Читать книгу 534 - Band I - Milena Himmerich-Chilla - Страница 11
ОглавлениеKapitel V
08:16 Uhr – Bushaltestelle – Am Dornenbusch
Keuchend hielt der überalterte Bus neben ihm an und senkte sich pfeifend herab, so dass die ringsum stehenden Personen nacheinander den schmalen Einstieg erklimmen konnten. Seine rot-gelbe Farbe war schon mehr als verblasst und ließ die aufwendige Bemalung aus besserer Zeit nur noch erahnen, während hier und da der Lack begann, ab zu platzen und den Rost darunter frei legte.
Schaukelnd sog er auch den letzten Fahrgast ein, als sich der schwer beleibte Fahrer, in seinem an Geruchsbelästigung grenzenden Führerhaus, über das abgegriffene Lenkrad hob und genervt sein Kinn nach oben zog. Seine Augen taxierten den Übriggebliebenen, der weiterhin regungslos mit dem Rücken zu ihm stand, als wollte er ihn durchbohren. »Was isn? Fahrn se mit oder nich?«
Der Busfahrer war ihm vollkommen egal, wie auch jene Fahrt ins Büro, die er vor gehabt hatte. Noch immer hielt er breit grinsend seinen Blick auf die Straßenecke gerichtet, an der das braunhaarige Mädchen zuvor eilig und verstört abgebogen war. »Nein danke, bei diesem schönen Wetter werde ich laufen! Soll ja bekanntlich gesund sein, nicht wahr?«
Untermalt vom Zischen des erbosten Fahrers und dem quietschenden Schließen der abgenutzten Fahrertüren, schob er seine linke Hand in die viel zu engen Hosentaschen seines Anzugs und begann gemütlich über das Pflaster in Richtung der Kreuzung zu schlendern, welche vor ihm lag. Nein, nach Eile war ihm heute ganz und gar nicht zumute. Hatte er doch endlich das gefunden, nachdem er schon so lange Ausschau hielt. Hier war sie nun überraschend vor ihm gestanden und ohne Zutun in seine Arme gestolpert.
Er freute sich diebisch und schlang den dünnen, bordeauxfarbenen Schal enger um das ausladende Doppelkinn. Hierbei fielen ihm seine aufgeblähten Finger auf. Angewidert schnalzte er mit der Zunge und begann die vorbei ziehenden Passanten, die seinen Weg kreuzten, zu mustern. »Zu alt, zu dick, eine Frau.« War denn niemand auf der Straße, der seinen Ansprüchen auch nur halbwegs genügte?
Er war schon bereit gewesen, sich mit der jetzigen Hülle abzufinden, als ihm ein schmaler, jugendlicher und geschäftig wirkender Mann im besten Alter auffiel. Dessen wohl gestutzter und gerichteter, dunkelbrauner Bart umspielte neckisch seine vollen Lippen, die modelgleich ein perlweißes Lächeln frei legten, als er die junge Frau auf der gegenüberliegenden Straßenseite anflirtete.
Ein Bart gefiel ihm zwar nicht wirklich, aber dem konnte Abhilfe geschaffen werden. Ansonsten war der junge Mann genau nach seinem Geschmack. Mit Sicherheit hatte er an jedem Finger mindestens eine Frau, die sehnsüchtig auf einen Anruf wartete, sich nach ihm verzehrte. Er würde dies mit Sicherheit prüfen, denn vielleicht könnte er sich so ein wenig Zeit vertreiben, bis endlich seine Stunde geschlagen hatte.
Schief grinsend setzte er sich in Bewegung und lief schnellen Schrittes auf sein Opfer zu. Auf gleicher Höhe angekommen strauchelte er gekonnt, stieß mit jenem zusammen, wobei er bewusst seine lederne schwarze Aktentasche fallen ließ und laut aufstöhnte.
Mitleid, das war es, was er provozieren wollte und sein Plan ging auf. »Alles in Ordnung, Sir?« Der junge Mann rieb seine Schulter, als er sich zu ihm hinab beugte und ihn zaghaft anlächelte. Da war er, der Moment und er würde ihn nicht verstreichen lassen. Wie eine Schlange stieß er zu und umfasste schmerzhaft die Hand seines Opfers, welche sich augenblicklich verkrampfte.
Als er seine Augen öffnete, fiel sein Blick auf das breite, Männlichkeit missende Mondgesicht, jenes ihn mit verstörtem Blick anstarrte. »Vielen Dank, mein Freund.«
Mit diesen Worten ließ er den untersetzten Mann, der noch immer auf seinem breiten Hintern saß, los und richtete sich tief durchatmend auf. Das war doch gleich ein ganz anderes Gefühl. Er hätte Bäume ausreißen können, so energiegeladen fühlte sich seine neue Hülle an. Fasziniert hob er seine Hände vor die Augen und betrachtete die feingliedrigen Finger. Selbst seine Nägel waren gepflegt.
Anerkennend pfiff er durch die Zähne. Er würde viel Spaß mit ihm haben, aber nun gab es Wichtigeres, dem er sich widmen musste.
Ein suchender Griff zog sich über die Armanihose, die er trug und erfühlte das gesuchte Objekt. Neugierig zog er die Geldbörse aus der Hosentasche und warf einen prüfenden Blick hinein. Kreditkarte - sogar gold, Visitenkarten und Bargeld und das nicht zu wenig. Damit würde er weiter kommen.
Breit grinsend wandte er sich zum Gehen, während er vor sich hin summte und schlussendlich die Worte »This is a man's world, but it wouldn't be nothing, nothing without a woman or a girl«, mit einem aufkommenden Lachen sang, bevor er um die Ecke bog und sich an Elisabeths Fersen heftete, nicht gewillt, sie ein zweites Mal zu verlieren.