Читать книгу 534 - Band I - Milena Himmerich-Chilla - Страница 14
ОглавлениеKapitel VIII
Zeitgleich | Festung Nimro – Bibliothekszimmer
Als die ersten Sonnenstrahlen durch die schmalen, hochragenden Fenster drangen und sich dabei über den speckigen Steinboden ergossen, trat Grindelwald aus dem Schatten heraus. Er humpelte, schwer auf seinen Stab gestützt, hin auf das linke der drei Pulte zu, welche sich im Zentrum des spartanischen Raumes befanden. Wartend lag dort das in schwarzem Leder gebundene Buch. Dessen Einband war weder aufwendig gearbeitet, noch wirkte das Werk durch die bestechende Schlichtheit besonders lesenswert. Doch der erste Schein trog, das wusste Grindelwald.
Sein Ziel erreichend, legte er ehrfürchtig die linke Hand darauf ab. Dabei fühlte er die Wärme des Buches, welches unter seiner Handfläche ruhig zu atmen schien. Sanft strich er sogleich über den Einband.
Jene Geste wiederholte der Magier mehrere Male, bis sich das Buch unter der zuteilgewordenen Zärtlichkeit räkelte, schüttelte und sich ohne ein Zutun von selbst an jener Stelle aufschlug, aus der das blutrote Lesezeichen heraus ragte. Das begleitende Rascheln der blätternden Seiten wurde dabei von den kargen Wänden wider geworfen und verklang als Echo im Nichts.
Als Grindelwalds Blick seines rechten Auges, während das Linke wild zuckend einmal mehr sein Eigenleben führte, über das vergilbte Büttenpapier zog, umgriff er das Holz des Lesepults fester. Das Weiß seiner Knöchel trat augenblicklich unter der braungeflecken Haut hervor.
Jenes Werk war der Schlüssel. Hatte er doch so viel Zeit und Energie dafür aufwenden müssen, aber es hatte sich gelohnt. Daran hielt der alte Magier fest. War doch sein Ziel mit dessen Erhalt in greifbare Nähe gerückt. Das konnte er in jeder Faser seines Körpers spüren.
Grindelwald strich vorsichtig über das raue Papier, wodurch das Buch sich, von Zuneigung übermannt, unter der wohltuenden Berührung wand und die handgeschriebenen Passagen auf den zuvor leeren Seiten preisgab. Dies bildete den lang ersehnten Moment.
Grindelwald lehnte sich just mit knirschenden Gelenken nach vorn, während er den Rand der Buchseiten kontinuierlich weiter streichelte und somit das Buch zufrieden stellte. Wollte er doch nicht, dass die aufgekommene Information all zu schnell wieder verschwand.
So studierte er, mit angespannter Miene, die erschienen Zeilen und brannte sich deren Wissen ein. Sein Blick zuckte hierbei hin und her, während er die zahlreichen Zeilen hinab, bis knapp oberhalb des Textendes, in sich aufsog. Dann endlich las er sie, jene Information, die ihm gefehlt hatte und mit deren Hilfe er Lilith zurückholen konnte. Ganz weit unten im Text hatte sie, verborgen zwischen Nichtigkeiten, gelegen. Wie ein Goldstück im Bergbach, vergraben unter wertlosem Kiesel.
Grindelwalds Augen weiteten sich, wobei das Lächeln, welches auf seinen Lippen thronte, alles andere als freundlich war. Euphorisch schlug er seine scharfkantigen, an einigen Stellen abgekauten, Fingernägel in das verwirrte Buch. Jenes verkrampfte sich augenblicklich unter dem plötzlichen Schmerz. Dabei verblassten die handgeschriebenen Passagen. Dies jedoch war für den Magier nicht weiter tragisch, wusste jener doch nun alles, was er wissen musste. Somit war das Buch von einem Moment zum Anderen nutzlos und Ballast zugleich geworden.
Das wütende Rascheln der zahlreich, um sich schlagenden Seiten wirkte ermüdend auf Grindelwald, der jenes zuklappte und es darauf folgend am Rücken ergriff. Das Buch versuchte sich, ein letztes Mal wild zuckend, aus dem Tod verheißenden Griff zu befreien, als dessen Peiniger bereits schwerfällig auf den offenen Kamin zutrat und kurz davor zum Stehen kam.
Der flackernde Lichtschein des Feuers brannte sich in die Augen des deformierten Magiers. Dieser begann erneut zu lächeln und entblößte hierbei die gelblichen Zähne. Kurz darauf weitete sich das Lächeln zu einem ausgewachsenen Grinsen aus. Er genoss den Anblick des Feuers und die daraus resultierende Hitze, welche von jenem ausging.
Sekunden vergingen, bis Grindelwald das Buch an seine Lippen hob. »Ich danke dir sehr für das Wissen, das du mir geschenkt hast. Ich kann es jedoch nicht gut heißen, wenn du diese Informationen einem anderen offenbarst, als mir. Daher bleibt mir leider nichts anderes übrig ... «
Mit jenem halb gesprochenen Satz holte der Magier aus und warf das Buchwerk hinein in die züngelnden Flammen. Mit Genuss beobachtete er, wie jene sich durch ihr Opfer fraßen und es von innen heraus verbrannten, bis jenes in sich selbst zerfiel, dabei zahlreiche Funken aufstiegen.
Sein Gesicht war unergründlich, als er weiter die Szenerie vor sich, den Kampf um das Leben selbst, betrachtete. Noch lagen zehn Tage vor ihm und er wusste, dass jene sich für ihn endlos anfühlen würden.