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Holden

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Shit! Der Akku ist leer!

Was dachtest du denn?, sagt Pa. Dein Camphone nonstop leuchten lassen und dann auch noch im hellsten Modus …

Ja-ha. Ich verstaue mein Gerät.

Und jetzt? Auf gut Glück im Dunkeln weiterstolpern und hoffen, dass mich der Tunnel zu einem Ausgang bringt?

Aber was, wenn er stattdessen tiefer hinunterführt und ich in irgendeinem komplizierten Höhlensystem lande?

Kategorie schlimmere Todesarten: erst wochenlang allein herumirren und dann doch noch vor Hunger und Durst sterben.

Dann esse ich mich lieber an Dosenfutter zu Tode.

Ja, Labyrinthe aus Glas, die fand ich als Kind ziemlich witzig. Und das große Labyrinth in Funworld mit seinen meterhohen Buchenhecken und dem Aussichtsturm in der Mitte. Pa hat mir mal erzählt, die Gärtner hätten sich früher ein Seil um die Taille gebunden, wenn sie die Hecken schnitten. Ein Ende banden sie dann an der Hecke am Eingang fest, damit sie den Weg zurück schnell fanden, weil sonst nichts von ihren Pausen übrig geblieben wäre.

Heute brauchen sie nur ihr GPS einzuschalten. Meins ist fast bis auf den Millimeter genau. Leider hat man davon nichts, wenn man mit einem leeren Camphone in einem Keller ohne Empfang sitzt, während so ein Seil …

Vielleicht ist ja unter den Werkzeugen was Passendes, das ich verwenden kann!

Ich lasse die Plane los und taste mich zwischen den Regalen durch, während ich versuche, meine Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen. Rechts erkenne ich die vagen Umrisse der Konserven. Links: noch mehr Dosen …

Das muss der Schrank mit dem Werkzeug sein. Ungeduldig lasse ich meine Finger über die Gerätschaften wandern und dann habe ich plötzlich eine Kerze in der Hand. Die Feuerzeuge und Streichhölzer liegen daneben, daran erinnere ich mich noch.

Fast zünde ich meinen Daumen an, aber endlich brennt der Docht. Die Handinnenfläche schützend um die Flamme gelegt, gehe ich aufgeregt zum nächsten Regal.

Ja, da liegt eine Rolle Schnur!

Als ich sie in meine Tasche stecke, entdecke ich noch etwas Interessantes. Einen flachen Gegenstand mit einer Lampe und einer Art Griff. Eine Taschenlampe aus dem Jahr null?

Eine großartige Taschenlampe! Als ich ein paarmal auf den Griff drücke, leuchtet sie auf.

Ich blase die Kerze aus, behalte sie aber bei mir. Angenommen, meine neue Dynamolampe gibt wie mein Camphone den Geist auf? Diesmal will ich auf alles vorbereitet sein.

Da ich keine Schnecke bin, die notfalls drei Jahre schlafend ohne Nahrung verbringen kann, scheint es mir klug, was zu essen und Wasser mitzunehmen. Mir war zwar ein bisschen übel von der Ananas, aber ich bin nicht daran gestorben. Wahrscheinlich muss mein Magen nach siebzehn Jahren Vita und Shakes einfach erst einmal umschalten.

Ich entscheide mich für eine Dose Bohnen, eine Büchse Sardellen und Tomatensuppe. Bloß – wo tue ich das alles hin, wenn ich auch noch diese Lampe festhalten will?

Ich leuchte die Umgebung ab, auf der Suche nach etwas, in dem ich meine Sachen transportieren kann, und Wunder über Wunder, in der Ecke an der Wand lehnt ein Stoff‌beutel. Ein Stück Felsen, denke ich erst noch, aber Felsen haben oben keinen Saum mit einer Kordel zum Zuschnüren.

Ich ziehe die Öffnung auf und schaue hinein.

Fackeln? Die sind ja noch viel praktischer als Kerzen!

Als ich sie ein wenig zur Seite schiebe, passen die Konserven bequem in den Beutel und auch die Wasserflasche findet noch Platz. Die Kerze. Dann hänge ich mir die improvisierte Tasche über die Schulter. Das Feuerzeug stecke ich in die Hosentasche, nachdem ich die Rolle mit der Schnur wieder hervorgeholt habe. Ein Ende knüpfe ich an das Regal, das dem Tunneleingang am nächsten steht, und wickele schon mal ein Stück ab. Noch ein paarmal drücken, damit ich genügend Licht habe …

Ich schiebe die Plane zur Seite und betrete den unterirdischen Gang.

Es scheint wärmer hier drinnen als in der Höhle, aber das kann auch an meinen Nerven liegen. Mein Rücken ist klamm vor Schweiß und die Schnurrolle klebt an meinen Fingern. Vorläufig brauche ich mich nicht zu entscheiden, in welche Richtung ich gehe. Wo ich eine Abzweigung vermutete, macht der Gang nur eine Biegung nach rechts. Sobald ich um die Kurve gebogen bin, habe ich das Gefühl, dass es langsam, aber stetig nach oben geht und …

Mir stockt der Atem. Sehe ich das richtig?

Ich gehe schneller, lasse die Schnurrolle fallen und gönne mir nicht die Zeit, sie aufzuheben. Der Lichtstrahl bewegt sich zuckend auf und nieder und dann …

Ja, es sind Stufen! Sechs Stück, um genau zu sein, und sie führen zu einer Luke in der Decke! Ich platze fast vor Hoffnung und Freude, klemme den Stoff‌beutel zwischen meine Füße, lege die Lampe auf die oberste Stufe und strecke die Arme aus.

Fuck! Das Scheißding ist verschlossen.

Ich versuche, die Luke mit der Schulter hochzudrücken. Das Holz stöhnt und knarrt, gibt aber nicht nach. Ich brauche einen Stock, um die Luke aufzubrechen, oder noch besser: ein Beil, damit ich das ganze Ding zertrümmern kann. Aber das habe ich leider nicht mit.

Widerwillig gehe ich in den Tunnel zurück. Den Beutel lasse ich stehen. Ich nehme nur die Lampe mit und folge dem ausgerollten Faden auf dem Boden. Mein Schatten begleitet mich wie ein dunkles Gespenst und meine Fußgelenke fühlen sich an wie zerbrechliche Zweige. Trotz der Wärme überläuft es mich kalt.

Stell dich nicht so an, sagt Pa. Du weißt den Weg und du kennst die Höhle.

Trotzdem empfinde ich eine gewisse Erleichterung, als ich die Plane hängen sehe. Ich schiebe sie beiseite und stolpere in den Schutzkeller. Erneut laufe ich die langen Konservenreihen ab und komme am Regal mit den Waffen vorbei. Als wäre ich zurück auf Los.

Beim Werkzeugregal bleibe ich stehen. Auf die Schnelle kann ich kein Beil entdecken. Übrigens auch keinen Stock. Aber Moment …

Da liegt tatsächlich ein Brecheisen!

Mit neuem Mut gehe ich in den Tunnel zurück. Wenn ich das Brecheisen schwenke, ist mein Schatten noch beängstigender als vorhin. Nur kann ich jetzt darüber kichern.

Die Abenteuer von Holden, dem bewaffneten Gespenst.

Entschlossen gehe ich erneut die Stufen hinauf und klemme den Fuß des Brecheisens in den Spalt neben der Luke.

Und jetzt mit Kraft.

Ein Krachen und dann –yeah! – breche ich plötzlich durch die Luke. Das Loch ist groß genug, um die Hand durchzustrecken. Ich ertaste ein unverwüstliches Hängeschloss, aber – Shit, Shit, Shit – keinen Schlüssel.

Erneut rücke ich dem Holz mit dem Brecheisen zu Leibe. Drücken. Rütteln. Manchmal muss ich kurz innehalten, um mir den Staub und die Splitter aus dem Gesicht zu wischen, aber ich bleibe hartnäckig und zerbrösele die gesamte Luke Stück für Stück und dann endlich, endlich – da ist sie wieder, die Außenwelt!

Ich lasse das Brecheisen fallen. Den Beutel im Arm, die Augen vor dem grellen Licht zugekniffen, trete ich ins Freie. Oder eigentlich bin ich auch noch ein bisschen drinnen, denn ich stehe zwischen den Resten eines Hauses! Das Dach ist komplett verschwunden und die Mauern sind von Efeu überwuchert. Der verrottete Fensterrahmen hat keine Scheibe mehr und die Tür ist aus den Angeln gebrochen. Ich spähe durch die Öffnung in die Ferne, die Hand zum Schutz vor der Sonne über den Augen.

Ja, dahinten ist das Verbotsschild, an dem ich vorbeikam, als ich das Gelände betreten habe!

Obwohl mein großer Zeh pocht, als hätte er ein Herz, und meine Hüfte und die Knöchel ziemlich heftig stechen, fühle ich mich fantastisch. Schwungvoll werfe ich mir den Stoffbeutel über die Schulter, benutze die Tür als Laufsteg und humpele durch das Gras in Richtung Wildrost.

In Gedanken fliege ich. Ich lebe noch und ich habe eine Schatzkammer entdeckt.

Data Leaks (1). Wer macht die Wahrheit?

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