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Historisch-archäologische Quellenanalyse oder verallgemeinernde Pauschalisierung?
ОглавлениеKalisch rechtfertigt seine umstrittenen, von bisher als unumstößlich geltenden islamischen, aber auch jüdischen und christlichen Glaubensaussagen abweichenden Positionen gerne mit dem Verweis auf eine historisch-kritische Forschungsmethode, wie sie in der christlichen Theologie sich mittlerweile etabliert habe. Dort würden ebenfalls große Teile der biblischen Berichte nicht mehr unhinterfragt als historische Tatsachen angesehen, sondern aus dem Kontext des Autors heraus interpretiert und mit archäologischen Funden und den Ergebnissen umfangreicher historischer Quellenanalyse in Einklang zu bringen versucht.[16] Angesichts von archäologischen Indizien, die von den koranischen aber auch alttestamentlichen Berichten zum Auszug der Israeliten aus Ägypten abweichen, folgert Kalisch z.B, dass jener Exodus so nicht stattgefunden habe oder nur „theologisch wahr“ sei.[17]
In der Tat lassen sich gewisse Divergenzen zwischen den biblischen und koranischen Schilderungen und neuzeitlichen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht übersehen, es bestehen jedoch ebenso archäologische und andere historische Quellen, die einen Exodus prinzipiell für wahrscheinlich erscheinen lassen.[18] Diese übersieht Kalisch hier offenbar und schließt aus Erkenntnissen über einen in Teilbereichen divergenten Ablauf des Geschehens auf eine generelle Nichtexistenz des Ereignisses. Die Historisch-Kritische Methode, wie Rudolf Bultmann oder Herbert Braun sie verstanden haben, ist in Kalischs Vorgehensweise nicht festzustellen als vielmehr eine Grundtendenz zur Pauschalisierung und Verallgemeinerung – durchaus vergleichbar den religiösen Fundamentalisten und Dogmatikern, gegen die er sich glaubt, argumentativ zur Wehr setzen zu müssen. Man kann sich des Eindrucks nicht verwehren, es gehe Kalisch weniger um die Etablierung einer modernen Wissenschaftsmethode als um ein bewusstes Zerstören religiöser Glaubensinhalte, aus denen Muslime ebenso wie Juden und Christen Hoffnung und ihre Identität ableiten.