdaten, um deine Arbeit stützen zu können!«

»Ich habe aber noch immer keinen Durchbruch erzielt, der bedeutend genug wäre, um diese geheimen Tests zu rechtfertigen.«

»Aber du bist doch nahe dran, oder?«

»Ich glaube schon.«

Sie drückte seine Hand. »Ich bin wirklich sehr stolz auf dich.«

»Du kannst stolz auf mich sein, wenn der Impfstoff irgendwann vom CDC empfohlen wird und es schafft, auch nur eine Person davor zu schützen, sich mit Ebola anzustecken.«

Er drückte ihre Hand ebenfalls, doch dann lösten sie den Kontakt schnell wieder, denn niemand wusste hier von ihrer Beziehung, da Ärzte ohne Grenzen sie bestimmt nicht gutheißen würde. Romanzen waren etwas für die Zivilisation, hier draußen in der Armut und all der Verzweiflung der Dritten Welt, mussten sie alle hochfokussiert sein und sich voll und ganz auf ihre lebensrettende Arbeit konzentrieren.

Dr. Cross warf einen Blick auf den Fernsehbildschirm über der Bar. Hinter dem CNN-Nachrichtensprecher war nun eine Landschaft in Syrien zu sehen. Ein umgedrehter US-Humvee lag neben einer staubigen Straße und schwarzer Rauch stieg davon auf. Syrische Rebellentruppen liefen hin und her. Das Video war offenbar mit einem Handy gemacht worden.

Dr. Cross nickte in Richtung Fernseher. »Das sind anscheinend Dinge, die eine Meldung rechtfertigen. Die US-Army, die ihre Nase in Dinge steckt, die sie überhaupt nichts angehen. Sie werden dabei getötet und die amerikanische Öffentlichkeit ist entsetzt. Aber hier, in dieser verlassenen Ecke der Welt, mit einer Epidemie, die Millionen auslöschen kann, lassen wir lieber den Deckel drauf. Wir wollen die Leute ja schließlich nicht in Panik versetzen.«

Ann Crosby streckte wieder die Hand aus und legte sie über seine. Ihr mitfühlender Gesichtsausdruck sollte ihm versichern, dass alles in Ordnung kommen würde.

Aber er wusste es besser.

Immer wenn McCall den Russian Tea Room an der West 57th Street betrat, kam er sich vor, als wäre er mitten in einem Fabergé-Ei. Das Dekor war komplett in Gold gehalten und es gab rote Sitzecken und Tische mit weißen Decken. Die Buntglas-Decke in Blau und Gelb war äußerst beeindruckend. McCall warf einen Blick zu der jungen Frau an der Garderobe, an der einst mal Madonna gearbeitet hatte, um zu sehen, ob sie vielleicht das nächste Material Girl war, aber sie sah eher aus wie ein Model, mit lila Lidschatten und Wangenknochen, mit denen man Karotten hätte schneiden können. Das Restaurant hatte einige schwere Zeiten hinter sich und war sogar vier Jahre lang geschlossen gewesen, bevor es 2006 wiedereröffnet hatte. McCall war am Eröffnungsabend hier gewesen.

Das Restaurant war brechend voll, denn es war gerade Mittagszeit. Norman Rosemont saß mit zwei Männern und einer Frau in einer der roten Sitzecken. Der ältere Mann war um die fünfzig und trug eine rote Fliege mit Punkten. Er sah aus, als würde ihm die Bank of America gehören. Der jüngere Mann war wahrscheinlich Rosemonts Assistent. Er war milchgesichtig und äußerst eifrig. Die Frau war in den Vierzigern und sehr stilvoll gekleidet. Sie hatte eine rauchige Stimme, die McCall unwillkürlich an Lauren Bacall erinnerte und der sie sogar ein wenig ähnlich sah. Alle lauschten gerade gebannt ihrem Gastgeber.

Norman Rosemont war ein korpulenter Mann Mitte fünfzig, war tadellos gekleidet mit seinem grauen Anzug aus Wolle mit dem Window-Pane-Karomuster und einem blauen Hemd von Turnbull & Asser. McCall kannte ihn von verschiedenen Fernsehauftritten, bei denen er entweder einen neuen Wolkenkratzer in Manhattan eröffnet oder auf Fox News über Wirtschaftsfragen debattiert hatte.

Der Hauptgang war offenbar gerade serviert worden. Der Bankier hatte Kulebyaka bestellt – Lachs, Pilze, Zwiebeln und Gemüse als Pastete mit Kohl – die Managerin naschte währenddessen an einer Dreißig-Gramm-Portion Sevruga-Kaviar. Rosemonts Assistent hatte Vareniki bestellt. Das waren russische Ravioli und Rosemont aß mit großem Appetit sein Côtelette à la Kiev und schien sich offenbar keine Gedanken darüber zu machen, dass die Kräuterbutter, die in die panierte Hühnerbrust gefüllt war, jedes Mal über den gesamten Tisch spritzte, wenn er mit der Gabel hineinstach. Der Banker lachte laut über etwas, das Rosemont gesagt hatte, und die Managerin lächelte wohlwollend, aber die Geschichte war offensichtlich ein wenig anstößig. Rosemonts Assistent kicherte, sah dabei aber unauffällig auf sein iPhone, ob er irgendwelche Nachrichten erhalten hatte.

McCall erreichte nun die Sitzecke. »Norman Rosemont?«

Der Unternehmens-CEO sah fragend zu ihm auf. »Das ist normalerweise eine Einleitung, um irgendwelche Scheidungspapiere zu überreichen, aber meine Frau war sehr freundlich heute Morgen, bevor ich gegangen bin.« Rosemont grinste seine Gäste an, um zu sehen, ob sie über diesen Spruch amüsiert waren – der Banker kicherte tatsächlich, während die Managerin eher unterkühlt aussah. Rosemont wandte seine Aufmerksamkeit wieder Robert McCall zu. »Oder werde ich gleich verhaftet?«

»Ich überbringe Ihnen keine Unterlagen und ich bin auch kein Cop.«

»Sie sehen doch sicher, dass ich gerade mitten beim Essen bin. Wenn Sie einen Termin machen wollen, können Sie gern meinen Assistenten Mark hier kontaktieren.«

»Ich brauche aber keinen Termin.«

Rosemont versuchte wieder, den Tisch zu unterhalten und dabei edelmütig zu klingen. »Kann ich dann etwas für Sie tun, Sir?«

»Nein, nicht für mich zumindest.«

McCall legte daraufhin vier Fotos auf den Tisch. Auf einem konnte man Gemma Hathaway in ihrer ganzen Größe im Wohnzimmer sehen, mit den roten Spuren auf dem Gesicht und den Armen, die aussahen wie Moskitostiche. Zwei Bilder waren allerdings Nahaufnahmen der Bisse auf ihren Armen und Beinen. Das letzte Foto war eine Nahaufnahme ihres Gesichts.

»Dieses kleine Mädchen ist von Rattenbissen übersät«, erklärte McCall.

»Und wieso sollte ich da auch nur einen Rattenschiss draufgeben?«

Rosemont sah sich hastig am Tisch um, ob sein Wortspiel irgendeine Wirkung zeigte. Der Bankier grinste und nahm einen weiteren Bissen Kulebyaka. Die Managerin hingegen legte ihre Gabel weg und betrachtete mit einiger Besorgnis die Fotos. Mark, ganz der getreue Assistent, hätte es wohl auch nicht gestört, wenn auf den Fotos Leichenteile zu sehen gewesen wären, die man in Rosemonts Büro gefunden hatte.

»Das kleine Mädchen und ihre Mutter wohnen im East Village in einem Gebäude, das Ihnen gehört.«

»Und was soll ich Ihrer Meinung nach tun?«

»Ihre Mieter umziehen lassen, die Kammerjäger holen, und sie erst dann wieder einziehen lassen, wenn es für sie absolut ungefährlich ist, in ihren Wohnungen zu leben. Oder das ganze Gebäude gleich abreißen lassen.«

Rosemont sah den Bankier an, als wolle er sagen Meint der Typ das etwa ernst?

McCall sagte: »Wieso sehen Sie sich die Fotos nicht mal genauer an, Mr. Rosemont? Die erzählen eine viel spannendere Geschichte als irgendeine Anekdote, mit der Sie Ihre Gäste zu unterhalten versuchen.«

Norman Rosemont hatte sich die Bilder nämlich noch nicht angesehen, und er tat es auch nicht, als er Mark knapp zunickte, der sie hastig einsammelte und sie McCall wiedergab.

»Das geht mich alles nichts an.«

»Wollen Sie denn nicht wissen, in welchem Ihrer Mietshäuser die Hathaways wohnen?«

»Nein. Wenn Ihre Mieterfreundin irgendwelche Klagen über das Gebäude hat …«

»Sie ist nicht meine Freundin.«

»Dann eben Geliebte, Schwester, was auch immer. Sie soll sich an die zuständigen Behörden wenden.«

»Das hat Linda Hathaway bereits versucht. Sie ist sogar zum Rathaus gegangen und hat dort eine förmliche Beschwerde eingereicht, aber nichts ist passiert.«

»Anscheinend haben sie ihr nicht geglaubt. Jetzt würde ich mich gern wieder ohne weitere Unterbrechungen meiner Essensverabredung mit diesen netten Leuten widmen. Oder muss ich zuerst die Polizei rufen?«

McCall steckte die Fotos in seine Jackentasche zurück. »Das wird nicht nötig sein.« Er sah sich am Tisch um. »Entschuldigen Sie bitte die Störung.«

»Keine Ursache«, sagte die Managerin.

McCall sah Norman Rosemont intensiv an und lächelte. »Einen angenehmen Tag noch.«

Er durchquerte langsam das Restaurant. Rosemont schüttelte den Kopf und wandte sich wieder seinem Hühnchen Kiev zu. Der Bankier widmete sich seinem Kulebyaka. Nur die Managerin sah McCall hinterher und hatte ihre Gabel auf dem Tisch liegen lassen, als hätte sie den Appetit verloren.

Als sie hörte, wie das Auto draußen anhielt, zog Helen Coleman den Vorhang in ihrem Wohnzimmer auf. Die Dämmerung tauchte den Vorgarten und die Bäume ihres Hauses im Kolonialstil in ein dunkles Violett. Der Wagen war eine schwarze Lincoln-Limousine. Drei Männer vom Militär stiegen jetzt daraus aus, alle in Ausgehuniform. Einer war ein Zwei-Sterne-General, der zweite ein Colonel der Army und sie vermutete, dass der dritte ein Militärseelsorger war. Sie kannte sie zwar nicht, aber sie wusste ganz genau, wieso sie hier waren. Einen Moment lang war sie wie gelähmt, als die drei ernst dreinblickenden Männer den gepflasterten Weg zu ihrer Veranda entlanggingen.

Helen Coleman ließ ihren Tränen freien Lauf, als sie in den Flur ging, um die Tür zu öffnen und die Nachricht vom Tod ihres ältesten Sohnes entgegenzunehmen.

EQUALIZER - KILLED IN ACTION

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