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Darbietungsweisen
Оглавлениеtelling vs. showing
Wichtige strukturelle Aspekte einer Erzählung beziehen sich auch auf die Darbietung des Geschehens durch zwei grundlegende Strategien – der expliziten erzählerischen Darstellung durch Erzählakte einer Erzählerfigur und einer quasi-direkten Darstellung, die keine vermittelnde Erzählerfigur zu benötigen scheint. Diese Unterscheidung betrifft nicht nur die am Kapitelbeginn beschriebene Unterscheidung zwischen manifester und latenter Erzählerfigur, sondern insbesondere die Unterscheidung zwischen mittelbarer und unmittelbarer Darstellung (Stanzel) bzw. zwischen berichtender und szenischer Darstellung (Otto Ludwig). Die Begriffe telling vs. showing (sie stammen von Percy Lubbock) können auch auf Film und Drama angewandt werden. Während in Romanen und mündlichen Erzählungen überwiegend eine Erzählerfigur vorhanden ist, durch deren Diskurs die Ereignisse vermittelt werden, sind Erzähler im Drama und im Film eher rar, obwohl manche Stücke wie Thornton Wilders Unsere kleine Stadt (Our Town, 1938) oder Bertolt Brechts Mutter Courage (1939) eine solche Figur auftreten lassen. Auch im Film sind Erzähler besonders in Literaturverfilmungen anzutreffen, entweder als voice over oder in eingeblendeten Szenen am Filmbeginn, in denen der Ich-Erzähler beim Verfassen des Textes gezeigt wird. In manchen Verfilmungen wird die Ebene des Schreibens sogar in die des Filmens transponiert, so wie in der berühmten Verfilmung von John Fowles’ Roman The French Lieutenant’s Woman (1970, dt. übersetzt als Dies Herz für Liebe nicht gezähmt …). Im Film mit dem Titel Die Geliebte des französischen Leutnants tritt der selbstreflexive Erzähler als Filmproduzent auf.
Die Unterscheidung zwischen telling und showing ist vor allem im Rahmen von Stanzels Erzähltheorie in der Dichotomie Erzähler-/Reflektor-Modus (teller mode/reflector mode) zu einem zentralen Begriffspaar geworden (s.u.). Ursprünglich entsprach sie Otto Ludwigs Unterscheidung zwischen berichtendem Erzählen und szenischer Darstellung. In szenischer Darstellung, wie im Drama, scheint es, als ob wir die Handlung unmittelbar präsentiert bekämen. Traditionell werden uns Geschichten jedoch erzählt, und eine Erzählerfigur berichtet sie uns, so dass wir ein erzählendes Gegenüber vor uns sehen, einen teller.