Читать книгу Handbuch Ius Publicum Europaeum - Monica Claes - Страница 19
d) Eine fast existenzielle Frage: Die Verfassung in den skandinavischen Ländern
Оглавление43
Norwegen und Finnland bieten zwei gegenläufige Erfahrungen, in denen das richterliche Prüfungsrecht sich zu behaupten vermag. Obwohl sie keine unabhängigen Staaten waren und unter der Herrschaft ausländischer Monarchen standen, genossen beide im 19. Jahrhundert ein Selbstverwaltungsregime,[71] das einer besonderen normativen Stärke ihrer jeweiligen Verfassung zugute kam. So verfügte Norwegen, nachdem es den schwedischen Monarchen akzeptieren musste, mit seiner fortbestehenden Verfassung von 1814 über ein strategisches Instrument seiner Selbstverwaltung. In einem Umfeld, in dem der bereits erwähnte Torkel H. Aschehoug eine bedeutende Rolle bei der Verbreitung des nordamerikanischen Konstitutionalismus spielt, sehen sich die Gerichte befugt, verfassungswidrige Gesetze außer Acht zu lassen, was auch tatsächlich geschieht.[72] Im Falle Finnlands konstatiert man eine ähnliche Entwicklung. Von Schweden getrennt und 1809 in Form eines mit Selbstverwaltung ausgestatteten Großherzogtums in das Zarenreich eingegliedert, machte Alexander I. durch die Anerkennung der „Grundgesetze“ und der „Verfassung“ des Großherzogtums (worunter die schwedische Verfassung, wie sie 1809 bestand, zu verstehen war) diese erneut zu einem entscheidenden Faktor für die Bestätigung der Selbstverwaltung. Im Jahr 1869 legt die Parlamentsordnung ein Verfahren zur Verfassungsreform fest, das im Zusammenhang mit den sogenannten „Notstandsgesetzen“ von erheblicher Bedeutung ist. Zu dieser Zeit wurde es gebräuchlich, einen oft mit Professoren besetzten Rechtsausschuss zur Beratung über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzentwürfen einzubeziehen, der im Laufe der Jahre bei der Verfassungsmäßigkeitskontrolle von Gesetzen eine zentrale Rolle einnehmen sollte.[73]