Читать книгу 534 - Band I - Milena Himmerich-Chilla - Страница 16

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Kapitel X

16. des Ankh 534 | Dorf Auenbach an der Awe

Auf seiner krampfhaften Suche führte das Schicksal Merin über zahlreiche Trampelpfade hinweg in das kleine Dorf Auenbach. Schief gebaute Lehm- und Strohhütten säumten die matschige Hauptstraße, auf der sich der Magier augenblicklich seines Einzugs wiederfand. Als jener den Geruch nach Abfällen und Unrat wahrnahm, zog sich seine Nase augenblicklich kraus. Dabei unterbrach er den trabenden Hengst und hielt die Zügel des Halfters fest in den Händen. Er lauschte, war ihm doch, als hätte er Stimmen gehört. So spitzte er seine Ohren.

Um seine Sinne zu schärfen, schloss Merin die goldgelben Augen und drehte seinen Kopf, den er hierbei bewusst schief hielt, in die verschiedensten Richtungen. Nachdem er den Ursprung der Geräusche ausfindig gemacht hatte, öffnete er seine Lider und zwang den unruhig scharrenden Hengst in eine der engen Seitengassen hinein. Jene Dunkelheit, die im starken Kontrast zum vorherigen, sonnenbeschienenen Pfad stand, machte es dem Magier augenblicklich schwer, etwas zu erkennen. Als dessen Augen sich jedoch den neuen Lichtverhältnissen angepasst hatten und er erstmalig scharfe Umrisse ausmachen konnte, trat sein Tier bereits auf den offenen, kleinen Dorfplatz.

Angewidert der plötzlichen Helle, welche den Gestaltwandler just erblinden ließ, legte dieser seine behandschuhte Hand vor die Augen. Das Pferd kam dabei durch einen unwirschen Zug an den dünnen Lederzügeln zum Stillstand.

Die Augen des blonden Magiers brannten bei jedem der zahlreichen Versuche, seine Lider zu öffnen und ließen ihn wilde Verwünschungen ausspeien.

Just wurde es still, da die versammelten Dorfbewohner in seine Richtung gedreht, den Neuankömmling auf dem hochragenden Pferd stumm und abschätzend musterten. Nach einigen, sich ziehenden Sekunden rückten diese von Merin ab und versuchten dabei so viel Platz zwischen dem Fremdling und sich zu gewinnen, wie es ihnen dabei möglich war.

Merin, der seine Augen für einen kurzen Augenblick öffnen konnte, winkte nach vorne zum erstarrten Geschehen. Die dort in ihrer Handlung verweilenden Personen, musterten seine Gestalt missbilligend, reagierten jedoch nicht weiter. So winkte der Magier erneut, diesmal mit mehr Nachdruck.

Nur schleppend nahm die Gesellschaft vor dem Podest ihre Geschwätzigkeit wieder auf. Der blonde Magier jedoch war bereits genervt vom einfachen Volk der Menschen. Was hatten diese denn schon Großartiges vorzuweisen, nichts. Waren sie unbedeutend für die Geschichte und würden es in ihrer Beschränktheit auch immer bleiben.

Er war bereits im Begriff gewesen, sein Pferd zu wenden, als eine eskortierte, in Ketten gelegte Frau auf das Podest gezogen wurde. Er erstarrte und verfolgte diese mit seinem noch immer feuchten Blick. Seine Neugier war erwacht und größer gewesen, als der Schmerz selbst. Mit dem Rücken seiner behandschuhten rechten Hand wusch er sich das Nass von seinen Wangen, ohne die Schönheit vor sich aus den Augen zu verlieren.

»Wir haben uns heute hier versammelt, um den Anschuldigungen von Maria, der Tochter des Gerbers, Gehör zu schenken. Maria, kommst du bitte zu uns herauf?«

Das umher stehende Dorfvolk raunte wildeste Spekulationen und bildete dabei eine kleine Gasse, durch die ein junges, hübsches Mädchen mit braunem Haar unsicher nach vorne trat. Merin lehnte sich dabei neugierig auf seinem Hengst nach vorne und lauschte gespannt. Seine Pupillen waren geweitet vor Aufregung. Das würde interessant werden, davon war er überzeugt.

»Sag, Maria, was hast du gesehen?« Die hübsche Erscheinung, welche am Bandende ihrer Schleife spielte, schaute unsicher aus braunen Augen hinaus. Angst lag in ihrem Blick, der über die Zuschauer schwebte und kurzzeitig an Merin haften blieb.

»Erzähl ihnen, was du mir gestern im Vertrauen offenbart hast, mein Kind«, raunte eine süßliche Männerstimme.

»Im Vertrauen ...«, wiederholte Merin tonlos die Worte des gesetzten Mannes. Ein wölfisches Grinsen legte sich hierbei auf sein Gesicht, während er sich vorstellte, wie das wallende, in Locken herabfallende Haar der jungen Schönheit sich über ihren zarten, kleinen Busen legte und ihr Körper bebend auf den des schmierigen Fettwanstes glitt. »Ja, natürlich im Vertrauen«, wiederholte die von Spott triefende Stimme erneut in seinem Kopf, während das Augenmerk auf den Vorbau des Mädchens glitt.

»Als ich unten am Flussufer nach Hahnenkraut gesucht habe, ist mir etwas Seltsames aufgefallen. Ich war mir unsicher, doch ließ ich meinen Korb mit gepflückter Hagebutte zurück und folgte einer verhüllten Gestalt, den Bachlauf hinab. Ich konnte sie bis hinter die Hecken des Westufers verfolgen.«

Der Mann daneben nickte ihr Mut gebend zu, während dessen Doppelkinn wässrig mitschwang. So sprach das Mädchen weiter, doch hielt sie nunmehr ihre Augen geschlossen. »Ach«, dachte Merin »Wenn das jetzt keine Lüge ist, was da kommt.«

»Ich habe Amira gesehen, wie sie mit dem Gehörnten sprach. Er hat bei ihr gestanden und ihre Hand gehalten.« Bei diesen Worten, die sie angeekelt erbrach und ihr schmerzverzerrtes Gesicht Schuldigkeit sprach, deutete sie auf die in Ketten gelegte Frau, welche verständnislos in die Menge vor sich blickte.

Merin betrachtete augenblicklich Amiras Augen. Darin erkannte er jedoch nichts, das greifbar gewesen wäre. Er war sich sicher, dass jenes Wesen nichts von alledem, was um sie herum geschah, verstand.

Die schmale Frauengestalt wandte ihren Körper plötzlich im Tanz, den sie barfuß auf den groben Planken des Podestes vollführte und begann zu singen. Dabei verlagerte sie fortwährend ihr Gewicht von einem zum anderen Bein. Merin war angetan des Schauspiels und richtete sich in seinem Sattel auf.

Maria, die begonnen hatte, einzelne Fäden aus der Schleife zu ziehen, während sie hilfesuchend den stark beleibten Mann ansah, der mit ausgebreiteten Armen väterlich auf sie zu kam, wirkte verloren auf der großen Bühne. Sie hatte ihre Rolle gut gespielt und das einfache Volk in Staunen versetzt. Merin rümpfte jedoch seine Nase, angeekelt der widerwärtigen Erscheinung des beleibten Mannes und zog an den Zügeln in seinen Händen. Der Hengst trat augenblicklich schnaubend auf der Stelle.

Die plötzliche Bewegung des Pferdes und seines Reiters zog Amiras Aufmerksamkeit auf sich, die ihren Tanz unterbrach und Merins kantiges Gesicht mit schief gelegtem Kopf musterte. Seine goldenen Augen blitzten ihr neugierig entgegen, während seine Lippen eine schmale Linie unter dem blonden Bartansatz formten. Sie ließ ihren Blick den sehnigen Hals des Fremden hinunter gleiten und verweilte einige Sekunden an jener Kuhle darunter. Plötzlich, ohne Vorwarnung, zog sie mit aller Macht an den Ketten und riss sich so aus dem Griff der verwundert dreinblickenden Wache. Sie schrie, rannte über die Planken und sprang hinab in jenen Matsch, der sie kurzzeitig auf die Knie zwang.

Merin zog die Zügel enger an sich. So tat sein Hengst einige Schritte zurück, während er Amiras versuchte Flucht mit seinen Augen folgte. Die Wachen strömten unterdessen von allen Seiten auf jene Frau hin, welche sich nur noch einen Arm weit von Merin befand und überwältigten diese.

Sein Tier scheute zu sehr, ob des vor ihm ausgefochtenen Kampfes, so dass Merin wirkliche Schwierigkeiten hatte, ihn unter Kontrolle zu halten. Beruhigend tätschelte er dessen muskulösen Halsansatz und redete monoton in eines der zuckenden Ohren. Etliche Sekunden vergingen, bis es ihm schließlich gelang und er die Zügel fest in seinen Händen hielt.

Vor ihm lag nunmehr Amira bäuchlings, das Gesicht in den Schlamm gepresst. Zwei der Wachen fixierten sie so mit Zuhilfenahme ihrer Knie auf dem feuchten Untergrund. Zeitgleich erhob sich einer, der im Schattenbereich des Podestes verharrten Personen lautlos aus dessen massiven, detailreich geschnitzten Stuhl und trat bedächtig die verzogenen Stufen hinab. Sein Weg führte ihn hierbei zu Amira, welche noch immer nieder gedrückt auf dem schlammigen Untergrund verweilte. »Schwere Sünden mussten unser aller Gehör erleiden, begangen durch die Tochter des Müllers. So blieb uns keine andere Wahl, als jenes arme Geschöpf hier für schuldig des Bundes mit dem Gehörnten zu befinden. Wir beten um die Erlösung ihrer Seele und werden ihren befleckten Geist von den Spuren des Bösen reinigen.«

Während die in rotem Stoffmantel gewandete Gestalt das letzte Wort über den Rand seiner Lippen fallen ließ, spuckte Amira auf dessen Füße. Die rings umher stehenden Dorfbewohner stöhnten erschrocken, als auch schon leises Getuschel einsetzte.

Der Richter reckte sein spitz zulaufendes Kinn hoch und senkte angewidert seinen Blick. Diese Geste verlieh jenem eine demonstrative Überlegenheit und unterstrich das vorherrschende Machtverhältnis.

Merins Lippen umspielte ein Grinsen. So lehnte er sich hinab, um die Frau zu den Hufen seines Hengstes besser studieren zu können. In ihrem Blick lag eine unbändige Kraft, die kein Mann zu zähmen im Stande war.

Amiras wild brennende Augen erwiderten Merins stechende. Sie war zweifelsohne stark wie ein Stier und so eigen wie der Wind. Sie musste es einfach sein! Seine Suche hatte ein überraschend frühes Ende gefunden.

»Was wollt ihr für sie?«, sprach Merin, dessen Blick nicht eine Sekunde von der Frau unter ihm wich. »Mein Herr?«, hörte er den Richter verwundert sprechen, während die weiteren Mitglieder des Tribunals, welche bisher in ihren Thronen verweilt hatten, tuschelten.

»Was wollt ihr für sie?«, wiederholte Merin seine Frage und richtete sein Augenpaar auf den erstarrten Richter. »Sie ist unverkäuflich.«

Merin schnalzte missbilligend über die Antwort des Richters mit der Zunge und richtete sich auf seinem Reittier auf, während er seine Schultern nach hinten zog und ins Hohlkreuz ging. »Jeder ist käuflich, Richter. Es kommt immer nur auf den Preis an«, dachte Merin und lauschte mit Genugtuung der aufkommenden entrüsteten Diskussionen der Dorfbewohner. Diese schlossen bereits den Kreis enger um das Geschehen. Keiner der Schaulustigen wollte seinen Platz aufgeben. So tränkte schnell ein wütendes Gedränge die Szene. Nun lösten sich auch die anderen Mitglieder von ihren Thronen und traten das Podest hinunter.

»Sie ist besessen, wirr im Kopf. Wir müssen ihre Seele vor dem Bösen reinigen. Dennoch, auch wenn sie käuflicher Natur wäre, wäre das Gold um ihren Körper zu zahlen doch all zu schade.« Mit jenen Worten deutete er gepaart eines missbilligenden Blickes auf die verdreckte Gestalt unter sich.

»Das lasst meine Sorge sein, wofür ich mein Gold auszugeben gedenke. Also, wie viel?«

»Ich sagte schon, sie ist unverkäuflich, Fremder.«

Merins Gesichtszüge versteinerten und seine goldenen Augen brannten sich in die des Richters. So vergingen unzählige Sekunden, bis das kaum merkliche Nicken des Mannes Merin Genugtuung schenkte. Er straffte augenblicklich die Zügel und wandte den Kopf ab. »Wenn das so ist.« Mit diesen Worten, welche er lauter als nötig sprach, riss er seinen Hengst herum und entfernte sich vom Platz des Geschehens. Das Getuschel blieb.

Der Magier biss sich auf die Unterlippe um das Lachen, welches bereits in seinem Hals gor, zu ersticken, ehe er seinen Blick auf das zweistöckige Gebäude am Ende des schlammigen Weges vor ihm legte und die verwirrten Dorfbewohner hinter sich ließ. Er hatte den Richter verstanden. Jeder war nun einmal käuflich und das Gesetz bildete darin keine Ausnahme. Dennoch musste er vor den Dorfbewohnern Recht und gute Absichten bedeuten und so Merins Bitte eisern abschmettern. Sollte der Narr seine Würde doch behalten, ihm war es nur recht, solange er nur das bekam, was er begehrte.

Sich in seiner Vorfreude aalend, ritt Merin in den Schatten des Gebäudes und wartete wie die Spinne im Netz.

Es dauerte eine geraume Zeit, bis der Richter in Begleitung der weiteren Mitglieder und einer Wache, welche Amira angestrengt hinter sich her zog, in Merins Blickfeld trat. Ihre wilden Schreie hallten von den Häuserfassaden wider und klangen wie Gesang in seinen Ohren.

Als er ihrer Stimme lauschte, bemerkte er erneut, dass die gesprochenen Worte, welche aus ihrem Mund drangen, keiner bekannten Sprache zugehörig waren. Von einer sinnfreien Aneinanderreihung befallener Buchstaben, so erklangen die Worte, welche sie wütend ausspuckte, gefolgt von ihrem Speichel, der auf der Wange des Wächters seinen Platz fand.

Merin lachte kurz auf, als er jene wutschnaubende Wache beobachtete, die kurz davor stand seiner Emotion nachzugeben und drohend die Hand gegen das blondgelockte Weib erhob. »Lass das! Ich will nicht, dass ihr etwas geschieht. Das mindert ihren Wert. Wir können eh froh sein, dass sich jemand für das Weibsbild interessiert.«

»Bin ich der Einzige, dem dieser Fremdling seltsam erscheint?«, kritisierte einer der Mitglieder, welcher genau dem Richter gleich, in Rot gehüllt war.

»Das kann uns doch egal sein. So haben wir zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Wir sind das da los, wie die Dorfbewohner es wollten und wir erhalten darüber hinaus noch drei Goldstücke.«

»Meinst du, er zahlt so viel?«

»Für weniger wird er sie nicht bekommen. So einfach ist die Sache«, gab der Richter wieder, dessen Verschlagenheit sich nunmehr ungehemmt in seinem Blick darbot. Hierbei musterte er ein letztes Mal abwertend die Frau neben sich, welche seinen Blick unter ihren verklebten Strähnen kalt erwiderte.

»Miststück!«, kam es über seine Lippen, als er vor Merin innehielt. Noch immer saß dieser auf seinem Hengst und überragte die sieben Gestalten vor ihm um ein weites.

Das Leder seiner Handschuhe knarzte, als er die Zügel in seiner Hand vor Erregung fester schloss. Ja, sie war die perfekte Wahl.

534 - Band I

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