Читать книгу Totenläufer - Mika M. Krüger - Страница 9

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Kapitel 2

Tom hatte alles perfekt geplant. Der Köder war so gut wie fertig, neben ihm der Barhocker frei und er selbst darauf eingestellt, sich an jede erdenkliche Situation anzupassen. Er war bereit, sein Täuschungsmanöver auszuführen. Es fehlte nur noch seine Zielperson, die laut Informant pünktlich nach Einsetzen der Nachtsperre auftauchen sollte.

Der Barmann in der verqualmten Kneipe Hintertüren schenkte einem Kerl Klaren ins Glas, den dieser sofort runterspülte. Die beiden unterhielten sich seit einigen Minuten über die Ungerechtigkeit von vorgegebenen Pflichten in Red-Mon-Stadt. Dabei berichtete der Betrunkene lallend von seinem Job auf den Gemüseinseln außerhalb der Stadt. Es ginge da nicht um echte Landwirtschaft, sondern einzig und allein um Zahlen. Luftfeuchtigkeit, Temperaturschwankungen, Wachstumsrate, Röte von Tomaten. Alles musste ständig geprüft werden, da sonst das Essen der Stadtbewohner einging.

»Eine sowas von langweilige Aufgabe«, lamentierte er und fügte hinzu, dass sein Antrag auf Änderung seines Nutzens mit einer fadenscheinigen Begründung abgelehnt worden war.

»Würd’ lieber hier in dem Schuppen arbeiten«, sagte er, »aber das kann sich ja keiner aussuchen.«

Die Spitze von Toms Kugelschreiber flog über das Papier, während er zuhörte. Seine Zeichnung war ihm heute nicht recht gelungen, aber sie erfüllte ihren Zweck. Eine künstlerische Meisterleistung konnte von ihm eh niemand mehr erwarten. Er war übermüdet und hatte seit Tagen nicht richtig geschlafen, da er entweder seinem Scheinjob nachging oder als Spitzel agierte. Konzentrationsmangel war da nur eine von vielen unangenehmen Begleiterscheinungen. Nicht die besten Voraussetzungen für einen Offensivschlag, aber er würde das Beste daraus machen.

Seine Zielperson ließ sich ungewöhnlich viel Zeit. Inzwischen war es weit nach Mitternacht. Diese Änderung konnte alles und nichts bedeuten. Der Informant hatte sich vertan, die Bespitzelung war aufgeflogen, sein Ziel war spontan zu einem Noteinsatz gerufen worden, verletzt oder gar tot.

Tom wollte nicht vom Schlimmsten ausgehen, allerdings wusste er, dass sein Ziel viel Wert auf Routinen legte. Wenn er die Kneipe besuchte, was nur alle paar Wochen passierte, bestellte er immer zwei Tequila, setzte sich immer an die Bar, blieb höchstens eine Stunde und suchte sich stets einen neuen Gesprächspartner. Hatte man ihn also enttarnt? Nein, dazu war er zu vorsichtig gewesen, war anfangs unregelmäßig aufgetaucht, dann regelmäßiger und nun ein Stammgast. Der Barkeeper und einige der versifften Kunden begrüßten ihn mit einem Nicken und kannten seinen Namen. Er war einer von ihnen. Und wäre er tatsächlich aufgeflogen, säße er jetzt wohl nicht mehr hier, sondern in einer Zelle des Kuppelbaus Safe City, wo jeder landete, der seinen Nutzen verloren hatte. Aller Wahrscheinlichkeit nach war seinem Ziel etwas dazwischen gekommen. Vermutlich ein Einsatz oder ein herumstreunender Lorca, der ihm zufällig begegnet war. Er hoffte es nicht, denn ein solches Aufeinandertreffen endete für einen Lorca tödlich.

Kalte Luft zog durch die Kneipe und als Tom aufsah, erkannte er den Mann mit dunklem Filzmantel in altmodischem Schnitt sofort. An ihm hafteten die Abgeklärtheit eines Soldaten und die kalte Berechnung eines Auftragsmörders. Seine Schritte waren konzentriert und durchdacht, das Gesicht zu weich für jemanden wie ihn, aber seine Augen durchdringend. Nichts an ihm wirkte überflüssig. Alles hatte seinen Platz und seine Berechtigung. Er war es, der Totenläufer. Jener Mann, von dem niemand sonst wusste, wie er tatsächlich aussah, weil die Verwaltung es streng geheim hielt.

Sein Blick streifte über die Köpfe der Gäste und Tom wandte sich seiner Zeichnung zu. ›Komm schon‹, flüsterte er in Gedanken. ›Du siehst, was ich hier mache. Ich bin interessant. Meine Zeichnung hat eine Geschichte zu erzählen und auf die stehst du doch.‹

Der Totenläufer ging um die Bar herum, lief an einigen Männern vorbei, die volltrunken auf den Barhockern saßen, passierte leere Plätze. Dann blieb er stehen. Direkt hinter Tom. Der Köder. Tom zeichnete. Seine Finger zitterten nicht. Die Striche waren klar und gerade. Und das, obwohl er innerlich kochte.

›Setz dich‹, rief er dem Totenläufer in Gedanken zu, ›setz dich!‹

Für einen grauenvoll langen Augenblick war Tom überzeugt, dass der Totenläufer weitergehen und neben dem alten Kauz am anderen Ende der Bar Platz nehmen würde. Weil alte Menschen bessere Geschichten kannten. Das brachte ihre Erfahrung mit sich. Dann setzte er sich doch.

Innerlich beglückwünschte sich Tom für seinen Schachzug und sah den König schon fallen. Nach Wochen, nein Monaten war er dem Totenläufer nicht nur auf der Spur. Nein, sie saßen nebeneinander und Tom bekam die Chance, herauszufinden, mit was für einer Person die REKA es zu tun hatte. Es war die Gelegenheit, ihn aus der Reserve zu locken, ihn einzuschätzen, ihn zu beschnuppern und daraus Rückschlüsse auf seine Persönlichkeit zu ziehen.

Er zeichnete weiter und die geübten Bewegungen seiner Finger gaben ihm ein Gefühl von Kontrolle.

»Zwei Tequila«, hörte er den Totenläufer sagen. Geliebte, bösartige Routine. Soweit so gut.

Die Sekunden rasten und Toms Stift flog über das Papier. Hier fehlte ein Schatten in den Haaren, da ein Detail im Gesicht. Er bemerkte, dass er beobachtet wurde. Ein gutes Zeichen.

Als die Getränke kamen, leerte der Totenläufer seinen Tequila in einem Schluck. Nicht zögern, sofort handeln. Das passte zu ihm.

Tom spürte die Ungeduld in sich kratzen wie eine eingesperrte Katze an einer Wand. Am liebsten hätte er sofort das Gespräch begonnen. Aber so funktionierte das nicht. Der Totenläufer musste ihn ansprechen, nur so war er nicht verdächtig. Deshalb verdeckte er die Hälfte der Zeichnung mit der linken Hand. Gerade so, dass sein Ziel das Gesicht einer jungen Frau erahnen konnte, sich aber nicht hundertprozentig sicher war, was für ein Bild entstand. Das erzeugte Spannung, weckte die Neugierde und brachte ihn womöglich zum Reden. Es dauerte eine Weile, ehe der Totenläufer die Initiative ergriff, doch Tom behielt Recht.

»Bist du Künstler?«, fragte der Mann neben ihm beiläufig.

Tom stutze, drehte sich zu ihm und fragte, als sei er aus einer Trance gerissen worden: »Ähm … hast du was gesagt?«

In den Augen des Mannes sah er Unruhe, obwohl seine Miene diese verbarg. Ein zaghaftes Lächeln spielte um seine Lippen. Es war nicht so, als ob er sich über Tom lustig machte. Im Gegenteil, es strahlte Mitgefühl aus. Mitgefühl. Was für ein Wort in Zusammenhang mit dieser Person.

»Ich habe nur gefragt, ob du ein Künstler bist? Man sieht in Red-Mon-Stadt nicht oft jemanden zeichnen.«

Tom fragte sich, ob er das aus der Perspektive des SDF-Soldaten sagte, der sichergehen wollte, dass sich alle an die Spielregeln hielten. Kunst hatte keinen konkreten Nutzen, keinen greifbaren Wert. Sie war nicht verboten, aber nur eine unliebsame Randerscheinung.

»Ich, Künstler? Nein, ich … na ja, ich zeichne einfach manchmal.«

»Hm, verstehe«, sagte der Totenläufer. »Dafür ist es ziemlich gut. Kann ich es sehen?«

»Na ja, es ist wirklich …«

»Ich bin kein Kritiker, keine Sorge. Es interessiert mich nur.«

Wieder dieses einnehmende Lächeln. Tom spürte Sympathie und die ging einher mit brennender Wut. Wenn er alle Menschen so um den Finger wickelte, war es kein Wunder, wieso er der Liebling der Stadtverwaltung war. Wie gern wäre Tom aufgesprungen, hätte den Revolver aus seinem Schuh gezogen und ihm eine Kugel in die Brust gejagt. Konzentrieren. Er musste sich konzentrieren. Es ging nicht um ihn und seine Abneigung, sondern um das große Ziel. Sein Tod wäre an dieser Stelle nur verschwendet.

Deshalb nahm Tom das Papier mit dem Portrait und gab es dem Totenläufer. Der betrachtete es eine Weile im Stillen.

»Sie sieht sehr lebendig aus«, sagte er dann und gab ihm die Zeichnung zurück. »Ist das eine Bekannte von dir?«

»Eher eine sehr gute Freundin, wenn du weißt, was ich meine.« Er sah den Totenläufer an. Der nickte, als habe er verstanden, und wartete darauf, dass Tom fortfuhr. »Also heute ist mir da jemand über den Weg gelaufen, der ihr irgendwie ähnlichsah. Da habe ich mich plötzlich an sie erinnert. War alles wieder da. Die Zeit, die wir zusammen hatten. Gute Sachen und schlechte, aber meistens die guten. Schon merkwürdig.«

»Gute Erinnerungen sterben nie, was?«

Tom rang sich ein trauriges Lächeln ab, von dem er hoffte, es wirke ehrlich.

»Nein, das tun sie wirklich nicht. Manchmal denke ich, dass sie direkt vor mir steht. Ich kann sogar ihre Bewegungen spüren. Sie ist da, aber eigentlich nicht. Es ist ja auch nicht möglich, dass sie mir hier begegnet. Dafür ist sie viel zu weit weg.«

Darüber dachte der Totenläufer nach. Zwischen seinen Händen drehte er das leere Tequila Glas. Sein zweites stand unberührt daneben.

»Sie ist also auf dem Festland?«, fragte er nach einer gewissen Zeit. Tom betrachtete die Zeichnung, so als würde er an eine längst vergessene Zeit zurückdenken.

»Wenn sie auf dem Festland wäre, dann wäre sie nah. Wirklich sehr nah.« Er machte eine Pause, rang mit den Worten. »Sie ist tot.«

»Tot?«, fragte der Totenläufer. Seine Lippen waren leicht geöffnet, die Augen wach und darin las Tom Überraschung. Zum Teufel, er wusste ja, dass der Mann sich gut verstellen konnte, aber dass er ihm so dreist den Geschockten vorspielte? Nun gut, wenn er das Schauspiel wollte, dann bekam er es auch.

»Ja, sie wurde umgebracht. Das ist schon einige Jahr her und der Täter ist nicht gefasst worden. Sie hat damals auf dem Festland gelebt, wollte aber nach Red-Mon-Stadt einwandern. Verrückte Welt sag ich dir. Sie lag einfach ausgeblutet in einer Straße. Abgelegt wie ein Kleidungsstück. Ihr Bruder hat es mir erzählt. Ich bin nur froh, dass ich dieses Bild nicht sehen musste. Es hätte mich vermutlich auch ins Grab gebracht.« Tom kaute auf seiner Lippe, betrachtete das leere Schnapsglas vor sich, so als läge darin der Schatten seiner toten Freundin. Die Frau, die tatsächlich auf der Zeichnung zu sehen war, saß augenblicklich mit seinem besten Freund im Kaninchenbau der REKA und erfreute sich bester Gesundheit. Ihr Name war Caren. Eine Frau mit feuerroten Haaren und einem unverbesserlichen Sinn für Gerechtigkeit.

»Es ist eine verrückte Welt, da stimme ich dir zu. Es passieren zu viele Dinge, die wir uns nicht erklären können. Jemanden zu verlieren, der einem viel bedeutet ist unerträglich. Tut mir leid, um deinen Verlust.«

Tom sah den Mörder neben sich an, suchte nach einer Spur von Falschheit, doch es zeichnete sich ehrliche Bestürzung auf seiner Miene ab.

»Danke«, brachte er erstickt heraus.

Der Totenläufer hob seinen Arm, winkte den Barkeeper heran und bestellte zwei Klare. Er legte Tom eine Hand auf den Rücken und sagte: »Lass uns auf deine Freundin trinken. Keiner sollte ohne Grund sterben.«

Es widerte ihn an. Die Berührung, die Freundlichkeit. Er musste sich zusammenreißen.

»Danke, das weiß ich zu schätzen.«

Gemeinsam stießen sie auf das Leben an und tranken auf ex. Der Alkohol floss durch Toms Glieder und wärmte ihn angenehm. Wenigstens etwas Normalität. Auf die Wirkung von Schnaps konnte man sich immer verlassen.

Tom klopfte sich auf die Brust und hustete kurz, so als kämpfe er mit dem Geschmack des Alkohols.

»Verträgst wohl nichts, was?«

»Nein, nicht wirklich. Ich komm so oft hierher, aber der Alkohol und ich, wir haben ein merkwürdiges Verhältnis …«

»Ist nicht jeder gleich.« Er machte eine Pause und fügte hinzu: »Und du bist wirklich öfter hier? Hab dich noch nie gesehen.«

»Ja, ich sitze meist hinten in der Ecke, aber heute war es irgendwie anders.«

»Hm«, sagte der Totenläufer, »heute solltest du mich treffen.« Tom versuchte zu deuten, was er damit sagen wollte. Glaubte er an Schicksal? War das der dezente Hinweis darauf, dass er ihn durchschaut hatte? Oder doch nur eine Floskel?

»Wahrscheinlich«, sagte Tom und entschied, trotz Unsicherheiten einen Vorstoß zu wagen. Irgendwann musste er ja den Spieß umdrehen. »Und, was verschlägt dich in diese Kneipe?«, fragte er. »Doch sicher nicht eine vergangene Liebe?«

Der Totenläufer fasste in seine Manteltasche und zog eine Münze heraus, die nach einem Einzelstück aussah. Auf die Vorderseite war ein Falke geprägt. Nichts, was man in Red-Mon-Stadt normalerweise zu Gesicht bekam. Er hielt sie ins Licht und meinte: »Die habe ich heute gefunden. Jemand hat sie nach Red-Mon-Stadt geschmuggelt. Ich wollte der Frage nachgehen, wer sie wohl hierher gebracht hat. Dazu lasse ich gern meine Gedanken baumeln.«

»Dann bist du sowas wie ein Hygienepolizist?«

Der Totenläufer lachte bitter. »Nein, mein Job ist komplizierter. Das ist eher ein Hobby. Ich sammele Geschichten. So wie deine. Wenn mich etwas interessiert, dann frage ich nach und manchmal entdecke ich etwas Gutes. Das ist so, als würde ich einen Film sehen. Einen dieser alten Streifen, die verstaubt wirken, aber doch faszinierend sind. Man kann sich sowas nicht in die Vitrine stellen, aber sie bleiben einem im Gedächtnis. Erinnerungen sterben nicht, richtig?«

Sympathie. Erneut. Es war nicht zu leugnen. Auch wenn dieser Mann keinen Respekt verdient hatte, etwas an ihm strahlte von innen heraus.

»Das macht doch keinen Sinn«, sagte Tom. »Ich brauche Dinge, die ich anfassen kann.«

Der Totenläufer stellte die Münze auf ihre Kante und stieß sie an, sodass sie sich im Kreis drehte. Sie tanzte auf der Platte. Im trüben Licht der Barbeleuchtung glitzerte das Silber.

»Das ist der Fehler dieser Gesellschaft«, sagte der Totenläufer. »Wir sammeln Materielles, aber das, was wir nicht anfassen können, ist das, was wirklich Bedeutung hat. Freundschaften, Beziehungen, Vergangenes, Erinnerungen. Das macht uns aus.«

»Und Taten«, rutschte Tom heraus. Der Totenläufer sah zu ihm. Ein glimmender Funken schlug sich durch seine Augen. »Ich meine, machen uns nicht auch Taten aus?«

Die Münze schlingerte, verlor die Standhaftigkeit und hörte letztendlich auf zu kreisen.

»Du hast recht. Taten machen uns aus. Aber nicht etwa das, was wir getan haben, sondern der Grund, weshalb wir es getan haben.«

Er sprach im Wir, meinte jedoch sich selbst, das war unverkennbar. Welche Gründe konnte er haben, zu tun, was er tat? Geld? Rache? Hass?

»Gründe sind doch nicht alles. Das Ergebnis zählt.«

Der Totenläufer lachte und nahm die Münze zwischen die Finger.

»Das sagen sie alle, aber ich denke, das ist ein Missverständnis. Frag dich selbst, ob es wichtig ist, dass sich die Münze dreht, wenn ich sie anstoße oder ob es nicht wichtiger ist, warum ich sie angestoßen habe. Weil ich mich langweile und bereits abschweife? Weil ich dir damit etwas zeigen wollte? Weil ich einfach Lust darauf hatte.«

»Spielt das wirklich eine Rolle?«, fragte Tom. »Wenn ja, dann wäre meine Zeichnung nichts wert. Ich habe sie ja nur gezeichnet, weil ich gerade Lust darauf hatte.«

»Guter Punkt, aber wer sagt denn, dass das kein guter Grund ist?«

»Ist das irgendeine Philosophie? Klingt gewaltig danach.«

»Nicht direkt. Es war lange Zeit der Grundsatz der Rechtsprechung. Ohne Motiv gibt es keine Täter. Aber Red-Mon-Stadt hat seine eigenen Regeln. Hier zählt allein der Nutzen einer Tat. Im Grunde das Ergebnis.« Der Totenläufer nahm seinen Tequila und trank ihn in einem Schluck aus. »Das wird uns allen noch das Genick brechen.« Er sagte es leise und mehr zu sich selbst. Dann holte er sein Portemonnaie aus der Manteltasche, zog einige Geldscheine hervor und legte sie auf die Kneipentheke.

»Ich werde jetzt gehen, aber deine Drinks gehen auf mich. Tob dich aus.«

Zu früh. Der Moment war vorbei und Tom hatte es nicht einmal bemerkt.

»Du willst schon gehen?«, fragte er deshalb wie einstudiert.

»Man soll gehen, wenn es am besten ist, sagt man doch. Unser Gespräch hat mich auf eine Idee gebracht. Und so eine Idee hat man nicht jeden Tag.«

›Noch nicht‹, kreischte eine Stimme in Toms Kopf. ›Du musst ihn stoppen.‹

»Ich kann dich nicht überreden, noch eine Weile zu bleiben?«

»Ich fürchte nicht.« Der Totenläufer reichte Tom die Hand und er ergriff sie automatisch. Sein Handschlag war fest, aber nicht erdrückend.

»Es war ein gutes Gespräch. Wie war noch gleich dein Name?«

»Glenn. Ich heiße Glenn«, sagte Tom und kam sich dumm vor.

»Glenn also. Vielleicht kreuzen sich unsere Wege ja noch ein zweites Mal.«

Der Totenläufer löste sich aus der Berührung, wandte sich ab. Toms Kehle wurde trocken. Es durfte nicht umsonst gewesen sein. Der ganze Aufwand und dann das? Er musste es probieren. Entweder oder.

»Wie heißt du eigentlich?«

Der Held Red-Mon-Stadts drehte sich um, sah ihn an, dachte nach. Namen wurden nur intern weitergegeben. SDF-Soldaten waren nur so lange geschützt, wie sie außerhalb der Einsätze anonym blieben. Er rang mit diesem Fakt und Tom konnte die abschmetternde Antwort bereits von seinen Lippen ablesen. Doch nicht zum ersten Mal an diesem Abend wurde er vom Gegenteil überrascht.

»Neel«, sagte er. »Neel Talwar.«

Dann verließ der Totenläufer die Kneipe und das Einzige, was zurückblieb, waren Tom und sein kalter Herzschlag. Er hatte ihn. Seinen Namen. Der Geruch des Sieges lag in der Luft, doch er hatte etwas Bitteres an sich, das ihm Sorgen bereitete. Irgendetwas an Neel Talwar war ganz und gar nicht so, wie es sein sollte.

Totenläufer

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